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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 11
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Forrer, Robert; Gimbel, Karl [Honoree]: Karl Gimbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0412

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392

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

oder Schnittverzierungen. Den Sohn erfreuten die
Prachtstücke zwar, doch mehr noch reizten ihn
die einfachen aber formschönen Waffen der
Spätgotik. Allmählich dämmerte in ihm der
Wunsch auf, auch die Vorläufer jener «blan-
ken» Waffen, Waffen des 14., 13. und 12. Jahr-
hunderts zu besitzen, und bald reihten sich an
die Helme und Schwerter des 15. Jahrhunderts
ein prächtiges Bacinet des 14., zahlreiche aus-
gegrabene Schwerter und Dolche der gotischen
und der romanischen Periode. Mancher Sammler
würde sich mit diesen Zeiträumen begnügt haben,
aber Gimbel war einerseits zu leidenschaftlicher
Sammler, andrerseits zu sehr Forscher, als dass
er sich hätte beschränken können. Bald genügte
ihm nicht mehr die Heranziehung auch der mero-
vingisch-fränkischen Waffen, bald sprang er hin-
über in die älteren Epochen und begann, im
Drange, sich an Originalen zu belehren, auch das
Sammeln von Waffenstücken aus römischer und
vorrömischer Zeit. Bald gestaltete sich seine Woh-
nung zu einem archäologischen Museum aus und
seine Schränke füllten sich mit Waffen der Stein-
und Bronzezeit, der Hallstatt- und der Tenezeit.
Gimbel wollte sich eine Entwicklungsgeschichte
der Waffe in Originalen anlegen — dasselbe
Ziel, das sich auch Zschille gesteckt hatte — ein
schönes Ziel, wenn man es erreichte, aber ein
Ziel, das nur mit grossen Geldmitteln zu erreichen
war und — mit einer streng durchgeführten Be-
schränkung auf die einmal gezogenen Grenzen.
Weder Zschille noch Gimbel haben sich in dieser
Beschränkung halten können, beide gingen über
jene natürlichen Grenzen hinaus. Gimbel begann
seine Sammlungskreise immer weiter zu ziehen —
bald interessierte er sich nicht mehr bloss für die
Waffen der Urzeit — er zog auch die übrigen mit-
gefundenen Dinge in den Kreis seiner Samm-
lungen, sammelte römische und prähistorische Bron-
zen aller Art, sammelte fränkische Gräberfunde,
kaufte gotische Truhen, endlich gar allerlei ethno-
graphische Sammlungen aus Afrika, Australien
u. s. w., und Uniformstücke, Gewehre, Säbel, Helme,
Käppi und Mützen der Soldaten des 19. Jahr-
hunderts. Das war zu viel — in dem Wunsche
heute diese, morgen jene Gruppe neu zu schaffen
oder zu erweitern, liess er im Kauf oder Tausch
bald diese, bald jene Gruppe seiner Waffensamm-
lung wieder eingehen — verschwanden bald schöne
Waffen der Renaissance, bald die Bronzehelme aus
der Sammlung. Freilich, das Sammeln ist eine
Leidenschaft und heute reizt uns das, morgen jenes;
manches, dessen Besitz gestern uns als das personi-
fizierte Glück erschien, lässt uns heute kalt, wird
kaltblütig wieder ausgeschieden, bloss weil ein neues
Ding uns heute noch begehrenswerter erscheint.
Trotzdem hat Gimbel bis zu seinem Tode sich
stets seine Lieblingsgruppen zu erhalten und oft
durch wahre Perlen zu erweitern gewusst. Das

Mittelalter war sein Element, hier hat er
sich Serien geschaffen, welche in zahlreichen staat-
lichen Waffensammlungen nicht besser vorhanden
sind, um die ihn jeder Kenner beneiden musste.
Das Streitbeil, die Lanze, der Streitkolben, das
Schwert, der Dolch, sie lassen sich bei ihm von
der Urzeit an durch alle Epochen bis in die Renais-
sance verfolgen. Hervorragend war seine Samm-
lung von mittelalterlichen Schwertern, angefangen
beim Kurzschwert der cyprischen Kupferzeit und
beim Schwerte der Bronzezeit, im Anschluss hieran
das Hallstatt- und das Teneschwert, der römische
Gladius und die fränkische Spatha, von da weiter
in vollständiger Entwicklungsfolge die Schwerter
des Mittelalters, der Gotik und der Renaissance.
Auch unter den Rüstungen waren frühe und präch-
tige Typen vertreten, frühe Panzerhemden, mehrere
gotische Rüstungen, ebensolche der Maximilians-
zeit.
Gimbels sammelnde Thätigkeit hatte aber nicht
bloss den Zweck, sich die «Freuden des Samm-
lers» zu verschaffen, sie strebte nach mehr, nach
tieferem Zwecke; immer mehr brach sich bei ihm der
Wunsch Bahn, der Waffengeschichte zu dienen,
zu sammeln im Hinblicke auf die vielen auf dem
Gebiete der Waffenkunde noch offenen und der
Lösung harrenden Fragen. In diesem Bestreben sam-
melte er nicht nur alte Originale, sondern auch
alle diesbezügliche Litteratur und kopierte alte
Miniaturen, Grabdenkmäler u. s. w. von waffen-
geschichtlichem Interesse.
Dann ging er einen Schritt weiter und trat
ans Rekonstruieren. Er gab den alten Stein-
und Bronzebeilen, den Franzisken und mittelalter-
lichen Streitbeilen Holzschäfte, welche denen nach-
gebildet waren, welche teils in seltenen Originalen,
teils in alten Abbildungen auf uns überkommen
waren. Er schäftete alte Lanzen und suchte durch
allerlei andere Ergänzungen uns jene Waffen klarer
zu gestalten, sie der einstigen Wirklichkeit und
unserem Verständnis näher zu bringen. Man mag
hierüber streiten, das alte Original als unantastbare
Reliquie betrachten und dergleichen Restauration
und Rekonstruktion verdammen, Thatsache ist,
dass sie einen grossen Schritt weiter auf dem Wege
zur Kennerschaft führt — es sind gewissermassen
«Versuchskarnikel im Interesse der Wissenschaft».
Sehr vieles lässt sich ja auf dem Papier recht schön
rekonstruieren, aber wenn man sich dann an die
Rekonstruktion in natura macht, da lernt man nicht
nur viel mehr, die Sache sieht sich oft auch ganz
anders an: was auf dem Papier oft sehr schön
und plausibel aussieht, erscheint nicht selten ver-
fehlt, wenn man daran geht, die Rekonstruktion
vom Papier in die Wirklichkeit zu übertragen.
Diese Erfahrung hat Gimbel mehrfach gemacht
und mehrfach hat er Waffenrekonstruktionen be-
seitigen und neu anfertigen müssen, weil bei der
Übertragung vom Papier in die Wirklichkeit die
 
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