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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 5
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Koetschau, Karl; Boeheim, Wendelin [Gefeierte Pers.]: Wendelin Boeheim: Ehrenvorsitzender unseres Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0146

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132

Zeitschrift für historische YVaffenkunde.

II. Band.

le-Duc u. a. damit nicht zu viel gesagt habe. Boeheim
aber w Ute in seiner auch sonst vielfach erkennbaren
Bescheidenheit eine derartige, wie er meinte, allzu
hoch gegriffene Schätzung nicht gelten lassen. Ich
gab damals dem verehrten Manne nach. Heute
aber, wo er nicht mehr unter uns weilt, bin ich
sicher, dass die Fachgenossen, die ja alle von ihm
gelernt haben, mir beipflichten werden, wenn ich
in dieser Zeitschrift, deren Bestehen und Ergehen
ihm so am Herzen lag, doch diese ehrende Bezeich-
nung zum Gedächtnis nunmehr niederschreibe. —
Boeheims Gesundheitszustand erfüllte die, welche
ihn persönlich kannten, schon länger mit ernsten
Bedenken. Bereits ein Jahr vor seinem Tode hatte
der Arzt ihm dringend geraten, in der Arbeit, in der
allein er sich keine Mässigung auferlegen mochte,
Mass zu halten. So gab er denn die Schriftleitung
der Zeitschrift zunächst ab und bei der dritten
Hauptversammlung in Dresden bat er schriftlich
auch noch um Enthebung von dem Amte eines
zweiten Vorsitzenden des Vereins. Trotzdem glaubte
wohl keiner, dass er, dessen Ernennung zum Ehren-
vorsitzenden des Vereins man in der Hoffnung
ausgesprochen hatte, dass er sich dieser Stellung
noch recht lange erfreue, so bald uns verlassen
werde. Ein Mann, der nicht ersetzt werden kann,
stirbt immer zu früh und immer unerwartet, denn
man glaubt, dass der, welcher jederzeit selbstlos
sich für einen idealen Zweck einsetzt, dass der, auf
den man sich immer unbedingt verlassen kann,
stets für uns und die gemeinsame Sache bereit
stehen müsse. Eben wenn man die Grösse eines
möglichen Verlustes von vornherein beurteilen kann,
ihn also besonders fürchten muss, wird man sich
— das ist eben menschlich — scheuen, ernstlich
an ihn zu denken. Freilich ist dann der Schmerz
um so herber, wenn er wirklich eintritt. Von
Waldegg aus, dem geliebten Sommeraufenthalt, der
schon mehr als einmal ihm die Kräfte verjüngt
hatte, schrieb mir Boeheim noch Ende August,
dass er sich bedeutend gestärkt fühle, obwohl er,
wie er in seinem auch sonst nicht versagenden
Humor hinzufügte, für den Arzt ein «wahres Ver-
suchskaninchen» sei, und noch konnte er mir von
litterarischen Plänen für den Winter sprechen. Ehe
er sie aber ausführen konnte, erlahmte die regsame
Hand für immer: am I. November 1900 erlöste
Wendelin Boeheim der Tod von seinem
Leiden. —
In gewissem Sinne war Boeheim ein glücklicher
Mensch. Denn am Abend seines Lebens konnte
er sich sagen, dass das, wofür er vor allem gewirkt
hatte, auf dem richtigen Wege zum ersehnten Ziele
sei, dass die Waffenkunde, nicht mehr auf die zu-
fällige Neigung eines kulturgeschichtlichen Forschers
angewiesen, als gefestigte selbständige Wissenschaft
methodisch betrieben werden würde, so lange es
überhaupt geschichtliche Forschung und als deren
Vorbedingung Sinn für das Leben der Vergangenheit

giebt. Der Anfang von Boeheims öffentlicher Lauf-
bahn hatte zunächst nicht darauf hingewiesen, dass
er sich als Gelehrter seinen Ruhmeskranz verdienen
werde. Wie wohl alle von uns kam auch er erst
auf dem Umweg über einen anderen Beruf, über
andere Beschäftigungen zur historischen Waffenkunde.
Wendelin Boeheim ist am 17. September 1832
zu Wiener-Neustadt geboren worden.1) Sein Vater
war ein Beamtter der Stadt. Er Hess den Sohn das
Gymnasium besuchen und gab dann seinem Wunsche,
sich auf der Knnstakademie in Wien der Bildhauerei
zuzuwenden, Folge. Das unruhige Jahr 1848 entzog
Boeheim aber dem Dienste der Kunst: er trat als
Expropriiskadett in das Pionier-Corps ein, also in
einen Truppenteil, wo seine vortreffliche technische
Begabung bald genug Gelegenheit zur Bethätigung
finden musste. Die theoretischen Kenntnisse ge-
wann er auf der Pionierschule zu Tulln, die prak-
tischen im Dienste des Bataillons zu Pressburg. Als
Leutnant — er wurde es 1854 — nahm er an den
verschiedensten Punkten seines Vaterlandes an wich-
tigen und lehrreichen Arbeiten teil, und für den
strebsamen jungen Offizier war die Versetzung nach
Verona ein anspornender Beweis von dem Vertrauen
seiner Vorgesetzten. 1859 zum Oberleutnant be-
fördert, sah er sich bald vor die ernstesten Aufgaben
gestellt, die der Feldzug dieses Jahres brachte.
Nach dessen Beendigung wurde er als Lehrer des
Pionierdienstes an dieTheresianischc Militär-Akademie
in Wiener-Neustadt versetzt, wo er sein Talent,
anderen von seinem reichen Wissen in klarer Form
mitzuteilen, bald soweit ausgebildet hatte, dass er
an die Abfassung eines praktischen Lehrbuches
denken konnte. Lehrend und fortgesetzt sich selbst
weiter bildend blieb er bis zum Jahre 1864 in seiner
Vaterstadt. Dann aber wurde ihm das Kommando
der Regiments - Kadettenschule in Klosterneuburg
anvertraut. Hier wurde er 1865 Hauptmann, kam
aber 1866 bereits zum Infanterie-Regiment Hoch-
und Deutschmeister Nr. 4 und hatte als Kompagnie-
chef sowohl wie als stellvertretender Führer eines
Bataillons Gelegenheit, in der Schlacht bei Königgrätz
sich auszuzeichnen. Aber auch bei diesem Regimente,
mit dem ihn so ernste Erinnerungen verbanden,
konnte er nicht lange Dienst thun. Noch einmal
sollte er als Lehrer wirken, diesmal an der neu er-
richteten Kadettenschule in Graz, wohin er 1869
übersiedelte. 1872 wurde er auf seine Bitte .wieder
zum Truppendienst nach Tulln kommandiert. Nach-
dem er 1874 mit Wartegebühr beurlaubt worden

>) Herr Dr. Baron Poti er, der Boeheim in verschie-
denen Zeitungen Nachrufe widmete, vermittelte mir die
Kenntnis der biographischen Daten, wofür ihm ebenso ge-
dankt sei, wie für die Beschaffung des wohlgelungenen Bild-
nisses. Beim Begräbnis vertrat er den Verein und legte in
dessen Namen einen würdigen Kranz an der Bahre nieder,
herzliche Worte dem Entschlafenen nachrufend. Auch ein
Kranz der Stadt Emden, der Boeheims letzter grösserer
Beitrag in der Zeitschrift galt, schmückte sein Grab, gewidmet
«in treuem Gedenken».
 
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