Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Potier, Othmar: Glossen zum Rüstmeister-Vokabularium des Friedrich von Leber
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0129

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

US

gar nicht selten verfingen. So blieb es mit wenigen
Wandlungen bis um die Mitte des 14. Jahrhunderts,
da der Plattenharnisch sich das Feld eroberte; flugs
biirdete man dem Streithengste neben dem Gewichte
des gewappneten Mannes noch die Last des Ross-
harnisches aus Eisenplatten auf, welcher ein voller
(Tonnenharnisch) genannt wurde, sobald die eiserne
Rüstung das Ross vollständig umhüllte; bestand da-
gegen die Rüstung bloss aus einzelnen eisernen
Schienen, so sprach man von einem durchbrochenen
Rossharnisch. Wie schmerzhaft die grellen, von der
blinkenden Eisenrüstung zurückgeworfenen Licht-
reflexe das Auge des armen überbürdeten Pferdes
berühren mussten, das bedarf wohl keiner besonde-
ren Versicherung.
Schon zu der Zeit, da man sich mit Parschen
aus Leder oder aus Kettengeflecht begnügte,
suchte man den Kopf des Rosses, welcher ja den
Streichen des Gegners am meisten ausgesetzt war,
zu schützen, indem man ihn in den Rosskopf ein-
hüllte, dessen Vorläufer das guegerel (chamfrein),
ein kapuzenartiger Kopfüberzug war. Unsere Listen
zählen an Rossköpfen auf: Den Rosskopf schlecht-
hin, welcher Stirn und Kinnbacken des Pferdes deckte;
dann das hauptstierl oder sturl, also die halbe Stirn,
welche nur bis zu den Augen reichte und das Nasen-
bein halb bedeckte. Die kanz oder der pantzerne
rosshals schirmte des Pferdes Hals, dessen Brust
man im deutschen Gestech durch den Stechsack
schützte, einem eigentümlich geformten und mit
Stroh ausgepolsterten Kissen von grober Leinwand,
welches am Sattel mittels Gurten befestigt war. An
Sätteln, den «Heersesseln der Helden» (Berwulf 1050),
welche ein zweifacher Gurt, der eigentliche Bauch-
gurt, darmgürtel, und der diesen deckende, schön
gestickte Uebergurt, surzengcl (subcingulum) in un-
verrückbarer Lage am Rosse erhielt, kennen unsere
Listen den turnay satl mit hoher Vor- und Rücken-
lehne, den hoch stecksatl, endlich den khüress satl,
welcher auch fechtsatl genannt wird und der sich
durch einen Leder- oder Sammetüberzug auszeichnete.
Grossen Nachdruck legte man in den Kampfspielen
auf die gleiche Flöhe der Sättel und der Turnier-
rosse, wobei noch ausdrücklich auf das Unstatthafte
aufmerksam gemacht wird am Zaum, Sattel oder an
der sonstigen Ausrüstung des Rosses irgend etwas
anzubringen, des stech oder sneyd. In dem Inventar
C bietet sich der eine der Kämpen zu folgendem
an-. Item wil ich zwen gleich sättel furlegen mit
aller zugehörung, der ainen soltu nemen, mit
nichte verändern, sunder also beieiben lassen. Dann
heisst es weiter: Es sol mein ross deins ross hoch
haben.
Einen verhältnismässig engen Rahmen nehmen
in Lebers Rüstmeister-Vokabularium im Gegensätze
zu den Schutzwaffen die Angriffs Waffen ein. Unter
den Blankwaffen erwähnen die Inventare das swert
schlechthin, also das lange deutsche Reiterschwert,
welches die Listen von 1500 an das khürisswert

heissen. Die Vorläufer der Panzerstecher, die pfrie-
menartigen, drei- oder vierkantigen langen Stoss-
schwerter, welche am Ende des 14. Jahrhunderts
eingeführt wurden, als die breiten und biegsamen
Klingen des alten Reiterschwertes an dem nun durch
Platten verstärkten Lentner machtlos abprallten, traten
als perswert, pörswert, pratspiss auf, während wir
unter dem schürtzer des Inventars vom Jahre 1562
wohl den eigentlichen Panzerstecher verstehen dürfen.
Endlich wird des Rapiers und der dusegkhe, tyseckhe,
gedacht, des eigenartigen Säbels, welcher weniger
auf dem Felde der Ehre, als auf dem Fechtbodcn
gebraucht wurde. Wie in der Pavese, so will man
auch in der Dusägge eine czechische Nationalwaffe,
tesäk, erblicken; doch könnte sich ihr Name auch
von dem althochdeutschen tusic, stumpf, oder von
twoseax. Doppelmesser, ablciten. Wenn die älteren
Inventare von degen sprechen, so meinen sie darunter
immer nur den Dolch. Im Inventar B heisst es
zum Beispiel: Item die wer sol seyn ein swert, das
man nennt ein pratspiess, das sol nit sneiden, vnd
ain degen, und im Inventar D wird die Ausrüstung
in folgender Weise verabredet: Item dy wer sol seyn:
Swert, degen vnd ein spiess. Der moderne Begriff
Dolch für eine Blankwaffe wird erst vom 16. Jahr-
hundert an üblich und lässt sich auf doln (fühlen),
tolg (Wunde) oder dollich (von Schmerzen ergriffen
sein), gotisch thulan (von etwas Schlimmem berührt
werden) zurückführen, wobei wieder der Begriff von
der Wunde auf das Werkzeug selbst, welches diese
schlägt, überging.
An Schlagwafifen, welche ja niemals als eigent-
lich ritterliche Waffen im strengsten Sinne des Wortes
angesehen wurden, zählen unsere Listen nur die
mordhacke und den khürissbcngel auf, während von
Stangenwehren der reisspies, das schäfflin, auch
archegaie, zagaye genannt, angeführt erscheinen.
Das Schefflin war eine Art Wurfspiess, dessen lan-
ges, geripptes, aber sehr dünnes und daher ausser-
gewöhnlich leichtes Spiesseisen an einem dünnen
über 1,5 m langen Schaft befestigt war; Leinwand
oder feines Leder umgab den Schaft, welcher an
seinem unteren Ende, dem hinderst ort, eine Be-
fiederung trug. Erwähnenswert ist, dass die Schäfte
der Stangenwaffen wiederholt mit heissem Oele an-
gestrichen wurden, um ein Werfen des Holzes zu
verhüten. Wie die Ilclmbartc und die Partisane,
so kennt das Inventar von 1562 auch eine ganze
Menge von Feuerwaffen, welche jedoch hier keine
nähere Erwähnung verdienen, da nur Bekanntes
wiederholt werden müsste.
Noch viel des Lehrreichen bietet Meister Lebers
verdienstvolles Werk, zu dessen eingehenderer Wür-
digung die hier gebotene Skizze anregen soll. Wenn
auch seit seinem Erscheinen mehr denn 50 Jahre
verflossen sind, so birgt es, wie so viele ariflere Yr-
beiten auf diesem Gebiete aus neuerer und neuester
Zeit, unter welchen diejenigen von Mitgliedern un-
seres Vereins nicht den letzten Rang einnchmen.
 
Annotationen