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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

DOI issue:
Heft 10
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Rose, Walther: Die Bedeutung des gotischen Streitkolbens als Waffe und als Würdezeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0382

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362

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

spielen musste, bei denen bekanntlich die Aus-
bildung der undurchdringlichen Plattenpanzerung
ihren höchsten Grad erreichte.1)
In den Darstellungen des Freydal2) sehen wir
dementsprechend nicht weniger als dreimal — auf
den Tafeln 63, 75 und 230 — einen Fusskampf des
Kaisers Maximilian mit «Flerrn Melichior (Melhior)
von Massmunster, Sigmund Stadel (Stödl) und Leon-
hart Godel (Gödl)», in welchem sich beide Kämpfer
derartiger Eisenkolben in Form der Kürissbengel
sowie hölzerner Tartschen bedienen (siehe Fig. 4).8)
Nach den bisherigen Ausführungen muss es
nun befremdlich erscheinen, dass eine nicht un-
erhebliche Anzahl der noch erhaltenen Streitkolben
auffallender Weise für ihren direkten Zweck — als
Angriffswaffe gegen Geharnischte zu dienen — ziem-
lich schwach im Metall und daher verhältnismässig-

sich dieser Umstand zu einem Teile damit erklären,
dass der Streitkolben zu jener späteren Zeit nur
noch traditionell zur Ausrüstung gehörte. Hatte doch
diese Schlagwaffe bei der allmählichen Abnahme der
Plattenharnische ihren eigentlichen Zweck verloren.
Wenn sie daher auch noch am Sattel mitgeführt
wurde, so gelangte sie im Ernstfälle wohl kaum mehr
zur Anwendung, wenigstens nicht mehr gegen schwer
Geharnischte, zumal sie bei der Reiterei durch die
in dieser Zeit allgemein in Aufnahme kommenden
und viel wirksameren Faustrohre immer mehr ver-
drängt wurde.
Indessen auch unter den gotischen Streitkolben
der älteren Zeit, d. h. im 15. und der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, also gerade zur Blütezeit der
Plattenharnische, sind derartig leicht gearbeitete
Exemplare nicht selten.




Fig-. 2. Grabdenkmal des Johann von
Breitenbach, Herrn zu Ollbrück (f 1511)
in der Pfarrkirche zu Lorch a. Rh.
(Nach Demmin, 1. Ergänzungsbd., S. 92.)

Fig. 4. Fusskampf des Kaisers Maximilian
mit Melchior von Massmunster.
(Nach Quirin v. Leitner, Freydal,
Tafel 63.)

Fig, 3. Grabdenkmal des Johann von
Eschbach, Schultheiss (f 1513) in der
Pfarrkirche zu Lorch a. Rh.
(Nach Demmin, Die Kriegswaffen,
4. Aufl., S. 421.)

leicht sind, so dass sie beim Gebrauche gegen
Plattenpanzerung schwerlich eine durchschlagende
Wirkung erzielen konnten.
Insoweit hierbei Exemplare aus der späteren
Zeit, d. h. etwa von der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts an gerechnet, in Betracht kommen,4) lässt

J) Wir reproduzieren hier nur die erstgenannte Tafel 63,
da auf den beiden anderen Tafeln sich die Kämpfer genau
derselben Kolben bedienen.
2) Der Sattelkolben wurde nach Dillichs Kriegsbuch
(Frankfurt 1607) noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts von
den Kürassieren geführt. Nach den Abbildungen daselbst
zeigt er jedoch bereits sehr kleine und künstlich verschnörkelte
Schlagblätter. Siehe auch Jähns, Atlas zur Geschichte des
Kriegswesens, Tafel 82, Nr. 7.
3) Die sog. Kolbenturniere zu Ross können hierbei
nicht in Betracht kommen, da der in denselben gebrauchte
Kolben lediglich aus hartem Holze in Form einer mehr-
kantigen Keule bestand. Siehe Boeheim a. a. O. Figur 611,
Seite 522.
4) Quirin von Leitner, Freydal, des Kaisers Maximilians I.
Turniere und Mummereien. (Wien 1880—1882.) Siehe die Ein-
leitung das. Band I, Seite LXXXVI und XCVIII, sowie Band II,
Seite LXXX.

So zeigen z. B. von den hier bei Figur 1 ab-
gebildeten Kolben die Nr. 7 und 8 — von dem
zierlich gearbeiteten Exemplar Nr. 11 ganz ab-
gesehen — neben dem geringen Gewicht von
je 0,760 kg auch verhältnismässig schwache Schlag-
blätter im Vergleich zu deren Grösse und Breite.
Dasselbe gilt auch für Nr. 3 gegenüber den schweren
Kürissbengeln Nr. 1 und 2.
Eine Erklärung für die Plerstellung solcher
frühzeitig-gotischen, in ihrer äusseren Gestalt
wohl kunstreicheren, aber im Ernstfälle kaum brauch-
baren Exemplare — und das gilt auch zum anderen
Teil für ähnliche Kolben der späteren Zeit —
finden wir in der anderweiten, hier nunmehr in Be-
tracht zu ziehenden Zweckbestimmung dieser Kolben,
nämlich in der Bedeutung derselben als Würde-
zeichen und als Prunkwaffe.
War es doch schon von altersher Sitte geworden,
dass nicht nur höhere Befehlshaber, sondern auch
mächtige Herrscher und selbst Kaiser ebenso wie den
Kommando- und Herrscherstab, so auch den Streit-
kolben als Zeichen ihrer Würde, gleichsam als Scepter,
 
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