fpäteren 15. Jahrhundert angehört, während die Figur des Chriftus aus dem früheren
14. Jahrhundert ftammt. Von den Reften der Faffung find zum minderen die auf den
Beinen und dem Lendentuch als urfprünglid) anzufehen, wohingegen die Farbfpuren
auf den Leinwandreften an Oberkörper, Kopf und Nimbus jüngeren Datums zu fein
fcheinen. Man könnte demnach auf den Gedanken kommen, daß die Figur des Chriftus
aus einem urfprünglid) anderen 3ufammenl)ange am Ende des 15. Jahrhunderts ßeraus-
gelöft und an das Kreuz geheftet worden fei. Ein Vergleich mit dem verwandten
Kruzipxus der Neumünfterkirche in (Qürzburg1 lehrt jedoch, daß wir hier nur in teil-
weife erneuter Form die Qrgeftalt im ganzen vor uns haben. Die Argumente, die
Pinder für die Qrfprünglicßkeit des Cypus beim (üürzburger Kruzifixus geltend macht,
find auch für den Beinricßfer zwingend.
Die hohe Qualität des (Uerkes fowie die endgültige (Qiederßerftellung rechtferiigen
eine genauere Änalyfe.
Chriftus hängt nicht am Kreuz— vielmehr fchjwebt er, eine überirdifche Erfcßeinung,
vor dem Kreuz. Das fjaupt ift fchmerzlicl) nach rechts geneigt und die Fjände find
über der linken Brufthälfte gekreuzt. Qnfagbar ergreifend wirkt der Kopf, ein harter,
kantiger Bauernfcßädel, der aus wenigen ftillen Flächen zufammengefügt ift, die fcharf
aneinander ftoßen. So feßr die abgezehrten (Hangen, überhaupt die mageren Formen
des Gefichtes von unerhörtem Leiden am Kreuze künden, fo lagert doch über dem
Äntlits ein Abglanz himmlifcßer Ruhe und feliger Verklärung. Die FJaare find in ge-
wölbte Streifen gelegt, links fallen zwei, rechts eine zapfenartig gedrehte und wellig
bewegte Fjaarfträßne auf die mageren Schultern herab. Qm das Fjaar ift eine breit-
wulftige Dornenkrone gewunden, die aus wirklichem Strick befteht. Das Gefid)t ift
fd)mal und langgezogen, die Augen wölben fid) fanft aus fcharfgefchnittenen Fjößlen
hervor und find leife geöffnet, die langgeftreckte Nafe fd)iebt fleh als wuchtiger Keil
in das flache Bügelgelände des Geflehtes. Scharf fpringen die Backenknochen heraus;
von den Nafenwinkeln führen zwei Faltenfurchen zum Munde herab. Der ift leife ge-
öffnet, von einem friedlichen, ergebungsvollen 3u9e umfpielt. Das Kinn umfängt ein
Bartkranz aus kleinen, zierlich gedrehten Locken. Die Ohren find klein und auffallend
ornamental gebildet.
Cief fit}t der fjals zwifchen den hochgezogenen, fpitjen Schultern. Der ganze Körper
ift merkwürdig fd)lank und flach gepreßt, ohne größere kubifeße Entfaltung. Die Be-
handlung der Oberfläche ift eine ausgefproeßen zeießnerifeße. Naßezu parallel laufen
die Konturen des Oberkörpers. Leife ift der Bruftkorb erßößt, als fanfte (Qölbung fteigt
die Baucßpartie aus flacher Mulde empor. Bruftbein und Rippen find mit wenigen
Strießen in die Form gekerbt. Aus diefem ftillen Formenkomplex brechen die Arme
heraus, in leicßt bewegtem Qmriß, in ßartwinkliger Knickung, mit fpitjen Ellenbogen in
den Raum fteeßend. Die Bände mit den tiefen (Qundmalen find oberhalb der Bruft-
wunde fo übereinandergefeßoben, daß die Linke dabei nach vorn zu liegen kommt.
Es ift eine Gebärde von erhabener Craurigkeit.
Ganz gefcßloffen ift die Behandlung des Unterkörpers. Büften, Oberfcßenkel und
linkes Knie find von einem eng anliegenden Schamtuch bedeckt. Drückt ficß der rechte
Oberfcßenkel feft durch, fo daß nur wenige, die Rundung betonende Spannfalten ent-
fteßen, fo erfeßeint das Cucß über dem linken Oberfcßenkel ein wenig gelockert. Bier
find lange gebogene Faltenfurcßen eingegraben, die in genau parallelen (Uindungen
ßerabgleiten. Rechts hängt ein längerer, links ein kurzer, tütenartig gedrehter 3>Pfe^
ßerab, der bei der reinen Frontalanpcßt nießt zu feßen ift. Die Beine, mit glatter Ober-
fläche und harter Scßienbeinkante, find leicßt nach vorn gewinkelt. Der rechte Fuß ift
mit einem mächtigen Eifennagel über den linken genagelt. Die 3eßen find heftig ge-
krampft — hier lebt noeß ein leifer Nachhall des Martertodes.
