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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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Schalk, Karl: Die historische Waffensammlung der Stadt Wien im Zusammenhange mit der militärischen Organisation der Stadt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0264

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248

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

seu pei liechtem tag von iren haeusern auzvarent,
daz sie denne pei dem sunenschein wieder g'elazzen
wern haimzevaren.» Fast denselben Wortlaut in
lateinischer Sprache hat der Freiheitsbrief König
Rudolphs von 1278. Wenn nun in späteren Stadt-
rechtsverleihungen von diesen Privilegien nicht mehr
die Rede ist, dürfte es wohl zu jenen gehören, die
die Wiener infolge ihres Aufstandes gegen ihren
Landesfürsten Albrecht I. verwirkt hatten, und wel-
chen sie durch die Verzichturkunde vom 19. und
28. Februar 1288 entsagen mussten.1)
Uebrigens ist seit Beginn des 13. Jahrhunderts
in Oesterreich und Steiermark eine Aenderung in der
Heeresverfassung' der Länder zu konstatieren,2) indem
es den Ministerialen gelungen war, auch in
militärischer Hinsicht ihre Dienstpflicht zu
lockern und ihre Stellung immer mehr jener der
freien Vasallen anzupassen. Es blieb eine un-
beschränkte Kriegspflicht nur mehr für die eigenen
Ritter und Knechte des Landesherrn bestehen. Diese
Entwicklung führte zum Abschluss von Kriegs-
dienstverträgen, welchen ein reines Vertrags-
verhältnis zu Grunde lag. Damit war aber ein
Söldnertum geschaffen, das sich auch andere Ele-
mente des mittelalterlichen Staatslebens nutzbar mach-
ten, auf welchen die Pflicht des persönlichen Kriegs-
dienstes ruhte, die Städte. Statt persönlich ins
Feld zu ziehen, fingen die Bürger der Städte
an, Söldner zu stellen. Die Wiener Stadtrech-
nung des Jahres 1368 weist die frühesten Ausgaben
der Stadt für Söldner aus.3) Die Kammeramts-
rechnungen des 15. Jahrhunderts sind in lückenhafter
Reihe vom Jahre 1424 an erhalten und liefern den
Thatsachenbeweis, dass die Stadt de facto die Ver-
pflichtung anerkannte, im Kriegsfälle Söldner zu
stellen, wenn nicht ihre Bewohner selbst ausrücken
wollten4) und zwar nicht allein zum speziellen Schutze
der Stadt, sondern auch gegen die Feinde des Lan-
des im offenen Felde, gegen die Hussiten, gegen
räuberische Söldner, gegen Ungarn und andere
Feinde. Es widerspricht also dem thatsäcldichen
Rechtszustande, wenn die Wiener in der Absage an
ihren Landestürsten, Kaiser Friedrich IV. im Jahre
1462 gegen die Verpflichtung, Söldner zu halten,
mit der Behauptung remonstrierten, dass «ein yeder
landesfiirst schuldig sei, die seinen vor gewalt und

!) Ebenda, Bd. I, S. 66, Xr. XX.
ä) AVretschko, Das österreichische Marschallamt im
Mittelalter, S. 92.
3) Schlager, Wiener Skizzen im Mittelalter, Band V
(= Neue Folge, Bd. III), S. 34.
4) In erster Linie war der persönliche Kriegsdienst der
Bürger Pflicht, die Söldner waren nur ihre Vertreter. Dies
erhellt deutlich aus dem Befehle Herzog Albrechts V. an
Bürgermeister, Richter und Rat angesichts des drohenden
Einfalles des Königs Wladislaus von Polen nach Mähren und
Oesterreich im Jahre 1438, bei schwerer Strafe mit Wehr,
Harnisch und anderen Xotdtirften bereit zu sein, siehe
Schlager, Wiener Skizzen, Bd. V, S. 493.

