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Zeitschrift für historische Waffenkunde.
II. Band.
Erhöhung, die man diesen Rohren zu geben ver-
mochte, betrug schätzungsweise 15 °, dagegen Hess
die Höhe des Richtbogens bei allen eine Depression
von etwa 20° zu, ein Zeichen, dass man Wert darauf
legte, die Rohre von überhöhenden Stellungen,
z. B. von der Stadtmauer aus, zu gebrauchen. —
Ein in diese Klasse gehörendes Rohr, wie es für
den Feldgebrauch geeignet war, befindet sich im
königl. Zeughause zu Berlin und ist in Fig. 2 wieder-
Zeichner nur vorgeschlagen worden sein mag,’ denn
erheblich später finden wir noch die primitivere Kon-
struktion, bei der das Widerlager für die Kammer
durch eine Verstärkung der hölzernen Lade gebildet
wurde. Der Entwurf eines recht plumpen Kriegs-
schiffes mit Decksaufbau und drei Gefechtsmasten,
welches in drei Etagen reichlich mit derartigen Ge-
schützen armiert ist,. kennzeichnet sich zu sehr als
ein arges Phantasiegebilde des Zeichners.
Fig. 2.
gegeben. Es ist im ganzen 80,5 cm lang und hat
18 cm Kaliber. Das Rohr ist auf die Lade einer
hölzernen Blocklaffete aufgeschmiedet, die zwar
schon recht alt ist, in manchen Teilen aber nicht
Original zu sein scheint. Das Geschütz gehörte zur
Artillerie Karls des Kühnen von Burgund und ging
1474 bei Nancy verloren.
Die letzten Blätter des deutschen Manuskripts
bringen endlich den Hinterlader mit beweglicher
Kammer zur Anschauung, und zeigen zugleich/dass
die Anwendung dieser durchweg erheblich längeren
Rohre vorzugsweise da statt-
fand, wo man, wie auf Schiffen,
Türmen, hinter Schutzschilden
etc. auch kürzere Rohre nicht
gut von vorne laden konnte.
Wir sehen hier sofort die Nutz-
anwendung einer Massnahme,
die aus der Unmöglichkeit ent-
sprang , einigermassen lange
Rohre von vorne zweckentspre-
chend zu laden.1) Es befindet
sich darunter ein Rohr von
schätzungsweise 22 Kaliber Seelenlänge. Die Kon-
struktion des Widerlagers der Kammer ist nirgends
ganz klar gezeichnet. Es hat fast den Anschein,
als ob dasselbe bereits mit dem Rohre aus einem
Stücke geschmiedet ist. ln diesem Falle dürfte es
sich zu jener Zeit (etwa 1430) um eine ganz neue
Erfindung gehandelt haben, die auch wohl von dem
>) Vgl. hierüber den Aufsatz; «Die älteren Hinterladungs-
geschütze» in Band II, Heft 1 u. 2 dieser Zeitschrift.
Der italienische Teil des Manuskripts zeigt einen
durchaus anderen Charakter. Er kennt als schwe-
reres Geschütz nur das Kammergeschütz mit cylin-
drischem Fluge und deutlich abgesetzter, ebenfalls
cylindrischer Kammer, und als durchgehende Eigen-
tümlichkeit haben alle Rohre eine wulstförmige Mund-
friese und einen dem späteren Bodengesimse ent-
sprechenden Wulst am hinteren Ende der Kammer,
der augenscheinlich eine breitere Fläche zur Auf-
nahme des Rüclcstosses bilden sollte (Fig. 3). Als
Laffeten dienen meist viereckige Plateauwagen aus
dicken Bohlen mit niedrigen Blockrädern. Ein senk-
recht durch die kurze, starke Deichsel (zugleich
Laffetenschwanz) ge-
steckter Pfosten mit
V orsteckerlöchern
dient zum Richten.
Die Rohre sind
mit Eisenbändern auf
der Plattform be-
festigt. In einigen Fig. 4.
Fällen liegt das Rohr,
seitlich durch Pfosten vor dem Plerunterrollen ge-
sichert, auf einem vierrädrigen Plateauwagen, der
hinten ein starkes Widerlager trägt, und über diesem,
einem Brunnenschwengel gleichend, einen langen
Hebel mit Kette und Haken. Offenbar handelt es
sich hier um ein schweres Geschütz, das nach jedem
Schuss zum Laden hochgekippt wurde. Bei einem
anderen Beispiel befindet sich die Flebevorrichtung
auf einem besonderen Karren, der hinter das Ge-
schütz gefahren ist. In Fig. 4 dient ein solches
Zeitschrift für historische Waffenkunde.
