Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0422
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Martinie, Henri; Prud'hon, Pierre-Paul [Honoree]: Pierre-Paul Prud'hon
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hervorragenden Plats in der franzöfifchen Kunft des 19. Jahrhunderts einnimmt, unbe-
kümmert um die knüppeldicke Geißel Davids.
Unter den fchweren Cüolken des Revolutionsdramas und der napoleonifchen Epopöe
wußte ßch Prud’hon ein Stück blauen Fjimmels freizuhalten. Und darin floß ihm alles
wie in einem Brunnen zufammen. Pfycße felbft ftieg da herab, von 3ephir mutwillig
fpringend im Sturme geführt; und Venus, venushafter denn je, findet da einen Unter-
fchlupft, um Adonis zu lieben; die Caugöttin weiß, wo fie ihre Perlen niederlegen kann,
und Daphnis und Chloe beluftigen [ich in einer Natur, wie man fie fcßon lange nicht
mehr gefehen hatte; die Satyrn fühlen fid) fo wohl bei ihnen, daß fie Sylvia plagen
wie eine Nymphe Änakreons.
Heut, wo man Meiftern nur nod) nad)forfd)t, um fie den Meifterftücken zu ver-
gleichen, felbft wenn man oft nicht einmal guter Schüler ift, hat man die Lehre Prud’hons
mißachtet, die fo heiter in der Unterweifung und von einer aus Meifterfcßaft erblühten
Uleisheit ift. Dennoch gibt keiner ein befferes Beifpiel glücklicher Unabhängigkeit, keiner
mifcßt wie er den Croft des Lachens in die harte Arbeit, keiner war fähiger wie er,
das Mürrifche in der nütjlichen Pädagogik Ingres zu vermenfd)lichen; keiner vermochte
es beffer als Prud’hon, den in [Liehen liegenden Schulen das Heilmittel zu bringen.
Aber es wurde nichts draus. CUir wollen ohne Urnfchweife die Catfache bedauern: Die
Generationen wählen fid) die Meifter, die fie verdienen.
tUas den Ruhm Prud’hons anlangt: er ift von folgern CUechfel nicht abhängig. [Uir
wollen unfrerfeits das [Uort Delacroix’ aufgreifen. „. . . Schöpferifd) in fo vielen
Richtungen, den Adel der Antike mit der Anmut Lionardos und Correggios
vereinend, eröffnete Prud’hon unendliche Ausblicke und gab jeglichem Fort-
fchritt Berechtigung.“ Überf.: E.Ui.,
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kümmert um die knüppeldicke Geißel Davids.
Unter den fchweren Cüolken des Revolutionsdramas und der napoleonifchen Epopöe
wußte ßch Prud’hon ein Stück blauen Fjimmels freizuhalten. Und darin floß ihm alles
wie in einem Brunnen zufammen. Pfycße felbft ftieg da herab, von 3ephir mutwillig
fpringend im Sturme geführt; und Venus, venushafter denn je, findet da einen Unter-
fchlupft, um Adonis zu lieben; die Caugöttin weiß, wo fie ihre Perlen niederlegen kann,
und Daphnis und Chloe beluftigen [ich in einer Natur, wie man fie fcßon lange nicht
mehr gefehen hatte; die Satyrn fühlen fid) fo wohl bei ihnen, daß fie Sylvia plagen
wie eine Nymphe Änakreons.
Heut, wo man Meiftern nur nod) nad)forfd)t, um fie den Meifterftücken zu ver-
gleichen, felbft wenn man oft nicht einmal guter Schüler ift, hat man die Lehre Prud’hons
mißachtet, die fo heiter in der Unterweifung und von einer aus Meifterfcßaft erblühten
Uleisheit ift. Dennoch gibt keiner ein befferes Beifpiel glücklicher Unabhängigkeit, keiner
mifcßt wie er den Croft des Lachens in die harte Arbeit, keiner war fähiger wie er,
das Mürrifche in der nütjlichen Pädagogik Ingres zu vermenfd)lichen; keiner vermochte
es beffer als Prud’hon, den in [Liehen liegenden Schulen das Heilmittel zu bringen.
Aber es wurde nichts draus. CUir wollen ohne Urnfchweife die Catfache bedauern: Die
Generationen wählen fid) die Meifter, die fie verdienen.
tUas den Ruhm Prud’hons anlangt: er ift von folgern CUechfel nicht abhängig. [Uir
wollen unfrerfeits das [Uort Delacroix’ aufgreifen. „. . . Schöpferifd) in fo vielen
Richtungen, den Adel der Antike mit der Anmut Lionardos und Correggios
vereinend, eröffnete Prud’hon unendliche Ausblicke und gab jeglichem Fort-
fchritt Berechtigung.“ Überf.: E.Ui.,
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