Neue Büd)er
man einmal in dem dod) gewißenpafteß zu-
fammenftellenden Buche „Das Glas" von Robert
Schmidt nach. Man wird dann erft erftaunt
fehen, was eigentüd) Pazaurek in diefer Spezial-
gefd)id)te, die allerdings aus der geradezu un-
heimlichen Settelkaften- und Forfcherfammlung
eines Lebensalters hervorgewadrßen iß, leiftet.
Das für die Gefchichte des ganzen Kunftge-
werbes erzielte Refultat darf dahin formuliert
werden, daß in einer gerade auf kunftgewerb-
lichem Gebiet fonft als Verfall geltenden 3eit
das deutfdjböhmifche Glas in einem ganz be-
trächtlichen Fjochftand, ja in einzelnen Äbfcßnitten
in einer felbftändigen Vollkommenheit vor uns
fteht, dem nichts anderes feiner 3eit an die
Seite treten kann. Nationalökonomie!) tritt die
merkwürdige Erfcheinung klar zutage, wie in
einer Seit wirtfd)aftlid)er Ärmut ein befonderer
3weig des Kunftgewerbes, mitverurfacht durd)
die erzwungene Sparfamkeit, pch eine interna-
tionale Bedeutung durch das gefd)ickte Inein-
andergreifen von inneren und äußeren Qrfachen
erringt.
Im Speziellen dürfen dann die weiteftgehenden
ted)nifchen Detailkenntniffe hervorgehoben wer-
den, die einer fold)en Spezialunterfucßung erft
ihren ßd)eren Grund geben. Daraus erwächß
dann der klare Hufbau des Klerkes in Glasfdjliff,
geblafene und gepreßte Gläfer, Cieffcßnitt, Fjoch-
fdjnitt, Kuglergraveurarbeiten, Malerei, Farben-
gläfer, hyalith und Lithyalin, venetianifche
Nachahmungen, eingeglafte Paften, Doppelwand-
gläfer ufw. In allen Gebieten wird nicht nur
das Hllgemeine herausgearbeitet, fondern im
perfönlich Künftlerifdjen kommt gerade der
Künftler mit feinem teilweife intimften Klerde-
gang zur Geltung, fo daß mehr wie ein pfycho-
logifd) intereffantes Charakterbild entworfen
wird; denn eigenartigerweife waren gerade die be-
deutenden Glaskünftler knorrige und fchrullige
Menfcben, fo richtige verbohrte Deutfcpe und
Spitjwegmenfchen, die über ihrer „Sache“ die
übrige Menfchheit vergaßen und fo, arm und
verkannt, ein zurückgezogenes Leben führten.
Nicht nur aus faft ganz unbekannter Lokallite-
ratur der 3eitfcpriften, 3eitungen, alter Verlags-
kataloge und Äusftellungsberichte werden diefe
vergeffenen Künftler herausgeholt, fondern auch
aus faft fchon der Vernichtung verfallenen Manu-
fkripten und Cagebücpern. Den bedeutendften
wiffenfdjaftlichen 3uwad)S erfährt die Hbteilung
des Biedermeierglasfdrinittes, wo nun neben dem
auch erft durch Pazaurek bekannten Dominik
Bimann, einem wirklich hervorragenden Porträt-
glasfchneider, eine ganze Fülle von Namen aus
Steinfchönau, Fjeida, dem Ifer- und Riefenge-
birge, Karlsbad, Öfterreicp-tlngarn, Süd-, Mittel-
und Norddeutfchland ftehen, die mit vorhandenen
iüerken in 3ufarnmenhang gebracht werden
können und damit künftlerifö) greifbar pnd. Da-
mit ift aber nicht nur eine Hlexandrir.erarbeit
zur Rehabilitierung beffer vergeffener Menfcpen
geleiftet, fondern wir bekommen Qualitätsarbeiten,
die bisher vielfach in fürftlichem oder privatem
Beplj, nicht feiten in Rußland waren, vorgeführt,
wodurch uns eine ganz neue Bewertung der
Gefamtleiftung möglich wird. Hber auch bei
fchon bekannteren Gruppen wie bei Mohn, Kotp-
gaffer, Mildner und ihren Schulen, bei der Cätig-
keit Friedrich Egermanns wird über die überall
forgfältig verarbeitete Literatur weit hinaus-
gegangen, mit unzähligen, von Mund zu Buch
fortgetragenen Irrtümern aufgeräumt und ein
möglichft vollftändiges Bild zu geben verfucht,
das pch bei Mildner zu einer völligen Mono-
graphie mit einem umfaffenden Katalog feiner
fämtlicpen Gläfer, nach Jahren geordnet, aus-
weitet. Ein ausgezeichnetes Namens-, Orts-
und Provenienzregiper macht das Buch für den
praktifchen Gebrauch unmittelbar verwendbar,
auch wenn einer das ganze, wenn auch gut
lesbar gefepriebene, umfangreiche Buch nicht
konfumieren kann oder will.
