Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Reimer, Paul: Die Erscheinung des Schusses und seine bildliche Darstellung, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0460

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
440

Zeitschrift für historische Waffenkundc.

II. Band.

pulvers. Es mag dies wohl daran liegen, dass bei
diesen mit zum Teil sehr geringen Ladungsverhält-
nissen (= Pulx erladunQ \ feuern(jen Geschützen die
kleine Pulverladung ungleich mehr Arbeit zu leisten
hat und die Gase daher bereits so weit abgekühlt
werden, dass die Verbrennung im Rohr fast völlig
beendet wird und nur die noch glühenden Gase vor
der Mündung in die Erscheinung treten. Die Farbe
der Nitroglycerinpulverflamme ist ausgesprochen
gelb und, wie diejenige des Schiesswollpulvers,
ebenfalls auf sehr grosse Entfernungen sichtbar.
Normalerweise soll das Schiesswollpulver über-
haupt kein Mündungsfeuer geben. In diesem Falle
tritt der Rückstand des Pulvers vor dem Rohr in
die Erscheinung, aber nicht als kompakte Rauch-
wolke, sondern entsprechend seiner geringen Menge
und Eigenart — ein Teil davon ist in der Konden-
sation begriffener Wasserdampf — als ein leichter
graublauer Dunst, der wirbelnd aus der Mündung
fährt und in kurzer Zeit völlig verschwunden ist.
Nur wo Initialladungen aus Schwarzpulver, welche
die sichere Entzündung der Hauptladung gewähr-
leisten sollen, Verwendung finden, tritt eine leichte
Rauchentwicklung auf, deren Stärke sich indessen
in keiner Weise mit derjenigen des Schwarzpulvers
vergleichen lässt. Auf grössere Entfernung ist sie
nur mit sehr guten Gläsern zu erkennen, jedenfalls
spielt sie in einem Gefechtsbilde kaum eine Rolle.
Diese geringe Rauchmenge kommt unter der über-
wältigenden und b'endenden Erscheinung des Mün-
dungsfeuers gänzlich in Fortfall und wird höch-
stens durch eine infolge des starken Luftdrucks
vom Erdboden aufgewirbelte Staubwolke ersetzt.
Dieselbe macht sich hier bei geeignetem Boden ent-
sprechend dem höheren Gasdruck und dem Fehlen
der Raucherscheinung in viel höherem Masse be-
merkbar als beim Schwarzpulver. Es sei hier bei-
läufig erwähnt, dass sich unter der Einwirkung
dieses Luftdrucks Kies und dergleichen auf der
Erde vor der Mündung zu konzentrischen Kreisen
anordnet, die ihren Mittelpunkt etwa in der Mitte
der Mündungsfeuerflamme haben, und deren ge-
genseitiger Abstand zu der Intensität der letzteren
in Beziehung steht.
Mit Schiesswollpulver feuernde Gewehre ent-
sprechen nach dem Gesagten sehr langen Kanonen-
rohren. Es ist in dem langen Gewehrlauf den Gasen
genügend Gelegenheit geboten, sich durch Aus-
dehnung abzukühlen, eine Flammenerscheinung
tritt daher nicht auf. Ausgeschlossen ist es indessen
auch hier nicht, dass bei sehr heiss gewordenen
Läufen die Gase noch glühend aus der Mündung
kommen und ein regelrechtes Mündungsfeuer her-
vorrufen, doch wird diese Erscheinung nur in sehr
seltenen Fällen auftreten. Auch die Raucherschei-
nung entspricht im wesentlichen derjenigen des
rauchschwachen Kanonenschusses. Der leichte,
bläuliche, staubartige Rauch tritt beim Einzelschuss

nur aus nächster Nähe in die Erscheinung, doch
macht sich auch auf mittleren Entfernungen eine
sehr schnell feuernde Schützenlinie unter Umstän-
den durch einen leichten, bläulichen Dunststreifen
bemerkbar.
Besonders zu besprechen bleibt noch der rauch-
schwache Manöver- und Salutschuss. Während der
erstere zur Erzielung eines naturgetreuen Gefechts-
bildes ein möglichst richtiges Bild des scharfen
Schusses geben soll, verlangt man von dem zweiten
neben dem donnernden Knall auch eine, man
möchte sagen, dekorative Wirkung, wie sie in Ge-
stalt des Blitzes und vor allem der majestätischen
Rauchentwickelung dem Schwarzpulverschuss eigen
war. Beiden Anforderungen entspricht der rauch-
schwache „blinde“ Schuss in keiner Weise, ja es
hat sogar grosse Mühe gemacht, überhaupt einen
halbwegs brauchbaren rauchschwachen Manöver-
schuss herzustcllen, da sich hier ungeahnte Schwie-
rigkeiten ergaben. Während nämlich ein angezün-
detes Häufchen gekörnten Schwarzpulvers lebhaft
aufblitzt, brennt das moderne Pulver jeder Gattung
ebenso verhältnismässig langsam ab, wie s. Zt. das
mehlförmige Schwarzpulver. Zur ballistisch wirk-
samen Verbrennung gehört eine gewisse Ein-
schliessung, die beim alten Mehlpulver durch den
vorgekeilten Holzpflock, beim scharfen rauch-
schwachen Schuss durch das vermöge der Kupfer-
ringe mit Pression geführte Geschoss bewirkt wurde,
denn bei jeder anderen, z. B. der Warzen- oder
der Expansionsführung muss das moderne Pulver
ebenso versagen, wie beim gewöhnlichen Kugel-
schuss aus einem glatten Rohr. Schon bei den im
Anschluss an die scheinbaren Erfolge Österreichs
in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in der königlichen Pulverfabrik bei Spandau vorge-
nommenen Versuchen, die neu erfundene Schiess-
baumwolle als solche an Stelle des Schwarzpulvers
zum Schiessen zu verwenden, zeigte es sich, dass
dieselbe in gezogenen, mit Zündnadelschloss ver-
sehenen Wallbüchsen erheblich kräftiger ver-
brannte, als in glatten Läufen. Lud man also eine
rauchschwache Kartusche ohne Geschoss ins Rohr,
so schleuderten die nach dem Abfeuern sich zu-
nächst bildenden Gase den ganzen Rest der Ladung
zum Teil brennend aus dem Rohr, und statt eines
heftigen Knalles, wie in solchem Falle beim
Schwarzpulver, gab es nur ein lustiges Feuerwerk.
Man machte daher das rauchschwache Pulver durch
feinste Verteilung leichter verbrennlich und griff
im übrigen als Ersatz des Geschosses auf den Holz-
pflock des Mittelalters zurück, nur dass man ihn
aus einem festen Bündel von Holzdraht herstellte,
welches durch die Züge zerschnitten wurde und
die einzelnen leichten Stäbchen in unschädlicher
Weise nicht weit vor der Mündung zerstreute. Die-
ser Schuss gab einen guten Knall und zeigte bei
fast ganz fehlendem Rauch infolge der geringen
Ladung nur eine tote feurige Zunge von sehr wech-
 
Annotationen