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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 3
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Reimer, Paul: Die historische Waffenkunde auf kulturgeschichtlicher Grundlage
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Liebe, Georg: Das Turnier in den Briefen deutscher Fürsten am Ausgang des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0079

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3. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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derartige Wünsche geäussert, begründet und von
verschiedenen erörtert werden, so wird daraus sich
in nicht allzu ferner Zeit ein Arbeitsprogramm der
Waffenkunde aufstellen lassen, das unbedingt zum
Erfolge führen muss. Dazu eben bilden wir einen
Verein, dass wir vereint danach streben, in sich selbst
fest geschlossene Leistungen zu erzielen. Zunächst
mag freilich manchem dies oder jenes unausführbar
erscheinen, mag er angebliche Utopien belächeln,
welche die Phantasie am Schreibtisch hervorgezaubert
habe. Aber sobald wir festen Trittes auf die Schwie-

rigkeiten losmarschieren, werden sie dem ernsten
Willen gegenüber nicht standhalten. Freilich eines
Hilfsmittels kann auch der nicht entraten, der sich
ganz für eine Sache einsetzt: der. äusseren Mittel,
des Geldes. So wenig erquicklich dies ist, so wenig
lässt es sich hinwegleugnen: der Verein wird erst
dann planmässig an die Lösung der im Vorher-
gehenden gestellten Aufgaben herantreten können,
wenn die Zahl seiner Mitglieder sich bedeutend ge-
mehrt hat. Möge diese erspriessliche Wendung recht
bald eintreten! Koetschau.


Das Turnier in den Briefen deutscher Fürsten am Ausgang
des Mittelalters.
Von Dr. G. Liebe, Kgl. Archivar.


eiten ist über einen Gegenstand
allgemeinsten Interesses soviel
Unbegründetes geschrieben
worden, wie über das Turnier.
Liefert es nebst dem Minne-
sang einen der Begriffe, mit
denen die allgemeine Bildung
ihre Kenntnis der Feudalzeit
erweist, so konnten die Erörterungen darüber um so
leichter ein Tummelplatz des Dilettantismus werden.
Ungesichtet von wissenschaftlicher Kritik vermochte
sich hier ein Wust veralteter Vorstellungen weiter
zu schleppen, um so mehr, da man auch hier wie
vielfach auf dem kulturgeschichtlichen Gebiet den
litterarischen Quellen ein viel zu grosses Gewicht
beimass. Erst in den letzten Jahrzehnten sind unsere
Kenntnisse vom Turnierwesen durch Wendelin
Boeheim, Quirin von Leitner und Cornelius Gurlitt
auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt worden.
Man erkannte, wie reiches Material nicht nur die
Rüstkammern, sondern auch die Archive bergen.
Eine Quelle dieser Art von ganz besonderem Cha-
rakter ist es, welche Steinhausens Veröffentlichung
deutscher Fürstenbriefe des ausgehenden Mittelalters
erschlossen hat.1) Für den Mangel systematischer
Belehrung, der nur zerstreute Einzelheiten zu sam-
meln gestattet, entschädigt reichlich die lebendige
Färbung persönlichen Anteils. Die Kunde von der
Denkweise des mittelalterlichen Menschen, die wir
neben dem Reichtum der äussern Thatsachen häufig
so schmerzlich vermissen, — hier quillt sie uns in
reichster Fülle entgegen.
Die modernen Anschauungen vom Turnier
*) Deutsche Privatbriefe des Mittelalters. Mit Unterstützung
der K. Preuss. Akademie der Wissenschaften. I. Fürsten und
Magnaten, Edle und Ritter. Berlin 1899.

lehnen sich zumeist an die Quellen der Hohen-
staufenzeit an, über denen der Schimmer höfischer
Poesie ausgebreitet liegt, aber es ist kein Zweifel,
dass diese ritterliche Uebung ihre kunstvollste Aus-
bildung erst gegen Ende des fünfzehnten Jahrhun-
derts erhielt. Erst als die militärische Unbrauch-
barkeit der feudalen Taktik erwiesen war, wurde
aus der Schulung zum Kampfe ein vornehmer Sport,
ebenso wie die Plattnerei die höchste Kunst an ihre
Erzeugnisse verschwendete, als das Pulver sie über-
flüssig gemacht hatte. Der veränderte Charakter
des Turniers erhellt schon daraus, dass es seine
Pflege nur noch an den Höfen fand. Mit der ritter-
lichen Kriegskunst waren auch die Turniergesell-
schaften der vier Lande, Franken, Schwaben, Bayern
und am Rhein im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts
zurückgegangen; Fürsten waren es, welche an seinem
Ende eine Nachblüte hervorriefen, die bis zur Mitte
des folgenden währte. Nicht wenige von ihnen
waren selber berühmte Speerbrecher, vor allem
Kaiser Maximilian und Kurfürst Albrecht von Bran-
denburg, als einer der letzten Kurfürst August von
Sachsen, dessen Thätigkeit als Staatswirt so ganz
modern schon anmutet. Man kann sagen, dafs nach
den brieflichen Aeusserungen der Fürsten am Schlüsse
des Mittelalters nächst der Jagd das Turnier den
Hauptinhalt ihrer Interessen bildet.
Immer weniger um ihrer selbst willen wird die
Waffenübung gepflegt, als um den Glanz fürstlicher
Hofhaltung zu erhöhen. Nur vereinzelt gehen noch
Einladungen von den Rittergesellschaften und ihren
«Königen» aus. 1438 hielt die vom Steinbock ihr
Kapitel zu Koblenz und beschloss ein Turnier zu
Mainz, 1485 turnierte die vom Einhorn zu Bamberg,
i486 die vom Falken und Fisch zu Konstanz. Die
fränkische vom Einhorn war erst 1481 durch Wieder-
 
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