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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0403

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Äu Stellungen

3wittergefchöpfen aus Sehnfucht, Kraft und Un-
vermögen. Doch fdjreitet auch nad) jener fcharfen
3äfur zwifdjen materieller und immaterieller
Kunft innerhalb diefer gleichen Hälfte die Ent-
wicklung mit der zweiten 3ißiRc^>Grbeit weiter:
dem Gewimmel gefpenftifcher Flatterfdjaren folgt
das wahrhaftere, das mufikalifche, nervenhaft
erlebte Äbbild inneren und äußeren Gefchehens.
Nun wird alles und jedes intenfive Bewegtheit,
rafches Dahineilen der nervhaften Impulfe, reges
Sichbeziehen des einen Nervzentrums auf das
andere, Kontraft und Eintracht, Spannung und
Ausgleichung, — aber auch diefe mehr paffive
Richtung innerhalb des Bezirkes leidenfdjaft-
licher Konzentriertheit. Die allgemeine Verflech-
tung diefer Grundhaltung überwindet die vor-
übergehende Neigung zu kubiftifcher Formung
und zu impreffioniftifchem 3erflattern, — ftarke
öUendungen und (Hindungen, Krümmungen und
Verfchüngungen leiten den dramatifeben Impuls
weiter. Je reifer die Kunft Paul Klees wird, um
fo beftimmter und voller wird auch ihr Strich.
Die malerifchen IQerke diefer Husftellung
führen ihr eigenes Reich weniger hiftorifch-fyfte-
matifch vor, als die zeichnerifchen Stücke. An
die Stelle der logifchen Reihenfolge tritt der
nachdrückliche Stoß hoher Qualität. Ausgezeich-
nete Arbeiten, wie der herrliche „Nachtfaltertanz“,
das „Goldfifchweib“, die „Fjeilige“, daneben die
fchönen farbigen Lithographien „Fjeilige vom
inneren Licht“ und „Der Verliebte“ bezeugen für
die lebten Jahre eine eminente Stufe der Voll-
kommenheit. Fühlbarer noch als in den 3e5<h-
nungen wird hier in den Aquarellen die Inten-
ßtät der immer innigeren und zugleich weiter,
größer werdenden Befeeltheit. tüährend dort
das Nervenhafte überwiegend aufgewiefen wer-
den konnte, begibt fich hier das Ulunder der
Befeelung in immer ftärkerem und reicherem Maße.
* *
*
Dem einheitlichen Bilde Klee’fcher Entwicklung
gegenüber haben die Arbeiten Noldes einen
um fo fchwereren Stand, als folche Hauptwerke,
wie Klees „Nachtfaltertanz“1 eines ift, hier fehlen.
Einige recht fchöne „Dfcfmnken“, „Blumenftill-
leben“, Landfchaften haben gewiß mancherlei
Größe an pch, aber fie rühren nicht fo unver-
mittelt an Nerv und Seele. Das welthaft Große
diefes Meifters äußert fich hier kaum. Nennens-
wert im höheren Sinne ift einzig der „Kinder-
reigen“, ein ganz kleines Bild, überaus graziös,
lächelnd in dem verwafchenen, verblichenen
Bläulichen, Grünlichen, Rötlichen der wehenden
Kinderkleidchen. Edcart v. Sydow.
Brüffel
In der Kunft'pandlung Le Centaure ift eine
Chagall-Ausheilung eingerichtet, die erfte in
Belgien, zum Ceil aus ruffifchem Befige. Im
1 lüir ljoffen, dies Cilerk unferen Lefern demriäd)ft in
farbiger üliedergabe vorfütjren zu können. Red.

cercle artistique ftellt Jenny Montignij, eine Schü-
lerin von Emile Claus, ihre Arbeiten im Stile
des Spätimprefponismus aus. Die Kritik lobt
pe als Malerin des Kinds und des Kinderlebens. 5.
Dres den
Mitte April ift in der Galerie Arnold eine Aus-
heilung oftapatifcher Kunft eröffnet worden, die
in drei Sälen verteilt Koftbarkeiten der Malerei,
Plaftik, Ladearbeiten, Fjolzfchnitte ufw. umfaßt.
Am gleichen Lage hat Dr. Alfred Salmony vom
Oftapatifchen Mufeum in Köln einen Vortrag
über „Chinepfcpe Plaftik“ mit Lichtbildern nach
bisher unveröffentlichtem Material gehalten.
Köln
Flechtheim zeigt in einer umfangreichen Au-
fteilung Fjeinrich Nauen. Diefen Rheinländer
hat keine Akademie klein kriegen können. Von
der bewegten, van Gogh verwandten Malerei
der Vorkriegszeit ift er zu einer ganz weftlichen
Delikateffe und Abgeklärtheit gekommen. Am
fchönften pnd graziöfe Blätter in Cempera-
Cechnik, in den Farben von ungewöhnlicher
3artheit und Frifche. 3wei bedeutende weib-
liche Akte bilden den Mittelpunkt der Auftei-
lung, deren Eindrude auch ein mißlungenes Por-
trät nid)t abfchwächen kann, und die Stilleben,
Landfchaften und Graphik vergangener Jahre
glücklich ergänzen.
3u den bekannten Kölner Kunftftätten ift eine
neue hinzugekommen, Dr. O. Jaffe und Alice
Guttmann haben in einem Ceil der Galerie
Goyert eine Kunftpandlung für alte Malerei und
Plaftik aufgemacht. Die erfte Ausftellung zeigt
in derFjauptfacheHolländer, ein köftliches Fjamlet-
Bild der Fjals-Schülerin Judith Leyfter, JanBreughel,
E. de öCIitte, daneben ein füddeutphes Bildchen
aus dem Kreis des Konrad <Uih und einen kleinen
Clouet. Alfred Salmony.
Mündjen
Die Graphiphe Sammlung der Neuen Pina-
kothek zeigte eine Ausftellung von Gelegen-
heitsarbeiten, die mit Münchner Künftler-
feften des 3eilraumes 1835—1914 in 3ufammen-
hang ftehen, vorwiegend der Sammlung der
Münchner Künftlergenoffenfchaft entftammen und
von Baron von Cederftröm zufammengebracht
wurden. Programme, Maskenzugeinladungen,
Kneipzeitungen von Neureuther bis Max (Inold
waren hier vereinigt und erinnerten heute, in
ftrengerer Stunde, an den harmlofen Ulk des
19. Jahrhunderts, der fo breiten Raum in der
Vorstellung von Kunft in diefer realiftifch vir-
tuofenhaften 3eit einnahm. Eine ganze Ge-
fcpichte derartiger Produktion wäre nicht ohne
Intereffe, wenn man pe in den Rahmen feßlicher
Entwürfe überhaupt einfpannt. Ölelche (Hürde
haben die Feftivitäten und entfpreependen De-
korationen etwa der Renaiffance oder des Opens
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