Huf alle Fälle iß dies neue Klerk von Pazaurek
ein Standwerk der internationalen Glasliteratur,
das überaus befruchtend auf Sammler, Mufeen
und Klißenfcpaftler wirken wird. Hn den Aus-
führungen felbft beßerwißend zu kritifieren wird
auch dem engften Spezialforfcper „in Glas“ un-
möglich fein; dagegen werden auf diefen grund-
legenden Forfchungen erß weitere ünterfuep ungen
aufgebaut werden können; denn Pazaurek hat
nirgends die Lücken verhüllt, wo fie pch in
feinem Material zeigten, fondern gerade auf ihre
notwendige künftige Ergänzung pingewiefen.
Mit befonderem Lob dürfen auch bei den
Schwierigkeiten guter Glasaufnahmen die fchönen
Photographien und die ausgezeichneten Klifcpees
hervorgehoben werden, wie überhaupt das Buch
von gediegenfter Äusßattung ift. Georg Lill.
Rudolf Oldenbourg, Die Münchner Male-
rei im 19. Jahrhundert. F. Bruckmann, A.-G.
München 1922.
Erft jefet vermag die Münchner Kunß des 19. Jahr-
hunderts Gegenftand gefchichtlicher ünterfuepung
zu werden. Dem Miterlebenden nimmt der Mangel
an Entfernung, dem unmittelbar Folgenden der
natürliche Gegenfatj des Erben die fachliche Ob-
jektivität. 3ur Überficßt über Klirkungen und
Entwicklungen bedarf es des Hbßandes mehrerer
Gefchlechter. Deshalb konnte Pecht noch keine
Gefchichte der Münchner Malerei des 19. Jahr-
hunderts fchreiben. Es ift kaum glaublich, wie
oft und in welchem Grade zu parke Nähe dem
kenntnisreichen Verfaßer den Blick trübt. Leibi
etwa erhält (1888!) ein befcheidenes Plä^lein
zwifchen Mathias Schmid und Grüpner, und es
wird ihm als der Begabtere Fjugo Kaußmann
gegenübergeftellt. Dazu kommen falfche grund-
fäjjlicpe Einpellungen, wie z. B. die Meinung,
politifcper und künftlerifcher Huffcßwung gingen
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man einmal in dem dod) gewißenpafteß zu-
fammenftellenden Buche „Das Glas" von Robert
Schmidt nach. Man wird dann erft erftaunt
fehen, was eigentüd) Pazaurek in diefer Spezial-
gefd)id)te, die allerdings aus der geradezu un-
heimlichen Settelkaften- und Forfcherfammlung
eines Lebensalters hervorgewadrßen iß, leiftet.
Das für die Gefchichte des ganzen Kunftge-
werbes erzielte Refultat darf dahin formuliert
werden, daß in einer gerade auf kunftgewerb-
lichem Gebiet fonft als Verfall geltenden 3eit
das deutfdjböhmifche Glas in einem ganz be-
trächtlichen Fjochftand, ja in einzelnen Äbfcßnitten
in einer felbftändigen Vollkommenheit vor uns
fteht, dem nichts anderes feiner 3eit an die
Seite treten kann. Nationalökonomie!) tritt die
merkwürdige Erfcheinung klar zutage, wie in
einer Seit wirtfd)aftlid)er Ärmut ein befonderer
3weig des Kunftgewerbes, mitverurfacht durd)
die erzwungene Sparfamkeit, pch eine interna-
tionale Bedeutung durch das gefd)ickte Inein-
andergreifen von inneren und äußeren Qrfachen
erringt.
Im Speziellen dürfen dann die weiteftgehenden
ted)nifchen Detailkenntniffe hervorgehoben wer-
den, die einer fold)en Spezialunterfucßung erft
ihren ßd)eren Grund geben. Daraus erwächß
dann der klare Hufbau des Klerkes in Glasfdjliff,
geblafene und gepreßte Gläfer, Cieffcßnitt, Fjoch-
fdjnitt, Kuglergraveurarbeiten, Malerei, Farben-
gläfer, hyalith und Lithyalin, venetianifche
Nachahmungen, eingeglafte Paften, Doppelwand-
gläfer ufw. In allen Gebieten wird nicht nur
das Hllgemeine herausgearbeitet, fondern im
perfönlich Künftlerifdjen kommt gerade der
Künftler mit feinem teilweife intimften Klerde-
gang zur Geltung, fo daß mehr wie ein pfycho-
logifd) intereffantes Charakterbild entworfen
wird; denn eigenartigerweife waren gerade die be-
deutenden Glaskünftler knorrige und fchrullige
Menfcben, fo richtige verbohrte Deutfcpe und
Spitjwegmenfchen, die über ihrer „Sache“ die
übrige Menfchheit vergaßen und fo, arm und
verkannt, ein zurückgezogenes Leben führten.
