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Zeitschrift für historische Waffenkunde.
II. Band.
wenn auf Klingen so viele schwer oder auch gar
nicht lesbare Inschriften vor Augen kommen. Solche
Inschriften kommen in Spanien häufig, in Italien
nur vereinzelt vor; in Solingen treten sie erst am
Beginn des 17. Jahrhunderts auf. Zu den hervor-
ragendsten Werkstätten, welche sich dieser Art
Schrift bedienen, zählen in Spanien Juan Martinez
Vater und Sohn, Thomas de Aiala, Antonio
Ruiz, Pedro de Arechiga und Hortuno de
Aguirre; in Italien Andrea und Giandonato
Ferrara. Bei den Mailändern und Brescianer Werk-
stätten war sie nicht üblich. Immerhin bildete die
Bildmarke des Meisters das authentische Beweis-
mittel; jede Inschrift war eine erklärende Beigabe
für den minder sachverständigen Käufer.
Die um die Mitte des 16. Jahrhunderts all-
gemein auftretende Mode, im täglichen Umgänge
leichte Degen zu tragen, brachte die spanischen
Werkstätten, vor allem jene zu Toledo, plötzlich
zu einem ungemeinen Ruf, der sich bald über die
ganze Welt verbreitete. Mit ihnen wetteiferten nicht
ohne Erfolg die Mailänder, voran Antonio Picci-
nino und Pietro Caino. Nicht lange darauf
folgten die ebenso aufmerksamen als spekulativen
Solinger, obwohl sich selbe nur schwer von der
Schwertklingenerzeugung trennen konnten.
Neben den spanischen Meistermarken bezw.
der vorerwähnten Toledaner Beschaumarke findet
sich zuweilen eine dritte, die Marke der «Espadero
del Rey» oder königlichen Waffenschmiedes, die in
einer ins Gehenk geschlagenen gekrönten Lilie be-
steht. Für die Mailänder Marken ist in einer be-
stimmten Zeit das savoyische Kreuz charakteristisch.
In Venedig bestand nur im 15. und dem Anfänge
des 16. Jahrhunderts eine behördliche Beschaumarke
für Klingen, den Markuslöwen darstellend.
Solingen, dieses Emporium der Waffenschmiede-
kunst, zeichnete sich nicht allein durch die Güte
seiner Erzeugnisse aus, sondern auch durch seinen
eminenten kaufmännischen Betrieb. Das System der
Meistermarken wurde dort nicht begründet, nicht
technisch verbessert, aber staunenswert vervielfacht.
Immer aufmerksam auf die Bewegungen im Hand-
werksgebiete, bequemten sich die dortigen Werk-
stätten leicht an fremde Formen, so eigneten sie
sich auch den Passauer «Wolf» an, den sie aller-
dings nur oberflächlich kopierten. Später, als die
Spanier mit ihren Klingen hervortraten, suchten sie
auch deren Stil in den Bildmarken nachzuahmen.
Viele Meister besassen dabei aber die Aufrichtigkeit,
den frappant den spanischen Marken ähnlichen Marken
das Wort «Solingen» hinzuzufügen.
Ein Uebelstand, der sich im 17. und 18. Jahr-
hundert in Solingen bemerklich macht, lag in dem
Verkauf der Meistermarken. Durch diesen Vorgang
wurde der Charakter derselben vollständig verändert
und eine Verwirrung in der Beurteilung der Erzeug-
nisse hervorgebracht.
Noch wäre der französischen Klingenmanufaktur
zu Klingenthal im Eisass zu gedenken, die aber
erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts leistungs-
fähig wird. Ihre Klingen tragen die Worte «Manu-
facture de Klingenthal» oder nur «Klingenthal» ein-
gestempelt. Die einst blühende Fabrikation erlag
um 1830 der Konkurrenz Solingens. Bemerkens-
wert erscheint die königliche Klingenfabrik zu Pots-
dam unter König Friedrich II. IhrC Erzeugnisse
tragen das Wort «Potsdam», auch «Potzdam».
Eines Gebietes der Klingenfabrikation müssen
wir noch erwähnen: des steirisch - kärtnerischen.
Die Industrie, neben der altiberischen im Nord-
westen Spaniens gewiss die älteste im Abendlande,
hatte von jeher einen bäuerlich-konservativen An-
strich und stand damit in vollem Gegensätze zu den
anderen Betrieben, vorab jener Solingens. Die in
den Gebirgsdörfern arbeitenden Klingenschmiede
führten die rohesten Marken, deren Typus unschwer
dem Gedächtnisse einzuprägen ist.1) Unbekümmert
um die internationale geschäftliche Bewegung schafften
sie empfindungslos weiter und lieferten ihre zuweilen
ausgezeichneten Waren an die Kaufleute in Leoben
oder Bruck an der Mur, die sich bei solchem Be-
triebe ungemein bereicherten.
*) Die beste und zahlreichste Sammlung steirisch-kärnthne-
rischer Klingenmarken, und zwar meist für Stangenwaffen, findet
sich in F. G. v. M. (Franz Graf von Meran), c Das steirische Landes-
zeughaus in Graz». Aus selber stellt der Verf. allerdings nur
eine einzige, jene des Peter Schröckeisen in Leoben, fest, es be-
finden sich darunter aber unzweifelhaft auch die Marken der be-
rühmten Pögel von Thörl bei Aflenz, welche die Ausrüstung der
Heere der Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. nahezu allein
besorgten, und jene des nicht weniger bedeutenden Peter Hof-
kircher, alle aus dem 16. Jahrhundert.
(Fortsetzung folgt.)
