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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Eisler, Max: Die Handzeichnungen von Salomon Kleiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0500

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Landfchaftsfinnes gebucht werden mag, ftel)t dod) wieder entgegen, daß gerade diefe
vielen Blätter nicht wie unmittelbare Sympatßieakte, [ondern weit eher wie eminente
Geduldproben anmuten. Geduld, faubere Sorgfalt und — bis gegen 1740 — eine
elaftifcße Emfigkeit bleiben die Grundlagen diefes Schaffens. Freilid), die Sorgfalt be-
zieht fid) nur auf die grapßifcße Arbeit, nicßt aud) auf die Kliedergabe der Bauwerke.
f)ier ift er keineswegs zuverläffig. Sd)on der Vergleich) des Palais Daun in feiner Um-
gebung, nod) mehr des Stadtpalais Prinz Eugen [amt feinen Nacßbarßäufern oder end-
lich) des Scßloffes Kaiferebersdorf bei Kleiner und feinen Vorgängern zeigt — von der
Bauordnung bis in fcßmückende Einzelheiten — eine Menge von ünterfchjieden, die
fid) durch) den zeitlichen Äbftand der Blätter allein nicht rechtfertigen laffen. Man wird
— auch abgefehen von drei offenkundigen Modellaufnahmen — die wiederkehrende
Formel „Nach dem Leben“ nicht gar genau nehmen dürfen. Der in feinen Belvedere-
und Bibliothekswerken exakte Meßzeichner wird in der „[nahrhaften Abbildung“ feiner
Kliener Spaziergänge beträchtlich leichter, ja zuweilen geradezu läffig. Schon die Mit-
arbeit des Pinfels, noch mehr das breite Publikum, für deffen „Belüftigung“ diefe Blätter
verfertigt find, erklären ihre Freizügigkeit.
Aber fie \)at nun auch eine glückliche Kehrfeite. Denn fie befördert — im befdjei-
denen Maße — die künftlerifcße Freiheit und bringt die befferen Eigenfchaften unferes
Kleinmeifters zu ihrer Entwicklung. Er wird auch jeßt — die ängftlid) aquarellierten
Menagerieblätter bekräftigen es — nicht malerifd), der Pinfel fekundiert bloß der Feder,
aber beide kommen jeßt klarer zufammen, das Ergebnis ift eine adrette Kompaktheit
der Baukörper. Am markanteren in ted)nifcher f)infid)t und beinahe fein erfd)eint das
Blatt, auf dem die voll befchattete, feft modellierte Rochuskapelle im Bürgerfpitals-
friedhof dem transparenten Gebilde der Karlskirche entgegengeftellt wird. Das ift aller-
dings ein Ausnahmefall, die Regel ift der mattere Ausgleich folchen Kontraftes, der
nun — um 1737 — auch die äußerfte Grenze der kompofitionellen Fähigkeit des
Künftlers bezeichnet. Sie tritt vorher nur feiten finnfällig zutage. Die Blätter mit dem
Palais Crautfon und dem Fjandelskai beim Rotenturm (um 1725), wo beide Male von
einem dunkeln, mit wenigen ftattlichen Figuren befefeten Stück Baftei der tiefere, helle
und klein ftafßerte Plan wirkfam abftößt, finden fpäter nur einmal nod) eine vergleich-
bare Nachfolge: das gefchieht (um 1733) in der Anfid)t der Liebfrauenkird)e Mariazell
vor dem Schottentor, wo fid) aus den nun wieder fchwer befd)atteten Bogen des Um-
ganges der Durchblick auf die Kapelle im erhellten Friedhof öffnet. Von diefen ge-
fälligen, aber nicht gerade originellen Beifpielen abgefehen, bleibt der Aufbau der
Szenen fd)lid)t natürlich. Die Stoßmittel des Effekts: die im Vordergrund hocß auf"
wachfenden und abgefcßnittenen, fcßräg gerichteten Soffiten, kehren wohl noch zu-
weilen abgefd)wäd)t wieder. Aber fonft bietet fid) der Afpekt unmittelbar an. Sein
Reiz liegt dann in der wachfenden Empfindung für den freien Raum, wodurch fiel)
Kleiner am meiften und vorteilhaft von feinen Vorgängern unterfcheidet. Er gibt nicht
nur dort, wo er Pläße und Straßenzüge abbildet, fondern hauP9 auc^ bei einem be-
ftimmten Objekt — fcßon durch deffen körperhafte Einteilung, aber auch durch die
Angliederung der Nad)barl)äufer — den Komplex, das Bruchftück eines weiterrei-
chenden ftadträumlichen Ganzen. Die Anficht des Palais Queftenberg ift ein Beifpiel
für viele, fie wird unter feiner fjand — im eklatanten Gegenfatj zu dem Stich ln den
„Profpekten“ der beiden Fifd)er von Erlach — eine üeilanfid)t der Johannesgaffe gegen
die Seilerftätte. Das geht, zumal in folchen Gaffenengen, nicht ohne Gewaltfamkeiten,
der Künftler fchafft fid) auf eigene Fauft breiteren Raum, er kommt in Konflikt mit
der tatfäd)lid)en Situation, am offenkundigen in den beiden Blättern mit der Peters-
kirche, wo er den fchmalen 3ugang auf die Faffade, das Jungferngaffel, durch eine
ftattlid)e Freiung geradezu wegeskamotiert. Aud) fonft fehlt es, namentlich anfangs,
nicht an perfpektivifchen Verfälfchungen des Catbeftandes, die Anßd)t des Lugecks,
noch mehr die des „FJofs“ gegen die Goldene Kugel, beide um 1725, belegen das.

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