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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Ergänzungen und Berichtigungen zu den Verzeichnissen Heinrich Wichmanns in seinem Buch über Leonaert Bramer, Leipzig 1923
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0355

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Ausheilungen

länder, Klilke und Enfor möchte man einen Fa-
den zu ihm zurückverfolgen können. Genera-
tionen von entblättern haben il)n beerbt, den
würdigen 3eitgenoffen der Sheridan undSmollet. -
Über Lyonei Feininger habe id) mich an
diefer Stelle erft kürzlich im 3ufammenhang ge-
äußert, [o daß id) mich heute darauf befd)ränken
darf, Mitteilung von einer Husftellung feiner
F)olzfd)nitte im Corvinus - Antiquariat zu
mad)en, das mit emaillierten Kupfergeräten
(Sd)alen, Dofen, Sd)mudc) von Vollmer und
Fichtner eine hübfche kunftgewerblid)eErgän-
zung bot. —
Bei Goldfd)midt & Kiallerftein fah man
Graphik Oskar Kokofdjkas von 1908—1923.
Auch darüber wäre an diefer Stelle nid)t viel
zu fagen, diefe Lithos find ja bekannt. Immer
noch ftehen Blätter wie der hafenclever (1917),
die Mutter (1918), „Naemi“ und „Mirjam“ (1921)
obenan; das legte Jahr hat neben einem fo feurig
erlebten Kopf wie die Sdjaufpielerin Orska manch
arg Mißglücktes gebracht, ein [onderbar klobiges
Selb ftporträt und ein geradezu diskreditierendes
Liebermannbildnis. Stark fpricht die Sprödigkeit
des „gefeffelten Kolumbus“ (1914) heute an, dann
ift Kokofd)ka immer kräftiger und lockerer ge-
worden, unter faft völliger Hufgabe des nervöfen
Stilbewußtfeins feiner frühen 3eib Oft flehen
die Gefichter wie unter dem Schattendach eines
tropifchen Klaldes, fo fcheckig flockt das Licht
über pe. Manchmal tauchen fie groß und wun-
derbar aus tiefen Klirrniffen empor. 3uweilen
ftreid)t das Dunkel gnadenfad)t, troftvoll über
ihre bangen 3üge. Einige aber fehen aus wie
mit Ruß befchmiert, und das Bildnis Max Rein-
hardts wirkt fdjon mehr wie der Bericht eines
tragikomifchen Unfalls. Kokofchkas graphifche
Lockerung hat ihre anarchifchen Äugenblicke.
Es fehlt ein Kliderhalt von Sachlichkeit; daher
das nur fehr Ungefähre der Ähnlichkeit. Der
Gefamteindruck einer Perfönlichkeit verwifcl)t
fid) darüber nicht. — Klilli Klolfradt.
üliener Äusfteliungen
Kunftfalon Klürtble: Husftellung fran-
zöfifcher Impreffioniften. Kollektiv-
ausftellung Carry haufer / Künftlerhaus:
E. Nolde / F. H. Fjarta / Kriftallgalerie:
Phantaftifche Husftellung
Der Kunftfalon Klürtljle ift bei feiner Hus-
ftellung franzöfifcher Impreffioniften —
ein Uribut an die hier feit dem „3ufammen-
brud)“ graffierende (durd) Kliens künftlerifdhe
Impotenz genährte) Vorliebe für retrofpektive
Husftellungen — übel beraten gewefen. Der
Leitung war es offenbar darum zu tun, die be-
deutendften Namen des franzöfifchen Impreffio-
nismus ohne Rückfichtnahme auf die Qualität des
zur Verfügung Stehenden zu vereinen. DieCou-
lousc-Lautrecs beißende Ironie in ihrer gan-
zen Kraßheit fpiegelnde Szene im Cafe und Re-

noirs atmofphärifd) empfundene, in eitel Licht
und Luft fid) auflöfende Lithographie zweier fid)
zum Husgeben bereit machender A'lädd)en, Pif-
farros fommerlid)e Gartenlandfchaft und Ce-
zannes fehr charakteriftifche Hquarellfkizze
eines blühenden Obftgartens feien als verein-
zelte Lid)tblidte in einem Kluft von Mittelmäßig-
keit hervorgehoben. Man flüchtet bald zu den
Mappen, um deren Inhalt (Graphiken von Fan-
tin-Latour, C. Guys, Manet, Pu vis de
Cßavannes ufw.) es wefentlid) beffer beftellt ift.
Seit dem Fjerbft 1919, wo Carry Haufer bei
Miethke ausftellte, hat fid) diefer wohl begabte,
doch wenig felbftändige Künftler, der bei Klürthle
feine legten Arbeiten zur Schau [teilt, ftark ge-
wandelt. Seine damalige Vorliebe für dekorative
Klirkung (von der nod) die Häufigkeit gefd)wun-
genen Konturs und die eigentümlich zarte Uö-
riung feiner Gewalten in Blau und Rofa 3eugnis
ablegen), ift hinter dem Streben nad) Ausdruck
und Vergeiftigung zurückgetreten. Hm ftärkften
und nachhaltigften hat auf Haufer das Vorbild
George Grosz’ eingewirkt, deffen Formenfprache
und ’Cechnik er in einzelnen Blättern faft haar-
genau kopiert, ohne jedoch die Husdrucksgewalt
diefes größten Men[d)enfd)ilderers des 20. Jahr-
hunderts zu erreichen.
Der „Gefellfd)aft zurFörderung moderner Kunft
in Klien“, der wir vor aliem unferen Kontakt mit
der Neukunft des Auslandes verdanken (die in
den Kliener Kunßfalons nur in befcheidenen
Dofen und in fd)wad)en Aufgüßen kredenzt
wird), dankt Klien eine ebenfo reichhaltige wie
eindringliche Schau von Noldes Klerk. Man-
cher wird zwar in der Husftellung im Künftler-
haus das Fehlen charakteriftifcher Arbeiten der
Frühzeit miffen. Kler jedoch den reifen Künftler
in feiner ganzen, fd)öpferifd)en Vielfeitigkeit
kennenlernen will, der empfängt hier, an Hand
feiner in buntem Klechfel aufeinander folgenden
Landfcijaften, Biumenbilder, Biidniffe und reli-
giösen Szenen ein erfc3)öpfendes Bild diefes
bedeutenden Vertreters des expreffioniftifchen
Deutfchland.
Vorkämpfer eines tief in. der Natur verankerten
(dynamifchen) Expreffionismus fehen wir ii)n in
feinen überaus naturwahren, zum Berften mit
Leben erfüllten Studien von Südfeeinfulanern
noch eng mit dem Impreffionismus verknüpft,
über den er in dem Farbenraufd) feiner Land-
fchaften und Biumenbilder hinauswächft. Der
zur Hauptfacbe gewordenen Farbe (was [ich auch
in der Entwicklung feiner recht gut vertretenen
Graphik von einem linear-dekorativen Stil zu
einem rein malerifchen äußert) dient derGegen-
ftand zulegt nur mehr als Vorwand, Ausdruck
feiner Gefühlswelt ift pe es, die, wie bei
Grünewald (dem Nolde unter allen Künplern
geiftig am näcbften ßeht), feinen religiöfen Bil-
dern — im Künßlerl)aus durch „Das verlorene
Paradies“, »Jofef erzählt feine Märchen“, „Mofes
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