unrecht zu schützen .r>) Sic hatten die Verpflich-
tung ja schon seit Jahrzehnten anerkannt, indem
sie eben Söldner hielten und Kaiser Friedrich, der
stets in Geldnöten war, konnte sie am wenigsten
schützen, da gerade unter ihm das alte feudale Heer-
system gänzlich versagte.
Einen befriedigenden Einblick in die städtische
Heeresorganisation in der Mitte des 15. Jahrhunderts
bietet uns das bisher unbeachtet gebliebene Proto-
koll einer Sitzung des Wiener Rats vom 9. März
1442,“) die ausschliesslich militärischen Angelegen-
heiten gewidmet war. Unzweideutig erkennt der Rat
die Verpflichtung' der Gesamtbewohnerschaft zum
Heeresdienste an:
«Item ob icht ain geschray in der stadt würd
oder sich erhub, wan man die gross glogken
leutt, das dann menigclich kommen sol. Die
in Stubenvirtail sitzent, an dem platz am Lugegk;
die im Kernervirtail sitzent, an den Ncwenmarkt;
die in Widmervirtail sitzent an den Graben und
die in Schottenvirtail sitzent an den Judenplatz.
Und was dann die obristen haubtleut yeds vir-
tails* * * * * * 7) mit in schaffen, das sy des gehorsam seyen.
Item es sol auch in yedem haus beschaut wer-
den feuerstet, harnasch, weerspiess, und wer des
nicht hiet, der sol dariimb trachten, das er es hab.
Item es sol auch ain yeder, der cs vermag,
ros, kn echt und was zu weer gehört, haben in
seinem haus. Ob es zu schulden kumbt, das er
damit berait sey.
Item das die stat im rathaus haben sol 1000
tartschen und 1000 spiess.
Item das auch ain yeder hauswirt oder inman
für sich und sein dienstvolkch, der' nicht armbst
noch ptichsen vermag, tartschen und spiess

ä) Historia annorum 1454 bis 1467, herausgegeben von
Rauch, S. 86.
“) Chmel, Materialien z. österr. Gesell., Bd. I/i, S. 78,
Xr. 32. Die Urkunde hat kein Jahres-, sondern nur ein Tages-
datum: Frej’tag vor Letare. Sie gehört aber zweifellos in
das Jahr 1442. In derselben ist nämlich die Rede von den
Feinden, «die ytz gar stark zu Anger ligent». Xun fordert
die Königin Elisabeth die Stadt Wien in einem Schreiben
vom 9. April 1442 auf, «das gesloss Anger zu zerstören, da
die Polen von dorther täglich zuziehen» (Schlager, W. Sk.,
Bd. V, S. 505). Von der «reis der Mödlinger gegen Anger
und Theben» als eines jüngstvergangenen Ereignisses spricht
eine Urkunde vom 15. März 1443 (Blätter d. Vereins für
Landesk. v. Xiederösterr. Xeue Folge, Bd. XIX, S. 51,
Xr. B). Der erwähnte Giesser, Meister Hans, kommt als
städtischer Lieferant vor in den Stadtrechnungen der fahre
1438 und 1441; die Rechnungen von 1442 und 1443 fehlen.
Später erscheint er nicht mehr, siehe Uhliri, Der Wiener
Bürger Wehr und Waffen 1426 —1648 in Berichte u. Mit-
teil. des (Wiener) Altertums Vereins von Bd. XXVII
bis XXXI (Jahrg. 1891—95) Index.
7) Die erste Erwähnung eines Stadtviertels konstatiert Rieh.
Müller in Geschichte der Stadt Wien, Bd. II/1 im Jahre
1331—32 aus der Rechnung des lierzogl. Kelleramts: Quartalis
porte Karintbianorum, abgedr. in Chmel, Oesterr. Geschichts-
forscher, Bd. II, S. 285. Im Jahre 1466 fand eine Musterung
der Söldner nicht am Lugeck, wie man erwarten sollte, sondern
im Heiligenkreuzerhof statt (Schl ager, Wien. Sk., Bd.V, S.186).
 
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