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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Kreisel, Heinrich: Zwei Pariser Prunkwagen des Münchner Marstallmuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0339

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3wei Parifer Prunkwagen des Münchner

Von HEINRICH KREISEL / Mit
vier Abbildungen auf zwei Tafeln


Die Staatskaroffe war wichtiges Requißt einer Hofhaltung im 17. und 18. Jahr-
hundert. Bei den zahlreichen feftlicßen Einzügen, in denen [ich das Bedürfnis
der 3eit nach 3urfchauftellung von Prunk befonders gut ausleben konnte, gaben
die goldftrobenden Karoffen innerhalb der farbenprächtigen Uniformen und der Schar
der mitgeführten reich „harnacßierten“ Pferde erft dem 3ug die befondere Note. Auf
die künftlerifche Ausstattung des Hägens mußte das im Dienfte des Fjofes fteljende
Kunftgewerbe der 3^ nicht weniger Hert legen als auf die des Möbels oder des
Raumes. Erfte Ornamentftecher befriedigten mit Vorlageftichen von (Hagen das Be-
dürfnis nach neuen Modellen. Frankreich gab auch hißr den Eon an für das übrige
Europa; und die „menuisiers carossiers“ in Paris entfalteten einen ähnlich feßwung-
haften Export an die europäifeßen F)öfe wie die „ebenistes“. 3eugnis davon geben
auch die beiden Parifer Prunkwagen des neueröffneten Marftallmufeums in München1. —
Der erfte Hagen (Äbb. 1—3), im Inventar von 17782 als „Parifer Hagen“ belegt
und 17963 als „der große Frankfurter Krönungswagen“ erwähnt, diente dem Kurfürften
Carl Älbrecht von Bayern 1742 bei feiner Krönung als Kaifer Karl VII. als Krönungs-
wagen und traf nach Ginzrot4 von Paris auf dem Hafferweg über Straßburg im Oktober
1741 bereits in Frankfurt ein. Der Hagen foll über 100000 fl. rßein. gekoftet haben5.
Die Karoffe gehört zu der Gattung der repräfentativen höfifchen Prunkwagen. Das
Geftell, mit vergoldeten Schnitzereien auf rotem Grund zeigt den für die 3eü bereits ver-
alteten Eypus mit nur einem Langbaum, über dem der Kaften in vier langen Riemen
in Federn ruht. Der hölzerne Kaften weift im Querfcßnitt noch die leichte Erapezform
des Barock und der Regencezeit auf; er ift in feinen Rahmungen und Kanten über-
wuchert mit vergoldeten Schnitzereien. Kaftenfelder und rückwärtige Kaftenwand tragen
bemalte Fjolztafeln. Die Decke ift mit rotem gefeßorenen Samt befpannt, Mittelrofette
und Kaftengalerie find von feuervergoldeter Bronze. Derfelbe Samt findet fiel) als Be-
fpannung im Innern des Hägens und bei der Bockdecke, jeweils mit ftark reliefierten
Goldftickereien gefcßmückt.
Der Gefamteindruck des Hägens ift ungemein feßwer; die knapp an die Grenze
des Überladenen gehende Üppigkeit der Formengebung neigt mehr zu barocker Grund-
ftimmung als nacß der federnden Eleganz des Rokoko ]ßn- Sicher war hierfür das
Gebot des deutfeßen Auftraggebers maßgebend, die Beftimmung des Hägens als
Krönungskaroffe eines deutfeßen Kaifers. Im Detail jedoch (Abb. 2) leuchtet aus allen
Formen die unnachahmliche Grazie Parifer Rokokos. Bewunderungswürdig ift die felbft-
verftändlicße Sicherheit der Fläcßenverteilung, die Leichtigkeit, mit der eine Form der
anderen die Fjand reicht und die Schönheit der plaftifcßen Durchbildung, befonders
bei dem Figürlichen. — Die Kaftenfelder haben durch fpätere Übermalungen ftark ge-
litten. Der Grund der Bafeln war nach Ginzrot urfprünglicß ein einheitlich grüner
Eon. Intereffant find die Bronzeappliken, die fo unfranzöfifcß im Ornament anmuten
(Abb. 3). Nach Lipowsky waren die Befcßläge urfprünglicß von Silber und vergoldet;
ebenfo foll der Hagen beim Einzug in Frankfurt auf der Decke eine Kaiferkrone getragen
1 Kleiner Führer durch das Marftallmufeum in München, ßugo Schmidt, Verlag. München 1925.
2 Kreisarchiv München. Sign. ß. R. Fase. 91/56.
3 „Verzeichniß fämmtlicher churfürftl. üüaagen . . .u. 1796. Geh. Bausarchiv München.
1 Johann Chriftian Ginzrot: Die lüagen- und Fahrwerke der verfchiedenen Völker des Mittel-
alters und der Kutfchen-Bau neuefter Seiten. München 1830. Dritter Band. Cab. XXXIII u. S.175ff.
5 Felix Jofeph Lipowsky: Lebens- und Regierungsgefchicbte des Churfürften von Bayern Karl
Älbert, nachmaligen Kaifers Karl VJI. München 1830.

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