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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Basler, Adolphe: Pariser Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0062

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auf einem canape Recamier“ ein wahres 3auberftück ift. Von durchaus bürgerlichem
Ausdruck, ift diefe Malerei in der Pracht ihrer Farbe geradezu ein Märchen. Die
große Fähigkeit des Geftaltens, die wollüftige, poetifcße Künftlerfchaft entflammen bei
Renoir die Jugend, für die Cezanne der fchwierige Maler mit den großen Problemen
bleibt. Darum auch erwuchs aus unferen Dagen der Kult für Corot. Der Dichter, der
Geiftige, das gerade, unfchwierige Genie, das Diefe in der Befchränkung feiner Mittel
fucht, trägt heute den Sieg über alle anderen Götter davon. Denn man ift jeglichen
Manierismus müde, auch aller Paletteneffekte, die oft genug bis an einen gemeinen,
unerträglichen Jazz-band heranreichen, und man wünfcßt pd) eine Kunft, die reiner
Äusfluß unmittelbarer Berührung mit der Natur fei. Das ift keine Rückkehr meßr zum
Naturalismus, fondern der DOille, klaffifd) zu fein. Der geborene Maler, der arifto-
kratifche Manet, der glanzliebende Monticelli, der für eine Seit dreißig Jahre nach
feinem Dode zu malen glaubte, Ingres, Daumier, Piffarro, waren fie nicht alle
gleich Klaffiker wie Naturaliften? Die Manier tut wenig — der Schaden ift der
Manierismus. Und fieht man nicht im Fjerbftfalon zahlreiche Künftler feit vielen Jahren
[ich am gleichen Vorwurf bemühen? (Hie es in den ofßziellen Salons Virtuofen gibt,
die ftels die gleichen Döpfe malen, immer diefelben Musketiere, fo gibt’s auch kn
Fjerbftfalon die Spezialiften für Ätelier-Interieurs, Akte ä la Rubens, für das „jugement
de Paris“, von einer Plattheit, die den Fabrikanten der ofßziellen Malerei nichts nach-
gibt. Mag eine unverantwortliche Kritik diefe Mittelmäßigkeiten in den PJimmel heben;
wir wollen bedauern, daß junge Menfcßen voll guten Klillens, wie Clairin, nicht an-
ders ermuntert werden, Befferes zu machen, als durch lächerliche Schmeicheleien, wie
„Enkel von Camille Corot“, wenn fie Miniaturen zu forgfältig ausgeführten Staffelei-
bildern vergrößern, ohne an die Gefahr zu denken, die ihnen aus diefer Verquickung
verfcßiedener Arten erwächft. So müht fic±> ein Favory, anftatt fein Empßnden zu
fteigern, nur darum, den Flitter feines Könnens in 3ufammenftellungen zu zeigen, die
er mit der Kunft, ein Bild aufzubauen, verwechfe't. Ich nenne einen Favory als
Beifpiel, weil er einer jener typifcßen Manieriften ift, die hartnäckig in moderner Ma-
lerei machen.
Glücklicherweife gibt es neben den Manieriften eine ganze Anzahl Maler, deren
UIerke einen frifchen, von keiner Pofe entftellten Geift atmen. Abgefehen von jenen
drei meifterhaften Bildern von Bonnard gibt es im Salon noch andere Künftler, die
ebenfo gefunde Kunft fchaffen. Bonnard ift ein Dichter, kein Schönredner, und die
anderen, denen die Malerei eine Sprache bedeutet, durch die fie ihr Naturgefüßl mit
ebenfoviel Kliffen als Anftand ausdrücken können, haben ähnliche Ausfichten, als wahr
zu gelten. Mit der Klahrheit täufcht man niemand und bringt fchließlich fein Dalent
mit all feinen Vorzügen und Schwächen zur Geltung. Darum erzwingt ein Despiau
Bewunderung für feine einfachen, eindrucksvollen und gleichzeitig geflickten Büften.
Ein Despiau ift ficper gefd)ickter als ein Jacques Liepfcßiß, der handfertig, aber ohne
viel Dalent, die kubiftifchen Erßndungen Picaffos ausbeutet; ift geflickter als ein 3adkine,
der uns durch feine Blöcke ohne Maß verblüffen will. Obgleich von gefpreizter Groß-
mannsfucht, hat 3adkine doch eine ausgefprocßenere Bildhauerbegabung als Liepfcßiß.
Klie feßr aber ziehe ich ihm einen Moissi Kogan vor, der in ganz kleinen Figürd)en
zu zeigen verfteßt, daß eine Begabung auch auf diefe Kleife taktvoll den Sinn von
etwas waßrßaft Großen vermitteln kann. Darum neigen die Sympathien eines Maillol
oder Despiau auch zu Kogan, einem rechtfcßaffenen und hochkultivierten Künftler.
Klas die Kraft, die Lebensfähigkeit der franzöfifcßen Kunft ausmacßt, das hat mir
neulich ein Mufeums-Konfervator gefagt, nämlich, daß im Gegenfaß zu dem, was in
Italien, Fjolland und anderwärts vor fiep ging, der Manierismus in Frankreich niemals
von langer Dauer, noch allgemein verbreitet war. Das gleiche lebendige Naturgefühl
bringt zu allen 3eiten einige gute und echte Künftler hervor, die die Kunft davor
bewahren, in unfruchtbaren Formeln zu enden. Klir prid glücklich, feftzuftellen, daß

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