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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0293

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7. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

2 77

ein ansehnlicher Besitz an Waffen aus alter Zeit her er-
halten haben müsse. Wir finden auch in der That noch
in zahlreichen Edelsitzen mehr oder weniger gut erhaltene,
aber fast der Vergessenheit anheimgefallene Reste ehe-
maliger Rüstkammern vor. Ganz besonders in Ungarn,
diesem Kriegstheater par excellence, stossen wir auf einen
reichen Besitz meist aus der Türkenzeit herrührender
Waffen, welcher über die vielen Schlösser des Landes
zerstreut ist.
Auch die in dem Kastelle zu Szirma-Bessenyö auf-
bewahrte Waffensammlung des gräflichen Hauses Szirmay
dankt ihr Entstehen keineswegs lediglich der Liebhaberei
an Antiquitäten; sie gebar das eiserne Muss, die Not-
wendigkeit, das Haus in unruhigen, kriegerischen Zeit-
läuften in eine feste, wohlbewehrte Burg zu verwandeln.
Den Grundstock dieser reichhaltigen, mehr als 6oo Num-
mern zählenden Sammlung machte eine Anzahl histori-
scher, meist nationaler Waffen aus, welche wohl eng mit
der Familiengeschichte Derer v. Szirmay verwachsen sind.
Der letzte Eigentümer dieser ererbten Waffen war jedoch
auch ein eifriger Sammler, dessen Streben dahin ging,
die auf seinem Stammschlosse aufgespeicherten Kriegs-
geräte aus alter Zeit durch Ankäufe zu vermehren, den
Wohnräumen durch des Anbringen von dekorativem
Waffenschmuck den Charakter einer vornehmen Lebens-
führung aufzudrücken.
Diesem Streben entsprach auch die Physiognomie
der Sammlung. Neben Seltenheiten ersten Ranges fand
sich auch manche allerdings gut ausgeführte Nachbildung
einer tüchtigenPlattnerarbeit vor; kulturgeschichtlich hohes
Interesse boten die Harnische magyarisch-polnischen
Charakters. Gute und mannigfaltige Formen wies die
Gruppe der blanken Waffen auf, deren Marken auf an-
gesehene Werkstätten in Deutschland, Italien und Spanien
hindeuteten Die Bedeutung origineller Curiosa besassen
die Kindersäbel. Das Sprichwort «Wie die Alten sungen,
so zwitschern die Jungen» bewahrheitet sich auch auf
dem ernsten Felde der Waffenhistorik; .und so wie man
einst für halbwüchsige Prinzen Harnische schlug, ebenso
stolzierten die Sprösslinge prunksüchtiger Magnaten des
Theresianischen und Josefinischen Zeitalters bei festlichen
Gelegenheiten mit Krummsäbeln an der Seite im Eltern-
hause einher. Die reiche Kollektion von Schlagwaffen
der verschiedensten Gattung machte Sammlern die Aus-
wahl schwierig; das gleiche galt von den Feuerwaffen,
von denen viele, sei es vermöge ihrer künstlerischen Aus-
stattung, sei es wegen ihrer Bauart, die Aufmerksamkeit
des Kenners in hohem Grade in Anspruch nahmen.
Wie es bei einer auf dem Boden Ungarns entstan-
denen Waffensammlung wohl nicht anders möglich ist,
waren die orientalischen Waffen in derselben sehr zahl-
reich vertreten. Wenn auch freilich in dieser Gruppe
sich so manches als moderne Bazarware charakterisierte,
so muss vieles andere als recht gute Arbeiten bezeichnet
werden. Insbesondere seien hervorgehoben das alttürkische
Maschenpanzerhemd, der mit wunderbar zart stilisierter
Ornamentik geschmackvoll verzierte tscherkessische Helm
und Rundschild, die Bogen, die prächtig tauschierten
Klingen an persischen Dolchen (PaM) wie an Handjars.
Was den Katalog anbelangt, so hatte sich bei dessen
Herstellung die rührige Kunsthandlung E. Hirschler &
Comp., welche die Versteigerung besorgte, ersichtlich alle
Mühe gegeben. Der Text des Kataloges verriet es zwar
an einigen Stellen, dass der alte Fabulist Demmin dabei
Pate gewesen sei; auch muteten einige Namengebungen,