II. Band.
Erhöhung, die man diesen Rohren zu geben ver-
mochte, betrug schätzungsweise 15 °, dagegen Hess
die Höhe des Richtbogens bei allen eine Depression
von etwa 20° zu, ein Zeichen, dass man Wert darauf
legte, die Rohre von überhöhenden Stellungen,
z. B. von der Stadtmauer aus, zu gebrauchen. —
Ein in diese Klasse gehörendes Rohr, wie es für
den Feldgebrauch geeignet war, befindet sich im
königl. Zeughause zu Berlin und ist in Fig. 2 wieder-
Zeichner nur vorgeschlagen worden sein mag,’ denn
erheblich später finden wir noch die primitivere Kon-
struktion, bei der das Widerlager für die Kammer
durch eine Verstärkung der hölzernen Lade gebildet
wurde. Der Entwurf eines recht plumpen Kriegs-
schiffes mit Decksaufbau und drei Gefechtsmasten,
welches in drei Etagen reichlich mit derartigen Ge-
schützen armiert ist,. kennzeichnet sich zu sehr als
ein arges Phantasiegebilde des Zeichners.
Fig. 2.
gegeben. Es ist im ganzen 80,5 cm lang und hat
18 cm Kaliber. Das Rohr ist auf die Lade einer
hölzernen Blocklaffete aufgeschmiedet, die zwar
schon recht alt ist, in manchen Teilen aber nicht
Original zu sein scheint. Das Geschütz gehörte zur
Artillerie Karls des Kühnen von Burgund und ging
1474 bei Nancy verloren.
Die letzten Blätter des deutschen Manuskripts
bringen endlich den Hinterlader mit beweglicher
Kammer zur Anschauung, und zeigen zugleich/dass
die Anwendung dieser durchweg erheblich längeren
Rohre vorzugsweise da statt-
fand, wo man, wie auf Schiffen,
Türmen, hinter Schutzschilden
etc. auch kürzere Rohre nicht
gut von vorne laden konnte.
Wir sehen hier sofort die Nutz-
anwendung einer Massnahme,
die aus der Unmöglichkeit ent-
sprang , einigermassen lange
Rohre von vorne zweckentspre-
chend zu laden.1) Es befindet
sich darunter ein Rohr von
schätzungsweise 22 Kaliber Seelenlänge. Die Kon-
struktion des Widerlagers der Kammer ist nirgends
ganz klar gezeichnet. Es hat fast den Anschein,
als ob dasselbe bereits mit dem Rohre aus einem
Stücke geschmiedet ist. ln diesem Falle dürfte es
sich zu jener Zeit (etwa 1430) um eine ganz neue
Erfindung gehandelt haben, die auch wohl von dem
>) Vgl. hierüber den Aufsatz; «Die älteren Hinterladungs-
geschütze» in Band II, Heft 1 u. 2 dieser Zeitschrift.
Der italienische Teil des Manuskripts zeigt einen
durchaus anderen Charakter. Er kennt als schwe-
reres Geschütz nur das Kammergeschütz mit cylin-
drischem Fluge und deutlich abgesetzter, ebenfalls
cylindrischer Kammer, und als durchgehende Eigen-
tümlichkeit haben alle Rohre eine wulstförmige Mund-
friese und einen dem späteren Bodengesimse ent-
sprechenden Wulst am hinteren Ende der Kammer,
der augenscheinlich eine breitere Fläche zur Auf-
nahme des Rüclcstosses bilden sollte (Fig. 3). Als
Laffeten dienen meist viereckige Plateauwagen aus
dicken Bohlen mit niedrigen Blockrädern. Ein senk-
recht durch die kurze, starke Deichsel (zugleich
Laffetenschwanz) ge-
steckter Pfosten mit
V orsteckerlöchern
dient zum Richten.
Die Rohre sind
mit Eisenbändern auf
der Plattform be-
festigt. In einigen Fig. 4.
Fällen liegt das Rohr,
seitlich durch Pfosten vor dem Plerunterrollen ge-
sichert, auf einem vierrädrigen Plateauwagen, der
hinten ein starkes Widerlager trägt, und über diesem,
einem Brunnenschwengel gleichend, einen langen
Hebel mit Kette und Haken. Offenbar handelt es
sich hier um ein schweres Geschütz, das nach jedem
Schuss zum Laden hochgekippt wurde. Bei einem
anderen Beispiel befindet sich die Flebevorrichtung
auf einem besonderen Karren, der hinter das Ge-
schütz gefahren ist. In Fig. 4 dient ein solches