ii. Heft.
Zeitschrift für historische Waffenkunde.
401
nern augenblicklich durch die ganze Ladung ver-
teilt, brennt die mehlförmige Ladung, gewisser-
massen ein einziges Korn darstellend, von der Ent-
zündungsstelle aus ungleich langsamer weiter. Die
fortschreitende Gasentwicklung ist daher verhältnis-
mässig gering und die entstehende Spannung
würde, nachdem erst ein kleiner Teil der Ladung
verbrannt ist, das vorliegende Geschoss ohne nen-
nenswerte Wirkung aus dem Rohr rollen. Man
bot daher den Pulvergasen durch einen fest in
das Rohr gekeilten Holzpflock a (Abb. 10) einen
grösseren Widerstand, zu dessen Überwindung die
Verbrennung des grössten Teiles der Ladung nötig
war. Essenwein bringt aus. einer dem Ende des
14. Jahrhunderts angehörigen Handschrift eine Ab-
bildung, auf der zwei Männer ein Geschütz laden.
Die Unterschrift besagt: «.Item nym ain
moss, und stoss sie in die püchsen und tail die
moss in fünf tail aistu an der figur wol siechst
und lad die 3 tail mit puluer, als die moss saget,
so ist sie mit puluer recht geladen. Wann der
klocz bedarf seiner weite, so sol zwischen dem
klocz und dem puluer auch ain weit seyn, dass
Salpeter selbst mit sich führt. Berücksichtigt man
aber, dass eine fest zusammengepackte und ver-
keilte Mehlpulverladung gleich einer bengalischen
Flamme nur sehr langsam abbrennen würde, so
erkennt man den Zweck des leeren Raumes darin,
dass er den zunächst sich entwickelnden Gasen
gestattete, die Ladung aufzulockern und so eine
schnellere Verbrennung derselben herbeizuführen.
In der hinter dem Pflock hegenden, in ihrer Grösse
zunächst nicht veränderlichen Kammer fand also
die Verbrennung des weitaus grössten Teiles der
Ladung statt. Aber auch die Verbrennung selbst
ist beim Mehlpulver zu beachten. Während beim
gekörnten Pulver jedes Korn, ja jedes kleinste
Teilchen aus den drei Bestandteilen in annähernd
richtigem Verhältnis besteht, die Verbrennungspro-
dukte also auf das Feinste verteilt sein müssen,
ist dies bei ungekörntem Pulver keineswegs der
Fall. Hier hegen die Partikelchen der einzelnen
Bestandteile, die bei den primitiven Mitteln der
Pulverbereitung auch nicht den nötigen Grad von
Feinheit besessen haben können, lose nebenein-
ander, und zwar, wie das bei dem verschiedenen
Abb.10.
das fewr zu recht prunst und auch zu recht kraft
mag körnen. Item darnach machstn ainen klocz
oder ainen stain desto pass schiessen. »*')
Der Herr Verfasser des in der Fussnote ange-
zogenen Artikels schliesst hieraus, dass die Büchsen
zu 3/5 mit Pulver geladen wurden, dass also das
erwähnte Mass der Seelenlänge entsprochen hat.
In diesem Falle hätte es eines Masses überhaupt
nicht bedurft, ganz abgesehen davon, dass die da-
durch bedingte Grösse der Pulverladung in keiner
Weise zu rechtfertigen oder zu erklären wäre.
Ausserdem bliebe über dem Holzklotz kein Raum
mehr für das Geschoss. Viel eher dürfte anzu-
nehmen sein, dass die Länge des Masses zu dem
Kaliber in Beziehung gestanden hat. Der leere
Raum, der hier über der Ladung vorgeschrieben ist,
wird damit begründet, «dass das fewr zu recht
prunst und auch zu recht kraft mag körnen», eine
Massnahme, die zunächst um so verwunderlicher er-
scheint, als ja das Pulver zum Brennen keine Luft
6) Siehe Band I, Heft 8, Seite 199 dieser Zeitschrift.
Die Abb. S. 201 daselbst ergänzt unsere Abb. 9.
braucht, weil es den dazuj nötigen Sauerstoff im
spezifischen Gewicht der drei Teile nicht anders
sein kann, auch in sehr ungleicher Verteilung. Das
Verbrennungsergebnis musste daher neben einer
gewissen, nicht eben günstigen Ausbeute an Gasen
eine von diesen abgesonderte, brodelnde und an
den Rohrwänden haftende Schlacke sein — eben-
falls wie bei einer von Laienhand hergestellten
bengalischen Flamme. In dem während der Ver-
brennung sich gleichbleibenden Verbrennungs-
raum konnte daher gleichsam eine Scheidung der
gasförmigen und der festen Verbrennungsprodukte
stattfinden. Jedenfalls wurde der feste Rückstand
beim endlichen Nachgeben des Holzpflockes nur
noch in geringer Menge von den aus dem Rohr
schiessenden glühenden Gasen mitgenommen und
trat als Rauchwolke bei weitem nicht in dem Masse
in die Erscheinung, wie später beim gekörnten Pul-
ver. Dieser im Rohr zurückbleibende, eine feste
Kruste bildende Rückstand muss damals ein ganz
ausserordentlich lästiges Hindernis für den Ge-
brauch der Feuerwaffen gewesen sein, da er die
Feuergeschwindigkeit sehr stark herabsetzte. Das
53*
Zeitschrift für historische Waffenkunde.