Zeitschrift für historische Waffenkunde.
II. Band.
wenn auf Klingen so viele schwer oder auch gar
nicht lesbare Inschriften vor Augen kommen. Solche
Inschriften kommen in Spanien häufig, in Italien
nur vereinzelt vor; in Solingen treten sie erst am
Beginn des 17. Jahrhunderts auf. Zu den hervor-
ragendsten Werkstätten, welche sich dieser Art
Schrift bedienen, zählen in Spanien Juan Martinez
Vater und Sohn, Thomas de Aiala, Antonio
Ruiz, Pedro de Arechiga und Hortuno de
Aguirre; in Italien Andrea und Giandonato
Ferrara. Bei den Mailändern und Brescianer Werk-
stätten war sie nicht üblich. Immerhin bildete die
Bildmarke des Meisters das authentische Beweis-
mittel; jede Inschrift war eine erklärende Beigabe
für den minder sachverständigen Käufer.
Die um die Mitte des 16. Jahrhunderts all-
gemein auftretende Mode, im täglichen Umgänge
leichte Degen zu tragen, brachte die spanischen
Werkstätten, vor allem jene zu Toledo, plötzlich
zu einem ungemeinen Ruf, der sich bald über die
ganze Welt verbreitete. Mit ihnen wetteiferten nicht
ohne Erfolg die Mailänder, voran Antonio Picci-
nino und Pietro Caino. Nicht lange darauf
folgten die ebenso aufmerksamen als spekulativen
Solinger, obwohl sich selbe nur schwer von der
Schwertklingenerzeugung trennen konnten.
Neben den spanischen Meistermarken bezw.
der vorerwähnten Toledaner Beschaumarke findet
sich zuweilen eine dritte, die Marke der «Espadero
del Rey» oder königlichen Waffenschmiedes, die in
einer ins Gehenk geschlagenen gekrönten Lilie be-
steht. Für die Mailänder Marken ist in einer be-
stimmten Zeit das savoyische Kreuz charakteristisch.
In Venedig bestand nur im 15. und dem Anfänge
des 16. Jahrhunderts eine behördliche Beschaumarke
für Klingen, den Markuslöwen darstellend.
Solingen, dieses Emporium der Waffenschmiede-
kunst, zeichnete sich nicht allein durch die Güte
seiner Erzeugnisse aus, sondern auch durch seinen
eminenten kaufmännischen Betrieb. Das System der
Meistermarken wurde dort nicht begründet, nicht
technisch verbessert, aber staunenswert vervielfacht.
Immer aufmerksam auf die Bewegungen im Hand-
werksgebiete, bequemten sich die dortigen Werk-
stätten leicht an fremde Formen, so eigneten sie
sich auch den Passauer «Wolf» an, den sie aller-
dings nur oberflächlich kopierten. Später, als die
Spanier mit ihren Klingen hervortraten, suchten sie
auch deren Stil in den Bildmarken nachzuahmen.
Viele Meister besassen dabei aber die Aufrichtigkeit,
den frappant den spanischen Marken ähnlichen Marken
das Wort «Solingen» hinzuzufügen.
Ein Uebelstand, der sich im 17. und 18. Jahr-
hundert in Solingen bemerklich macht, lag in dem
Verkauf der Meistermarken. Durch diesen Vorgang
wurde der Charakter derselben vollständig verändert
und eine Verwirrung in der Beurteilung der Erzeug-
nisse hervorgebracht.
Noch wäre der französischen Klingenmanufaktur
zu Klingenthal im Eisass zu gedenken, die aber
erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts leistungs-
fähig wird. Ihre Klingen tragen die Worte «Manu-
facture de Klingenthal» oder nur «Klingenthal» ein-
gestempelt. Die einst blühende Fabrikation erlag
um 1830 der Konkurrenz Solingens. Bemerkens-
wert erscheint die königliche Klingenfabrik zu Pots-
dam unter König Friedrich II. IhrC Erzeugnisse
tragen das Wort «Potsdam», auch «Potzdam».
Eines Gebietes der Klingenfabrikation müssen
wir noch erwähnen: des steirisch - kärtnerischen.
Die Industrie, neben der altiberischen im Nord-
westen Spaniens gewiss die älteste im Abendlande,
hatte von jeher einen bäuerlich-konservativen An-
strich und stand damit in vollem Gegensätze zu den
anderen Betrieben, vorab jener Solingens. Die in
den Gebirgsdörfern arbeitenden Klingenschmiede
führten die rohesten Marken, deren Typus unschwer
dem Gedächtnisse einzuprägen ist.1) Unbekümmert
um die internationale geschäftliche Bewegung schafften
sie empfindungslos weiter und lieferten ihre zuweilen
ausgezeichneten Waren an die Kaufleute in Leoben
oder Bruck an der Mur, die sich bei solchem Be-
triebe ungemein bereicherten.
*) Die beste und zahlreichste Sammlung steirisch-kärnthne-
rischer Klingenmarken, und zwar meist für Stangenwaffen, findet
sich in F. G. v. M. (Franz Graf von Meran), c Das steirische Landes-
zeughaus in Graz». Aus selber stellt der Verf. allerdings nur
eine einzige, jene des Peter Schröckeisen in Leoben, fest, es be-
finden sich darunter aber unzweifelhaft auch die Marken der be-
rühmten Pögel von Thörl bei Aflenz, welche die Ausrüstung der
Heere der Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. nahezu allein
besorgten, und jene des nicht weniger bedeutenden Peter Hof-
kircher, alle aus dem 16. Jahrhundert.
(Fortsetzung folgt.)