z. B. Dschungeldolch, für ein dem nordwestlichen Afrika
angehörendes Dolchmesser recht romantisch an: Doch
das sind Kleinigkeiten, Welche gegenüber den Vorzügen
des Kataloges ernstlich wohl kaum in Betracht kommen.
Als solche Vorzüge möchte der Unterzeichnete neben der
splendiden Ausstattung des Kataloges auch die Gewissen-
haftigkeit anerkennend hervorheben, welcher sich die
Kunsthandlung bei der Altersbestimmung der einzelnen
Objekte befleissigte. Musste leider auch von der Wieder-
gabe der für den fachlich geschulten Waffenhistoriker so
überaus wichtigen Meistermarken aus technischen Grün-
den — ein Ungefähr hatte die Abdrücke unbrauchbar
gemacht — abgesehen werden, so brachten die sechs
Lichtdrucktafeln und zahlreiche in den Text eingeschaltete
Abbildungen die vorzüglichsten Objekte in mustergültiger,
auch das kleinste Detail berücksichtigender Weise zur
Anschauung. Einem jeden, der überhaupt zu lesen ver-
steht, wird jedoch noch ein zweiter Vorzug dieses Ka-
taloges angenehm aufgefallen sein: Ich meine dessen
ehrliche Offenheit. Es ist dieses umsomehr anzuerkennen,
als ja gerade bei einer so reichhaltigen, so vieles Echte
bergenden, von einem altadeligen Namen gedeckten Samm-
lung die Versuchung so lockend nahe lag, alles für alt
und echt auszugeben. Dadurch, dass die Firma Hirschler
es jedoch verschmähte, derlei Praktiken anzuwenden, gab
sie anderen Kunsthändlern ein recht beherzigenswertes
Beispiel nobler Denkungsweise.
Im Interesse der Waffensammler wollen wir endlich
noch einen Blick auf die erzielten Preise werfen. Für
Harnische wurden bezahlt: 580 (i)1), 820 (2), je 350 (3
und 4), 650 (5), 920 (15) Gulden; die magyarisch-sarma-
tischen halben Harnische brachten 140, 205, 95, 295 Gul-
den, ein türkisches Kettenhemd (30) 86 Gulden ein. Der
angestaunte Topfhelm (34), eine Waffenzier oder ein
Totenhelm, wurde um 4000, ein ausserordentlich schöner
tscherkessischer Helm (59) um 170, ein ebensolcher Rund-
schild (69) um 41 Gulden losgeschlagen. Die Angebote
für Bihänder (117 bis 119) bewegten sich zwischen 202 und
55, diejenigen für ungarische Prunksäbel (169, 174) zwi-
schen 71 und 66 Gulden, wogegen die Kindersäbel (177 bis
178, 179, 180) mit 23, 12 und 15 bewertet wurden. Das durch
seine saubere Arbeit ausgezeichnete Bajonett (202) brachte
56, die orientalischen Blankwaffen u. z. (206, 207, 211, 212)
42, 17, 61, 32 Gulden ein. Der Zufall wollte es, dass
eine ganz einfache persische Dolchklinge (215) einem
Käufer 18, dagegen ein mit wunderbarer Goldtausia be-
decktes Messerchen (219) nur 11 Gulden wert erschien,
während der Panzerstecher (225) mit 81, ein mit einer
Klinge von Tomaso Aiala ausgestattetes Rappier (227) mit
74 Gulden bezahlt wurde. Die Armbrüste (376, 377 und
378) gingen um 80, 15, 23, Radschlossgewehre (396, 402,
403, 404) um 260, 252, 160 und no, ein Trombon (408)
um 100 Gulden weg. Das Pferdegeschirr (528 bis 530)
trug 610, 100 und 172 Gulden. Dr. Potier.
Waffenpreise. Zur Orientierung der Leser unserer
Zeitschrift seien hier einige Preise angeführt, welche ge-
legentlich einer in Wien stattgefundenen Feilbietung für
alte Waffen erzielt wurden. Ein halber Harnisch wurde
mit 200 Kronen, ein Harnischrücken mit 72 Kr., ein reich
geätzter und vergoldeter Morion mit 520 Kr., ein anderer

') Die eingeklammerten Zahlen entsprechen den Num-
mern im Auktionskatalogc.
 
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