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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0295

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7. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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los das Geschoss auf die angegebene kurze Entfernung mit
der notwendigen Kraft abzuschiessen, um einen Menschen
oder ein Pferd empfindlich zu verletzen.
Die-Entzündung musste, da eine Entzündungsvorrichtung
fehlt, aus freier Hand mittels Lunte oder mittels eines bren-
nenden Holzspans bewirkt werden.
Die vier Läufe werden durch drei Ringe zusammen-
gehalten, welche ursprünglich sehr wahrscheinlich im glühen-
den Zustande aufgesetzt wurden; ein Verfahren, welches in
ähnlicher Weise auch bei grösseren Hand- und Hakenbüchsen
üblich war.
Die Läufe endigen nach rückwärts gemeinsam in eine
Tülle, welche im 15. Jahrhundert sehr häufig vorkommt; in
diese Tülle wurde der «tangenartige Schaft eingesteckt, das
umgebogene Ende der Tülle lässt annehmen, dass der Schaft
stärker und vorne zugespitzt war.
Die Handhabung kann man sich derart vorstellen, dass
die Waffe mit einer Hand in gerader Richtung auf das Ziel
gehalten und mit der anderen Hand entzündet wurde; sollte
der zweite Schuss abgefeuert werden, so musste die Waffe
so weit um die Längsachse gedreht werden, bis der nächste
Lauf nach oben zu liegen kam. Man konnte daher mit dieser
Feuerwaffe vier Schüsse nacheinander abgeben.

weissgekalkten Lederbandolieren getragene, cylindrische
Messingblechbüchsen, deren ursprüngliche Bestimmung zwei-
felhaft ist. Das «Inventar» des Schlossverwalters bezeichnete
sie — jedenfalls irrtümlich — als Proviantbtichsen. Eine
Anzahl (angeblich 20—30) gleichartiger, weniger gut er-
haltener Stücke ist bei Räumung des sogenannten Zeughauses
im Gothaer Schlosse der Waffensammlung auf der Wachsen-
burg überwiesen worden. — Untenstehende Skizze veran-
schaulicht ein solches, innen durch Metallwand in zwei un-
gleiche Abteilungen geschiedenes Gefäss mit Tragriemen in
Vorder- und Seitenansicht und den zweiteiligen, in gemein-
samem Scharnier beweglichen Messingdeckel von oben ge-
sehen. Die Büchse misst vom Deckel zum Boden 37,5 cm,
im Durchmesser 7,5 cm; das Bandolier ist bis etwa 1,30 m
Traglänge (vom Aufhängpunkte bis zum Biichsenboden ge-
messen) zu verschnallen. Zum Ausschütten des Inhalts im
vorderen, kleineren Hohlraume dient eine durch entsprechende
Umkröpfung am Deckel geschützte Kannenschnauze. Die
Cylinder-Aussenfläche zeigt vier zur Tragriemenbefestigung
bestimmte Metallösen und das in dieser Ausführung wohl
spätestens 1750 gestanzte herzoglich sächsische Wappen. An
dem mittels breiter Gurtschnalle nach der Grösse des Trägers
zu bemessenden Bandolier sind aussen zwei Schlaufen und


Die vorliegende Waffe zeigt in der ganzen Konstruktion
nur bekannte und thatsächlich verwertete Prinzipien; dieselbe
ist eine mehrläufige Faustbüchse, welche sich später zum
Drehling und schliesslich zum Revolver entwickelte, als ur-
sprünglicher Versuch bleibt die Waffe in ihrer Einfachheit
hochinteressant.
Die Zeit der Anfertigung dürfte mit der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts annähernd richtig angegeben sein.
Es muss schliesslich bemerkt werden, dass Oberst
M. Thierbach in seinem Werke «Die geschichtliche Ent-
wickelung der Handfeuerwaffen», Dresden 1888, p. 438 und
439 wie folgt schreibt:
«Zuweilen kam es auch, besonders bei Pistolen, vor, dass
drei, vier und mehr Läufe bündelartig zusammengefasst
waren, so dass dem Schützen mehrere Schüsse hinter-
einander, je nach der Anzahl der Läufe, zu Gebote
standen ....
«Im Nationalmuseum zu München ist ein derartiges
Pistol erhalten.» S.
Frage 5: Unter den im «corps de logis» des 1. Stock-
werks im herzoglichen Residenzschlosse zu Gotha aufgestellten
und als Wandschmuck aufgehangenen alten Waffen, Feld-
zeichen und Ausrüstungsstücken finden sich zwei von breiten,

zugehörige Schlaufenschuhe festgestochen. Den' Gebrauch
der von Schlaufen und Schuhen gehaltenen, augenscheinlich
stabartig gewesenen (fehlenden) Zubehörstücke gestattet ein
zu ihrer Befestigung bestimmter, im Bandolier innen ange-
stochener, schmaler Riemen. Die Anstichstelle war aussen
durch eine (verlorene) Metallplatte verdeckt.
Ich halte die Büchsen für Geschtitzzubehörstiicke
und finde die Bestätigung dieser Annahme in Material-
bestandlisten des ehemaligen Zeughauses im herzogl. Ge-
heimen Haus und Staatsarchive zu Gotha In diesen zu
verschiedenen Zeiten aufgenommenen und nachgetragenen «In-
ventarien» sind « Brändch enb iichsen », später «Lichter-
flaschen» in grösserer Zahl gebucht, die offenbar artille-
ristischen Zwecken dienten und meines Erachtens mit den
geschilderten Büchsen identisch sind. Der Vorderraum mit
Schnauze dürfte zur Aufnahme und zum Aufschütten des
Ziindpulvers («Krauts») auf die Ziindpfanne, der Hinterraum
zum handlichen Mitfiihren der in etwa 38 cm Länge ge-
bräuchlich gewesenen, mit zähbrennendem Satze ausge-
schlagenen Ztindlichte bestimmt gewesen sein. Am schwachen
Riemen und in den Bandolierösen etc. mag der metallene
Ziindlochräumer (die «Raumnadel»), vielleicht auch eine die
Hand des Kanoniers vor Verbrennen schützende «Lichter-
zange» getragen worden sein. — Die fürstlichen «Kon

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