Nicht nur aus faft ganz unbekannter Lokallite-
ratur der 3eitfcpriften, 3eitungen, alter Verlags-
kataloge und Äusftellungsberichte werden diefe
vergeffenen Künftler herausgeholt, fondern auch
aus faft fchon der Vernichtung verfallenen Manu-
fkripten und Cagebücpern. Den bedeutendften
wiffenfdjaftlichen 3uwad)S erfährt die Hbteilung
des Biedermeierglasfdrinittes, wo nun neben dem
auch erft durch Pazaurek bekannten Dominik
Bimann, einem wirklich hervorragenden Porträt-
glasfchneider, eine ganze Fülle von Namen aus
Steinfchönau, Fjeida, dem Ifer- und Riefenge-
birge, Karlsbad, Öfterreicp-tlngarn, Süd-, Mittel-
und Norddeutfchland ftehen, die mit vorhandenen
iüerken in 3ufarnmenhang gebracht werden
können und damit künftlerifö) greifbar pnd. Da-
mit ift aber nicht nur eine Hlexandrir.erarbeit
zur Rehabilitierung beffer vergeffener Menfcpen
geleiftet, fondern wir bekommen Qualitätsarbeiten,
die bisher vielfach in fürftlichem oder privatem
Beplj, nicht feiten in Rußland waren, vorgeführt,
wodurch uns eine ganz neue Bewertung der
Gefamtleiftung möglich wird. Hber auch bei
fchon bekannteren Gruppen wie bei Mohn, Kotp-
gaffer, Mildner und ihren Schulen, bei der Cätig-
keit Friedrich Egermanns wird über die überall
forgfältig verarbeitete Literatur weit hinaus-
gegangen, mit unzähligen, von Mund zu Buch
fortgetragenen Irrtümern aufgeräumt und ein
möglichft vollftändiges Bild zu geben verfucht,
das pch bei Mildner zu einer völligen Mono-
graphie mit einem umfaffenden Katalog feiner
fämtlicpen Gläfer, nach Jahren geordnet, aus-
weitet. Ein ausgezeichnetes Namens-, Orts-
und Provenienzregiper macht das Buch für den
praktifchen Gebrauch unmittelbar verwendbar,
auch wenn einer das ganze, wenn auch gut
lesbar gefepriebene, umfangreiche Buch nicht
konfumieren kann oder will.
Huf alle Fälle iß dies neue Klerk von Pazaurek
ein Standwerk der internationalen Glasliteratur,
das überaus befruchtend auf Sammler, Mufeen
und Klißenfcpaftler wirken wird. Hn den Aus-
führungen felbft beßerwißend zu kritifieren wird
auch dem engften Spezialforfcper „in Glas“ un-
möglich fein; dagegen werden auf diefen grund-
legenden Forfchungen erß weitere ünterfuep ungen
aufgebaut werden können; denn Pazaurek hat
nirgends die Lücken verhüllt, wo fie pch in
feinem Material zeigten, fondern gerade auf ihre
notwendige künftige Ergänzung pingewiefen.
Mit befonderem Lob dürfen auch bei den
Schwierigkeiten guter Glasaufnahmen die fchönen
Photographien und die ausgezeichneten Klifcpees
hervorgehoben werden, wie überhaupt das Buch
von gediegenfter Äusßattung ift. Georg Lill.
Rudolf Oldenbourg, Die Münchner Male-
rei im 19. Jahrhundert. F. Bruckmann, A.-G.
München 1922.
Erft jefet vermag die Münchner Kunß des 19. Jahr-
hunderts Gegenftand gefchichtlicher ünterfuepung
zu werden. Dem Miterlebenden nimmt der Mangel
an Entfernung, dem unmittelbar Folgenden der
natürliche Gegenfatj des Erben die fachliche Ob-
jektivität. 3ur Überficßt über Klirkungen und
Entwicklungen bedarf es des Hbßandes mehrerer
Gefchlechter. Deshalb konnte Pecht noch keine
Gefchichte der Münchner Malerei des 19. Jahr-
hunderts fchreiben. Es ift kaum glaublich, wie
oft und in welchem Grade zu parke Nähe dem
kenntnisreichen Verfaßer den Blick trübt. Leibi
etwa erhält (1888!) ein befcheidenes Plä^lein
zwifchen Mathias Schmid und Grüpner, und es
wird ihm als der Begabtere Fjugo Kaußmann
gegenübergeftellt. Dazu kommen falfche grund-
fäjjlicpe Einpellungen, wie z. B. die Meinung,
politifcper und künftlerifcher Huffcßwung gingen
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