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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

DOI Heft:
Heft 5
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Ehrenthal, Max von: Die fürstlich Radziwillsche Rüstkammer zu Nieświeź, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0158

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144

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.


an den Rändern mit schuppenartig' getriebenen
Streifen geziert und mit einer, wahrscheinlich nürn-
berger Plattnermarke, einem Stechhelm mit den Buch-
staben W R darüber, gezeichnet. Der Form nach
zwischen 1550 und 1560 geschlagen, könnte er recht
wohl von Fürst Nicolaus VI. Priscus (1515 —1567)
herrühren. — Besonderes Interesse erwecken ein
Brust- und Rückenstück von riesigen Dimensionen,
jedes unten dreimal geschoben, das Bruststück mit
tiefliegendem Gansbauch, das Ganze an den Rändern
mit Aetzstreifen geziert, als dessen Träger Fürst
Christophorus I. Nicolaus, geqannt Belli fulmen (1547
bis 1603), mit grosser Wahrscheinlichkeit anzusehen
ist, eine Persönlich-
keit, deren Bildnis
einen riesenhaften
Körperbau aufweist.
Schliesslich wären
noch zwei Vorder-
kürasse aus dem 18.
Jahrhundert zu er-
wähnen, die eben-
falls mit Vorfahren
des fürstlichen Hau-
ses in Verbindung zu
bringen sind. Beide
Stücke sind an den
Rändern mit gepunz-
tem Messingblech be-
schlagen und stam-
men den Ornamen-
ten nach aus einer
polnischen Werk-
statt. Der ältere, vom
Anfang des 18. Jahr-
hunderts , mit dem
Johanniterkreuz auf
der Brust, könnte
dem Fürsten Karl I.
Stanislaus (1669 bis
1719) gehört haben.
Der jüngere, mit dem
Kreuze des polnischen weissen Adlerordens, ist I
mit Sicherheit dem Fürsten Michael V. Casimirus
Magnus (1702—1762), demselben, der seine Trup-
pen 1744 dem König August III. vorführte, zuzu-
schreiben.
Von Gegenständen, die lediglich ein waffen-
technisches Interesse bieten, sind erwähnenswert
einige Panzerschurze und einige Panzerkragen, teils
aus genieteten, teils aus zusammengebogenen Ringen,
die noch aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
stammen. Die Schurze bestehen aus Vorder- und
Hinterteil, die durch einen zwischen den Beinen
hindurchführenden schmalen Steg, der zugleich den
Gliedschirm bildet, miteinander verbunden sind. —
Mehrere Nackenschirme aus Panzergeflecht gehören
zu sogenannten Zischäggen, einer Kopfbedeckung,
die sich aus der türkischen Sturmhaube heraus-

gebildet und vom Ende des 16. Jahrhunderts in
Polen sowohl, als auch in westeuropäischen Län-
dern Eingang gefunden hatte. Auch die unga-
rische Schlaghaube, eine Sturmhaube mit krebs-
schwanzartig geschobenem Nackenschutz, ist in
einigen Exemplaren vertreten. Als wertvolles Er-
innerungsstück an die Kämpfe des 16. Jahrhunderts
ist ein moskowitischer Spitzhelm zu erwähnen, an
dessen unterem Rande sich ein Aetzstreifen in zier-
lichem Blumenmuster befindet; auch der zugehörige
geschlossene Nackenschutz aus Panzergeflecht ist
noch vorhanden.
Besonders zahlreich sind die Fragmente vonTurnier-
harnischen, die den
einstigen Reichtum
der fürstlichen Rüst-
kammer ebenfalls
nach dieser Seite hin
erkennen lassen; da-
runter befinden sich
einige Stücke, deren
Herkunft durch ein
inwendig eingeschla-
genes A (Augs-
burg) ') nachgewie-
sen wird. Ein Ver-
stärkungsstück für
die linke Schulter
mit angeschraubtem
steifem Bart, durch
Aetzstreifen in go-
tisierendem Muster
geschmückt, zeigt
uns neben der» Augs-
burger Stadtpyr die
Marke des berühm-
ten Plattners Colo-
man Kolman Holm-
schmied (•{• 1532).
Mit demselben Mu-
ster sind noch einige
andere Harnischteile,
j insbesondere aber ein Brust- und Rückenstück von
einem Prunkharnisch, geziert, die unsere beson-
dere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Es befindet
sich nämlich auf dem Kürass, wie aus der bei-
gefügten Abbildung des Bruststückes ersichtlich
ist, in Aetzarbeit ein auf einem Kreuz liegendes
Wappenschild, welches einen einköpfigen schwarzen
Adler in weissem Felde zeigt, das Abzeichen eines
Hochmeisters des Deutschen Ritterordens. Nach
Form und Aetzmalerei, welch’ letztere besonders in
der zierlichen Spitzenkante noch die rein gotischen
Motive aufweist, stammt der Harnisch vom Anfang
des 16. Jahrhunderts und ist jedenfalls nicht später

J) Die Abbildung der Marke siehe im «Führer durch
das Königl. Historische Museum zu Dresden» von M. v. Ehren-
thal (3. Auflage), S. 40.
 
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