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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0272

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FJand in PJand, der Klaffizismus [ei daher un-
deutfd) und [d)led)t, die Kunft nach 1870 natio-
nal und gut. Keinem über das bloß Statiftifche
hinausgehenden FJiftoriker bleiben folche Irrtümer
erfpart; doch vermindert [id) ihre Gefährlichkeit
mit der GQeite des Blickfeldes.
ttlill man heute die verworrene Münchner
Kunft des 19. Jahrhunderts in die großen 3U~
fammenhänge einordnen, fo darf man nicht unter-
laßen, die FJauptperfönlichkeiten herauszuftellen.
FJier i[t noch viel Vorarbeit zu leiften. tüeit
ausholende Monographien in der Art von Kuhns
Cornelius, Cüeigmanns Schwind, ühdes Spitj-
weg, [üaldmanns Leibi find nicht eben zahlreich.
Cüilhelm Kobell hat unlängft durch Oüaldemar
Le [fing die gewünfchte GQürdiqung erfahren (das
Buch erfchien gleichzeitig mit Oldenbourgs [Clerk
bei Bruckmann). 3ufammenfaffend [teilt Feulner
in [einer „Münchner Malerei um 1800“ (Fjeine-
mannkatalog 1920) für jene Jahrhundertwende die
entfcheidenden Kriterien auf. Aus der Folgezeit
ift die Land[d)aftsmalerei mehrmals mit Liebe
behandelt worden, von Fjöhn, Paul Ferdinand
Schmidt und ühde-Bernays; eine wertvolle
Ergänzung zu diefen mehr kritifchen ünter-
fuchungen bietet die hübfche Quellenzufammen-
[tellung von G. J. Cllolf: „Die Entdeckung der
Münchner Landfdjaft“ (fjanfftaengl, 1921). hin-
gegen fehlte bisher die Fortfetjung zu der ver-
dienftvollen Studie Feulners, ein CCIerk, das vom
heutigen Standpunkte aus rückfchauend die Ak-
zente [o fei^t, wie Perfjt ße noch nicht verteilen
konnte. Den Ruftrag, das Buch zu [chreiben,
erhielt Rudolf Oldenbourg. Er hat den erften
Band, die 3ßit bis 1850 umfaffend, noch felbft
vollenden können. Man durfte von dem Ver-
faffer, dem durch Fjeimat- und Familienüber-
lieferung [ein Stoff von der Jugend an vertraut
war, mehr erwarten als eine bloß fachlich rich-
tige und erfchöpfende Darftellung; in der Cat
ift ein [Clerk mit weiten Ausblicken und klug
abwägendem CIrteil entftanden. Der feinfinnige
Rubenskenner weiß auch einem Cornelius und
Kaulbad) die Gerechtigkeit zuteil werden zu
laffen, die ihnen gebührt. Einleitend gibt Olden-
bourg einen Überblick über die Münchner Male-
rei am Ende des 18. Jahrhunderts, aus der die
ttlerke Dorners des Älteren und Edlingers l)er-
vorragen. Diefe heimifche Schule erhält durch
den 3UZU9 der pfälzifchen Künftler Klotj, Keller-
hoven, Männlich, Franz und Ferdinand Kobell
Auffrifchung. Die Erneuerung kommt zunächft
der Landfchaft zugute. Dillis, der jüngere Dor-
ner, CClagenbauer, CCIilhelm Kobell, Dominik
Quaglio find die Führer diefer an niederlän-
difchen Vorbildern fiel) [chulenden Richtung, aus
der fpäter noch Älbrecht Adam, Peter Fjeß und
Bürkel hervorgehen. Der bodenwüchfigen und
volkstümlichen Landfchafts- und Fachmalerei
wirkt die 1800 gegründete Akademie entgegen,
die unter Peter Langer den Boden für Corne-

lius vorbereitet. Die mächtige Geftaltungskraft
und den ethifchen Ernft der Glyptothek- und Lud-
wigskirchfresken erreicht keiner der Nachfolger
des Cornelius, am wemgften der zu feinen Leb-
zeiten ftark überfchätjte Kaulbad). Clnter der Ein-
wirkung der großen klafpziftifchen Kompoßtion
erwächft auch eine ideaiiftifche Landfchaftsmale-
rei; ihr Begründer ift Koch, ihr wichtigster Ver-
treter Rottmann. Die ftrenge Form des Klaffi-
zismus bricht die Romantik, Cüohl kennt Mün-
chen nicht die Parifer Kämpfe; Cornelius fteht
nid)t, wie Ingres, ein Delacroix gegenüber; fon-
dern die erften Münchner Romantiker, wie Neu-
reuther und Genelli, find noch halbe Klaffiziften.
Erft in Schwind gelangt die Münchner Roman-
tik zum Durd)brud). Mit il)m fchließt die dar-
gelegte Entwicklung.
Es ift die Münchner Kunft Ludwigs I., die
Oldenbourg zu [d)ildern unternahm. Eine Cllür-
digung der Perfönlid)keit des Monarchen, der,
feiner 3eit vorauseilend, angefeindet und miß-
verftanden, das heutige München gefchaffen hat,
durfte dem vortrefflichen, mit gut gewählten
Bildern verfehenen Buche nicht fehlen. Mit
diefem CCIerke, deffen Drucklegung er nid)t mehr
erlebte, hat Oldenbourg nicht nur der Kunft feiner
Vaterftadt ein fchönes Denkmal errichtet, fon-
dern einen bleibenden Grundftein für die Ge-
fd)id)ts[d)reibung der deutfd)en Kunft des 19.Jahr-
hunderts gelegt. Baum.
Julias Meier - Graefe, Entwicklungsge-
schichte der modernen Kunst. Zweite
Aufl. Mit 643 Abb. Dritt. Bd. R. Piper & Co.
München.
Ein wundervolles Buch auch in der zweiten
Auflage, die nun mit dem dritten Bande endlich (!)
vollendet vorliegt. Eine höchft anregende und
anziehende Lektüre, auch da, wo das Gefchrie-
bene zu unbegrenztem Cüiderfprud) reizt, mit
dem Siegel des echten Schriftftellers überall
verfehen, des Schriftftellers, deffen Reiz fein
Mangel an Objektivität und die Grazie feines
perfönlichen Clrteils ift. CInd endlich ein technifd)
vorzüglich gelungenes CCIerk, mit jener Sorgfalt
entworfen und durchgeführt, die alle wefent-
lichen Bücher des Piperfchen Verlages kenn-
zeichnet, voll gediegener Monumentalität in der
Crias diefer fchlichten 5albleinenbände, ohne
fchwerfällig und unhandlich zu fein; mit feinen
insgefamt 700 Seiten Cext und 643 Abbildungen
ein wahres Standardwerk moderner Kunftliteratur.
Unmöglich, ohne größte CCIeitfchweipgkeit, auf
die ünterfchiede der zweiten von der erften
Auflage einzugehen. Es ift beinahe ein gänz-
lich verwandeltes Buch geworden: fo grund-
legend hat Meier-Graefe feine Dispofitionen ge-
ändert und feine Meinungen, dem Cüandel von
zwei Jahrzehnten entfprechend, revidiert, CClie
die erfte, ift die zweite Auflage der Bibliothek
jedes Kunftfreundes unentbehrlich geworden, ja

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