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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Biermann, Georg; Redon, Odilon [Gefeierte Pers.]: Odilon Redon
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0324

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es eine Laune des Sdpckfals in den Dienft der zu [einen Lebzeiten nod) Mode ge-
wefenen Fjiftorienmalerei gezwungen. Liebenswert ift vielmehr Redons Kunft nur inner-
halb der ihm und [einem Können von Natur gewie[enen Grenzen. Die aber füllt eine
Phantafie aus, wie [ie reiner nicht in der Kun[t des 19. Jahrhunderts jemals befanden
hat. Die[e Phantafie eines geborenen Märchenerzählers mit nach 0[ten zurückgewen-
detem Blick aber i[t gerade das, was Odilons Klerk der Gegenwart [o [elt[am nahebringt.
Und dann muß ge[agt werden, da wir immerzu und in er[ter Linie an den Maler
denken, daß bei Redon die Farbe alles i[t und daß die[e wiederum Äusdruck jener
„culture de la peinture“ ift, wie [ie dem Franzofen vor anderen einmal im Blute fteckt.
Die Gemälde diefes Künftlers find ein Feuerwerk, das [ich jedesmal von felbft ent-
zündet, [obald der Pinfel anhebt. Kriftallinifd) ftehen die Farbtupfen nebeneinander,
entzündet von einem immerwährenden inneren Feuer, wie es nur Demanten, Cürkifen
und Smaragden eignet, fjöchftes Raffinement fcheint hier wie von felbft in beinahe
fpielerifcher Nonchalance Effekte bewirkt zu haben, die es ähnlich bisher in der euro„
päifchen Malerei noch nicht gab. Man denkt hin und wieder unwillkürlich an perpfch-
indifche Miniaturen oder an die frühen Emails aus romanifcher 3eit, fo unerhört
verwirrend berückt die Melodie diefer Farben. Ein wunderbarer 3auberer ift [chon
diefer Maler Redon. Einmal, weil feine Phantafie immer Äuftrieb über den Alltag hin-
aus ift, mehr noch, weil das Konzert feiner Farben den Befchauer wie von ungefähr
in höhere Regionen entführt.
Dabei das Seltfame, daß diefer Meifter erft verhältnismäßig fpät überhaupt zur Farbe
kam. Der Schüler eines Bresdin wurde zunächft 3eichner und Graphiker. Über den
wäre ein eigenes Kapitel zu fchreiben, hätte es nicht bereits Roger-Marx in feiner Studie
eingehend abgehandelt. Nur foviel mag angedeutet fein, daß lebten Endes auch der
3eid)ner Redon voraufdeutend bereits das Kiefen feiner Malerei preisgibt. Man
nannte ihn einen Myftiker. Er felbft [prid)t einmal von den Klärmegraden der 3onen,
die hier mehr den Äusdruck in einfachem Schwarz-Kleiß, dort mehr die farbige Glut
erheifchen. Und merkwürdigerweife will er [ich bei der Gelegenheit in feinen zeich-
nerifchen Leiftungen rechtfertigen. Sicher hat er damals noch nicht geahnt, daß gerade
er wie keiner feiner 3ßdgenoffen ähnlich berufen gewefen ift, nicht nur die malerifche
Cradition Frankreichs fortzufetjen, fondern in gewiffem Sinne felbft über den Kubis-
mus hmsmszuführen. Denn die reine explofive Glut der Farbe, die auch die üheorie
abftrakter Kunft im Geifte des Sinnlich-Meditativen wieder zur Geltung bringen wollte,
ift bei ihm längft vorhanden, wobei gefagt werden darf, daß bei folcßer Parallelität
der literarifche Bildinhalt eines Redon nichts bedeutet. Einheit aber von Menfch
und Klerk ift auch bei diefem Meifter einziger Schlüffel zum Verftändnis. Kein
Schöpfer kam über das hinaus, was im Menfchen felbft verfchloffen ruht. Das Spucken
in den Kosmos unferer Jungen ift gottlob endlich als Charlatanerie entlarvt. Mit
Rülpfen allein macht man keine Kleltanfchauung. Entweder man ift auf der Linie
eines Redon ein Dichter und Künftler und hat als foldjer die Ehrlichkeit in üun und
Denken oder man foll den üraum begraben, weil man fowiefo morgen fd)on unter
dem Vorbild des Echten erliegt.
Von Odilon Redon nun exiftieren menfchliche Dokumente, die in einem koftbaren
Buch vereinigt pnd und die nach dem Code des Meifters die Klitwe gefammelt hat1.
Diefe Briefe find ganz der Menfch- Erfchütternd vor allem in diefer Sammlung die
Bekenntniffe gegenüber dem Krieg, die der Künftler nod) bis kurz vor feinem Uod
feinem Soi)ne Äri ins Feld fandte. Daß wir fcßlechthin die „boeßes“ find und daß
immerzu von einem graufamen und unmenfd)licl)en Feind die Rede ift, muß man felbft-
verftändlid) dem Franzofen und der Vaterliebe zugute halten. Klären wir fo fchledpt,

1 Lettres d’Odilon Redon 1878—1916. Publiees par sa famille. G. van Oest & Cie. Paris et
Bruxelles 1923.

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