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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 3
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Reimer, Paul: Die historische Waffenkunde auf kulturgeschichtlicher Grundlage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0075

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3- Heft.

Zeitschrift fiir historische WafTenkunde.

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Aufmerksamkeit zu widmen sein, ihr Leben wird im
Verein mit ihren Werken vielfach wichtige Aufschlüsse
über das Waffenwesen ihrer Zeit liefern. In den
weitaus meisten Fällen ist allerdings der Verfertiger
der vorhandenen Stücke unbekannt, nur Marken
weisen auf ihren Ursprung hin, das Studium derselben
ist daher von grosser Wichtigkeit.
Hier ist bereits erfolgreich seitens der den
grösseren Sammlungen vorstehenden Kunstgelehrten,
wie dies namentlich Boeheim in hervorragender
Weise gethan hat, vorgearbeitet worden; die Ur-
sprungsbestimmung der Waffe auf Grund der künst-
lerischen Formgebung besitzt bereits eine sichere
Grundlage. Dagegen scheint die Ableitung der
Grundsätze für die weitere Ausgestaltung der Waffe
noch nicht überall in Angriff genommen zu sein.
Es bleibt auch hier noch ein weites Feld der Thätig-
keit offen.
Das in diesen fünf Abschnitten nur flüchtig um-
grenzte, so ungeheure Gebiet, das fast alle Zweige
des Kulturlebens der Völker von den ältesten Zeiten
bis auf die Gegenwart umfasst, ist durchaus noch
nicht genügend durchforscht und bearbeitet worden.
Zwar besitzen wir über die historische Waffenkunde
eine Anzahl höchst schätzenswerter Bücher, deren
Verfasser in dieser Wissenschaft eine führende
Stellung einnehmen — es sei nur auf das vortreff-
liche Handbuch vonWendelinBoeheim hingewiesen —
indessen umfassen dieselben das ganze Waffenwesen
aller Zeiten oder doch sehr bedeutende Abschnitte
desselben und stellen die unentbehrlichen Hand-
bücher auf diesem Gebiete dar. Naturgemäss können
in derartigen Werken nur die charakteristischen
Typen der Waffen jedes Zeitabschnittes berücksich-
tigt werden, während gerade die das Wesen der
Waffe enthüllenden engeren Beziehungen der Waffen-
arten untereinander und zu den vielseitigen Er-
scheinungen des Kulturlebens in den Hintergrund
treten mussten. Dagegen liegen bereits überaus
zahlreiche Einzelarbeiten gerade über diese engeren
Beziehungen vor, aber sie sind in den verschieden-
sten Büchern, Zeitschriften, ja sogar in Tageszeitungen
zerstreut und in ihrer Gesamtheit selbst dem Spe-
zialisten für historische Waffenkunde unzugänglich.
Es bedeutete daher einen ausserordentlichen Fort-
schritt, als im Jahre 1896 durch die Initiative Wendelin
Boeheims in Wien der «Verein für historische Waffen-
kunde» ins Leben trat und in seiner Vereinszeit-
schrift Arbeiten der genannten Art eine Stätte gab,
an der sie dem Kreise der Interessenten zugeführt
und dauernd der Oeffentlichkeit erhalten bleiben
können. Die Erfolge, welche der Verein bisher
erzielt hat, sind bei der kurzen Zeit seines Bestehens
immerhin beachtenswert, indessen bedarf cs bei
einem derartigen Unternehmen immer einer gewissen
Zeit, bis dasselbe in weiteren Kreisen bekannt und
entsprechend gewürdigt wird und die zur Erreichung
seiner Zwecke unbedingt nötige, grössere Mitglieder-
zahl aufweist. Dies ist nun bei dem Verein für

historische Waffenkunde noch keineswegs der Fall,
zahlreiche in sein Faeh schlagende Aufsätze erschei-
nen nach wie vor in den verschiedensten, zum Teil
schwer zu erlangenden Zeitschriften, vielfach ohne
bei dem betr. Leserkreise die ihnen gebührende
Beachtung zu finden und weite, sich für das Waffen-
wesen aus Beruf oder Neigung interessierende Kreise
stehen dem Verein noch durchaus fern. Es darf
daher nicht Wunder nehmen, dass auch der Kreis
der bisher thätigen Mitarbeiter der Vereinszeitschrift
ein nur begrenzter war und dass infolgedessen in
den bis jetzt vorliegenden Heften die historische
Waffenkunde erst in einzelnen Teilen betrachtet,
auch die kulturhistorische Bedeutung der Waffe noch
nicht genügend in den Vordergrund gerückt wurde.
Aufgabe des jungen Vereins wird es nunmetr sein
müssen, weitere Mitglieder und Mitarbeiter heran-
zuziehen und heranzubilden.
Die Schwierigkeiten, welche sich bei der Be-
arbeitung der historischen Waffenkunde ergeben,
sind wesentlich grösser, als auf jedem anderen Ge-
biete der Wissenschaft. Während dort alle der-
selben Wissenschaft Angehörigen eine gemeinsame
Grundlage des Wissens erhalten, von der aus sie
sich eist den Spezialzweigen zuwenden, und in jenem
allgemeinen Wissen immer wieder den Boden für
gegenseitige Verständigung finden und dadurch die
Wissenschaft vor Zersplitterung schützen, befindet
sich die historische Waffenkunde in viel ungünstigerer
Lage. Abgesehen von der eingangs erwähnten
Trennung der Interessenten in Waffenkundige und
Kulturhistoriker, deren Wissensgebiete weit ausein-
ander liegen, beschränkt sich wiederum bei den
ersteren in den weitaus meisten Fällen das Wissen
und das Interesse auf eine oder einzelne Arten der
Waffe unter mehr oder weniger vollständiger Ver-
nachlässigung der übrigen. Es hat diese auffallende
Erscheinung darin ihren Grund, dass die historische
Waffenkunde bisher in erster Linie von Liebhaber-
kreisen gepflegt wurde, von Sammlern, die, den
verschiedensten Berufsarten angehörend, die Waffe
jeder von seinem eigenen Standpunktaus betrachteten
undeiner gemeinsamen Grundlage des waffcngeschicht-
lichen Wissens zum grossen Teil entbehrten. Zwar
besitzen verschiedene, insonderheit die berufs-
mässigen Waffenhistoriker, in ihrem Studium der
Kulturgeschichte einen gemeinsamen Boden der Ver-
ständigung, indessen bezieht sich derselbe doch nur
auf eine besondere Eigentümlichkeit der Waffe, deren
einseitige Betrachtung für die Allgemeinheit kaum
erspriesslich sein dürfte und die, wie oben gezeigt,
nur einen verhältnismässig geringen Bruchteil der
historischen Waffenkunde überhaupt darstellt. Kurz-
um, man kann annehmen, dass, abgesehen von nicht
zu zahlreichen Fällen, jeder sich für die Waffe
Interessierende nur ein mehr oder weniger be-
schränktes Sondergebiet der historischen Wafifen-
kunde beherrscht und auf den anderen so gut wie
Laie ist, ein Umstand, der den gegenseitigen Meinungs-
 
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