1 Pinder, Mittelalterliche Plaftik ttlürzburgs. S. 67, Caf. 21.
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14. Jahrhundert ftammt. Von den Reften der Faffung find zum minderen die auf den
Beinen und dem Lendentuch als urfprünglid) anzufehen, wohingegen die Farbfpuren
auf den Leinwandreften an Oberkörper, Kopf und Nimbus jüngeren Datums zu fein
fcheinen. Man könnte demnach auf den Gedanken kommen, daß die Figur des Chriftus
aus einem urfprünglid) anderen 3ufammenl)ange am Ende des 15. Jahrhunderts ßeraus-
gelöft und an das Kreuz geheftet worden fei. Ein Vergleich mit dem verwandten
Kruzipxus der Neumünfterkirche in (Qürzburg1 lehrt jedoch, daß wir hier nur in teil-
weife erneuter Form die Qrgeftalt im ganzen vor uns haben. Die Argumente, die
Pinder für die Qrfprünglicßkeit des Cypus beim (üürzburger Kruzifixus geltend macht,
find auch für den Beinricßfer zwingend.
Die hohe Qualität des (Uerkes fowie die endgültige (Qiederßerftellung rechtferiigen
eine genauere Änalyfe.
Chriftus hängt nicht am Kreuz— vielmehr fchjwebt er, eine überirdifche Erfcßeinung,
vor dem Kreuz. Das fjaupt ift fchmerzlicl) nach rechts geneigt und die Fjände find
über der linken Brufthälfte gekreuzt. Qnfagbar ergreifend wirkt der Kopf, ein harter,
kantiger Bauernfcßädel, der aus wenigen ftillen Flächen zufammengefügt ift, die fcharf
aneinander ftoßen. So feßr die abgezehrten (Hangen, überhaupt die mageren Formen
des Gefichtes von unerhörtem Leiden am Kreuze künden, fo lagert doch über dem
Äntlits ein Abglanz himmlifcßer Ruhe und feliger Verklärung. Die FJaare find in ge-
wölbte Streifen gelegt, links fallen zwei, rechts eine zapfenartig gedrehte und wellig
bewegte Fjaarfträßne auf die mageren Schultern herab. Qm das Fjaar ift eine breit-
wulftige Dornenkrone gewunden, die aus wirklichem Strick befteht. Das Gefid)t ift
fd)mal und langgezogen, die Augen wölben fid) fanft aus fcharfgefchnittenen Fjößlen
hervor und find leife geöffnet, die langgeftreckte Nafe fd)iebt fleh als wuchtiger Keil
in das flache Bügelgelände des Geflehtes. Scharf fpringen die Backenknochen heraus;
von den Nafenwinkeln führen zwei Faltenfurchen zum Munde herab. Der ift leife ge-
öffnet, von einem friedlichen, ergebungsvollen 3u9e umfpielt. Das Kinn umfängt ein
Bartkranz aus kleinen, zierlich gedrehten Locken. Die Ohren find klein und auffallend
ornamental gebildet.
Cief fit}t der fjals zwifchen den hochgezogenen, fpitjen Schultern. Der ganze Körper
ift merkwürdig fd)lank und flach gepreßt, ohne größere kubifeße Entfaltung. Die Be-
handlung der Oberfläche ift eine ausgefproeßen zeießnerifeße. Naßezu parallel laufen
die Konturen des Oberkörpers. Leife ift der Bruftkorb erßößt, als fanfte (Qölbung fteigt
die Baucßpartie aus flacher Mulde empor. Bruftbein und Rippen find mit wenigen
Strießen in die Form gekerbt. Aus diefem ftillen Formenkomplex brechen die Arme
heraus, in leicßt bewegtem Qmriß, in ßartwinkliger Knickung, mit fpitjen Ellenbogen in
den Raum fteeßend. Die Bände mit den tiefen (Qundmalen find oberhalb der Bruft-
wunde fo übereinandergefeßoben, daß die Linke dabei nach vorn zu liegen kommt.
Es ift eine Gebärde von erhabener Craurigkeit.
Ganz gefcßloffen ift die Behandlung des Unterkörpers. Büften, Oberfcßenkel und
linkes Knie find von einem eng anliegenden Schamtuch bedeckt. Drückt ficß der rechte
Oberfcßenkel feft durch, fo daß nur wenige, die Rundung betonende Spannfalten ent-
fteßen, fo erfeßeint das Cucß über dem linken Oberfcßenkel ein wenig gelockert. Bier
find lange gebogene Faltenfurcßen eingegraben, die in genau parallelen (Uindungen
ßerabgleiten. Rechts hängt ein längerer, links ein kurzer, tütenartig gedrehter 3>Pfe^
ßerab, der bei der reinen Frontalanpcßt nießt zu feßen ift. Die Beine, mit glatter Ober-
fläche und harter Scßienbeinkante, find leicßt nach vorn gewinkelt. Der rechte Fuß ift
mit einem mächtigen Eifennagel über den linken genagelt. Die 3eßen find heftig ge-
krampft — hier lebt noeß ein leifer Nachhall des Martertodes.
1 Pinder, Mittelalterliche Plaftik ttlürzburgs. S. 67, Caf. 21.
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