Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0329
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Biermann, Georg; Redon, Odilon [Gefeierte Pers.]: Odilon Redon
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wie es unter dem Bangen um den Sohn diefer Siebzigjährige ausfprid)t, der trofe
allem den Krieg verabfd)eut, germanifche Sammler wie der Holländer Bonger, die
Schweizer Bügler und ßahnlofer *n Winterthur hätten fid) nimmer fo früh zu einem
Odilon Redon finden können. Diefe Verkennung des Gegners kann nur den Patrioten
adeln, der fd)ließlid) felbft über diefem Krieg zufammengebrochen ift. Aber in diefem
ftattlid) ausgeftatteten Bande, der mit dem Jahre 1878 beginnt, d. h- mit der 3eit, in
der fid) zum erftenmal der Maler Redon nach dem 3eid)ner durchgefetjt hat, gibt es
ein halbes hundert von Briefen an die Freunde, die Gattin ufw., die vor 1914 ent-
ftanden find und die zu dem Schönften zählen, was je die Feder eines Künftlers über
fid), die alte Kunft und die ^e\t niederfd)rieb. Aud) dabei denkt man wieder unwill-
kürlich an die Delacroix, die Fromentin, Gauguin und Ändere, die wie Odilon Redon
Meifter des Gedankens und des künftlerifchen Gefühles gewefen find, ünd wie wir
Deutfche heute etwa das literarifd)e Vermächtnis einer Paula Moderfohn heilig halten,
fo wird fichjer der Franzofe diefe „lettres d’Odilon Redon“ lieben.
Nun taucht die Frage auf, ob man ohne die Kenntnis diefer Briefe einen Meifter
wie Redon etwa weniger lieben würde, ünd diefe Frage muß unbedingt verneint
werden. Denn diefe Dokumente find nur Beftätigung deffen, was die Bilder fagen.
Schön, daß der naive, unbeachtet gebliebene Menfch — wie \)i2r — auch dem Künftler
fein Signum aufprägt, aber im Sinne der Wertung der reinen gottgefälligen Schöpfung
eines Odilon Redon haben die fd)riftlid)en Dokumente lebten Endes keine Bedeutung.
Man ift beftenfalls dankbar für die Beftätigung jener Überzeugung, die einmal fo
fd)wer den Menfd)en von feinem Werk trennen mag, del refto ift Odilon immer nur
Der, der er in feinen Bildern war.
Seltfam, daß beim Äbfcßluß eines folcßes Bekenntniffes fchließlid) doch noch ein
Schatten auftaucht und der heißt diesmal Rouffeau, der 3öllner. Man foll das Ge-
fießt diefes alten Douanier nicht verkennen. Er, phantafiebegabt wie fein Landsmann
Redon, weniger kultiviert, Ausdruck bourgeoifen Inftinktes gegenüber dem Äriftokraten
Odilon und weniger, im Fjinblick auf die Farben, von den opalifierenden Sonnenreflexen
getroffen und gebannt, hat trofedem den gleichen Weg befchritten, wie fein fo viel
reicherer Vorgänger. Von der Frühlingsidylle eines Redon zu dem blutrot reinen
Fjerbft eines Rouffeau ift ein kürzerer Schritt als heute vielleicht all die glauben wollen,
die fid) vor dem einen längft in Bekenntnis neigen, den anderen aber gern als einen
Irrtum diefer neuen 3eit abtun möchten.
Karl Röffing. Qolzfdjnitt.
allem den Krieg verabfd)eut, germanifche Sammler wie der Holländer Bonger, die
Schweizer Bügler und ßahnlofer *n Winterthur hätten fid) nimmer fo früh zu einem
Odilon Redon finden können. Diefe Verkennung des Gegners kann nur den Patrioten
adeln, der fd)ließlid) felbft über diefem Krieg zufammengebrochen ift. Aber in diefem
ftattlid) ausgeftatteten Bande, der mit dem Jahre 1878 beginnt, d. h- mit der 3eit, in
der fid) zum erftenmal der Maler Redon nach dem 3eid)ner durchgefetjt hat, gibt es
ein halbes hundert von Briefen an die Freunde, die Gattin ufw., die vor 1914 ent-
ftanden find und die zu dem Schönften zählen, was je die Feder eines Künftlers über
fid), die alte Kunft und die ^e\t niederfd)rieb. Aud) dabei denkt man wieder unwill-
kürlich an die Delacroix, die Fromentin, Gauguin und Ändere, die wie Odilon Redon
Meifter des Gedankens und des künftlerifchen Gefühles gewefen find, ünd wie wir
Deutfche heute etwa das literarifd)e Vermächtnis einer Paula Moderfohn heilig halten,
fo wird fichjer der Franzofe diefe „lettres d’Odilon Redon“ lieben.
Nun taucht die Frage auf, ob man ohne die Kenntnis diefer Briefe einen Meifter
wie Redon etwa weniger lieben würde, ünd diefe Frage muß unbedingt verneint
werden. Denn diefe Dokumente find nur Beftätigung deffen, was die Bilder fagen.
Schön, daß der naive, unbeachtet gebliebene Menfch — wie \)i2r — auch dem Künftler
fein Signum aufprägt, aber im Sinne der Wertung der reinen gottgefälligen Schöpfung
eines Odilon Redon haben die fd)riftlid)en Dokumente lebten Endes keine Bedeutung.
Man ift beftenfalls dankbar für die Beftätigung jener Überzeugung, die einmal fo
fd)wer den Menfd)en von feinem Werk trennen mag, del refto ift Odilon immer nur
Der, der er in feinen Bildern war.
Seltfam, daß beim Äbfcßluß eines folcßes Bekenntniffes fchließlid) doch noch ein
Schatten auftaucht und der heißt diesmal Rouffeau, der 3öllner. Man foll das Ge-
fießt diefes alten Douanier nicht verkennen. Er, phantafiebegabt wie fein Landsmann
Redon, weniger kultiviert, Ausdruck bourgeoifen Inftinktes gegenüber dem Äriftokraten
Odilon und weniger, im Fjinblick auf die Farben, von den opalifierenden Sonnenreflexen
getroffen und gebannt, hat trofedem den gleichen Weg befchritten, wie fein fo viel
reicherer Vorgänger. Von der Frühlingsidylle eines Redon zu dem blutrot reinen
Fjerbft eines Rouffeau ift ein kürzerer Schritt als heute vielleicht all die glauben wollen,
die fid) vor dem einen längft in Bekenntnis neigen, den anderen aber gern als einen
Irrtum diefer neuen 3eit abtun möchten.
Karl Röffing. Qolzfdjnitt.