401
nern augenblicklich durch die ganze Ladung ver-
teilt, brennt die mehlförmige Ladung, gewisser-
massen ein einziges Korn darstellend, von der Ent-
zündungsstelle aus ungleich langsamer weiter. Die
fortschreitende Gasentwicklung ist daher verhältnis-
mässig gering und die entstehende Spannung
würde, nachdem erst ein kleiner Teil der Ladung
verbrannt ist, das vorliegende Geschoss ohne nen-
nenswerte Wirkung aus dem Rohr rollen. Man
bot daher den Pulvergasen durch einen fest in
das Rohr gekeilten Holzpflock a (Abb. 10) einen
grösseren Widerstand, zu dessen Überwindung die
Verbrennung des grössten Teiles der Ladung nötig
war. Essenwein bringt aus. einer dem Ende des
14. Jahrhunderts angehörigen Handschrift eine Ab-
bildung, auf der zwei Männer ein Geschütz laden.
Die Unterschrift besagt: «.Item nym ain
moss, und stoss sie in die püchsen und tail die
moss in fünf tail aistu an der figur wol siechst
und lad die 3 tail mit puluer, als die moss saget,
so ist sie mit puluer recht geladen. Wann der
klocz bedarf seiner weite, so sol zwischen dem
klocz und dem puluer auch ain weit seyn, dass
Salpeter selbst mit sich führt. Berücksichtigt man
aber, dass eine fest zusammengepackte und ver-
keilte Mehlpulverladung gleich einer bengalischen
Flamme nur sehr langsam abbrennen würde, so
erkennt man den Zweck des leeren Raumes darin,
dass er den zunächst sich entwickelnden Gasen
gestattete, die Ladung aufzulockern und so eine
schnellere Verbrennung derselben herbeizuführen.
In der hinter dem Pflock hegenden, in ihrer Grösse
zunächst nicht veränderlichen Kammer fand also
die Verbrennung des weitaus grössten Teiles der
Ladung statt. Aber auch die Verbrennung selbst
ist beim Mehlpulver zu beachten. Während beim
gekörnten Pulver jedes Korn, ja jedes kleinste
Teilchen aus den drei Bestandteilen in annähernd
richtigem Verhältnis besteht, die Verbrennungspro-
dukte also auf das Feinste verteilt sein müssen,
ist dies bei ungekörntem Pulver keineswegs der
Fall. Hier hegen die Partikelchen der einzelnen
Bestandteile, die bei den primitiven Mitteln der
Pulverbereitung auch nicht den nötigen Grad von
Feinheit besessen haben können, lose nebenein-
ander, und zwar, wie das bei dem verschiedenen
Abb.10.
das fewr zu recht prunst und auch zu recht kraft
mag körnen. Item darnach machstn ainen klocz
oder ainen stain desto pass schiessen. »*')
Der Herr Verfasser des in der Fussnote ange-
zogenen Artikels schliesst hieraus, dass die Büchsen
zu 3/5 mit Pulver geladen wurden, dass also das
erwähnte Mass der Seelenlänge entsprochen hat.
In diesem Falle hätte es eines Masses überhaupt
nicht bedurft, ganz abgesehen davon, dass die da-
durch bedingte Grösse der Pulverladung in keiner
Weise zu rechtfertigen oder zu erklären wäre.
Ausserdem bliebe über dem Holzklotz kein Raum
mehr für das Geschoss. Viel eher dürfte anzu-
nehmen sein, dass die Länge des Masses zu dem
Kaliber in Beziehung gestanden hat. Der leere
Raum, der hier über der Ladung vorgeschrieben ist,
wird damit begründet, «dass das fewr zu recht
prunst und auch zu recht kraft mag körnen», eine
Massnahme, die zunächst um so verwunderlicher er-
scheint, als ja das Pulver zum Brennen keine Luft
6) Siehe Band I, Heft 8, Seite 199 dieser Zeitschrift.
Die Abb. S. 201 daselbst ergänzt unsere Abb. 9.
braucht, weil es den dazuj nötigen Sauerstoff im
spezifischen Gewicht der drei Teile nicht anders
sein kann, auch in sehr ungleicher Verteilung. Das
Verbrennungsergebnis musste daher neben einer
gewissen, nicht eben günstigen Ausbeute an Gasen
eine von diesen abgesonderte, brodelnde und an
den Rohrwänden haftende Schlacke sein — eben-
falls wie bei einer von Laienhand hergestellten
bengalischen Flamme. In dem während der Ver-
brennung sich gleichbleibenden Verbrennungs-
raum konnte daher gleichsam eine Scheidung der
gasförmigen und der festen Verbrennungsprodukte
stattfinden. Jedenfalls wurde der feste Rückstand
beim endlichen Nachgeben des Holzpflockes nur
noch in geringer Menge von den aus dem Rohr
schiessenden glühenden Gasen mitgenommen und
trat als Rauchwolke bei weitem nicht in dem Masse
in die Erscheinung, wie später beim gekörnten Pul-
ver. Dieser im Rohr zurückbleibende, eine feste
Kruste bildende Rückstand muss damals ein ganz
ausserordentlich lästiges Hindernis für den Ge-
brauch der Feuerwaffen gewesen sein, da er die
Feuergeschwindigkeit sehr stark herabsetzte. Das
53*