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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Möbius, Martin Richard: Romantik und Biedermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0533

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äußerft delikaten Durchführung des rein Malerifcßen. Kleiter ins Romantifcße gedrängt
find die „Deutfcße Landfcßaft“ von Karl Biedren, das „Doppelbildnis“ des noch ziem-
lich unbekannten Refefcß und eine Anzaßl kleinerer Gemälde von Bendemann, Carus,
Reinhart, Rottmann, Schwind, Spi^weg und Klaldmüller. Bei lederen bleibt immer
wieder erftaunlicß das Feftßalten der romantifcßen Cotalität tro£ des Niederfcßraubens
der Lebensführung auf das Maß des Kleinbürgerlichen.
Die bürgerliche Geregeltßeit, die Ordnung an Stelle des Genies kennzeichnet be-
fonders die Epoche des volkstümlichen ßolzfcßnitts in der zweiten FJälfte des 19. Jahr-
hunderts, wo die im Gefühlsleben erfcßlaffte Romantik in das Biedermeier gleitet. Fjier
fchafft die ftille, inftändige Kraft des Ädrian Ludwig Richter, der mit den Erinnerungen
an Italien das bürgerliche Leben feiner Fjeimat poetifcß faßt. Eine Reiße feßr koftbarer
Probedrucke und feltener, guter Blätter von feiner Fjand vermittelt am ftärkften die
Vorftellungswelt jener Maler. Auch von üßeodor Fjofemann find einige lithographierte
Probedrucke und anderes zu feßen. Es verfteßt ficß, daß Moritj von Schwind und
Spit^weg reicßlicß und gut vertreten find, von erfterem verdienen acßt Freskoentwürfe
befondere Beachtung. Von Älfred Retßel ift unter anderem ein Bogen mit den Fjolz-
fcßnitten „Ein Cotentanz aus dem Jahre 1848“ ausgeftellt, von Jofepß von Füßricß
eine Reiße Bleiftiftzeicßnungen. Im übrigen feßlen keineswegs die hervorragenderen
Ärbeiten aus dem Kreife diefer Spätromantiker und ißrer 3ekgenoffen. Von Adolph
Menzel werden in einer befonderen Abteilung frühere grapßifcße Arbeiten gezeigt, die
feine Fjerkunft aus dem Romantifcßen belegen, darunter zehn Blätter zu den Klerken
Friedrichs des Großen, Probedrucke zum „3erbrocßenen Krug“ und zur „Gefcßicßte
Friedrichs des Großen“ und anderes.
Die heimlichere Romantik der Nazarener, die ficß an der primitiven Kunft des üre-
cento zu orientieren fucßte, hat ißren eigentlichen Ausdruck in der 3eid)nung gefunden,
das betätigen die Arbeiten des Peter Cornelius, Bonaventura Genelli, Sdßnorr von
Carolsfeld, Johann Friedrich Overbeck, Philipp Veit und der vielen anderen, die hier
mit FJandzeicßnungen vertreten find. Die Analogie des Begriffs und der gezeichneten
Form wird deutlich. Man kann an diefen vielen, vielfagenden hingehen
und begreift dann, was diefen Malern das 3eicßnen bedeutete. Von ungefähr findet
man Parallelen zu Strömungen in der neueften Malerei, kein 3ufall, daß wir eine
Blüte der Graphik erleben, die kaum zu vergleichen ift. F>ier war eine Generation
aucß fcßon einmal fo weit, das 3eid)nen felbft für nichts zu nehmen, aber die Exiftenz
der für alles. Und fo wie heute ergaben fid) aucß damals die über-
zeugendften Refultate auf dem Gebiete der Graphik, wo die Linie an und für pcß
fcßon Abftraktion bewirkt. Nirgends anders triumphierte die Bildidee mit aller Grund-
ftimmung der Pßantafie fo unbedingt wie in der 3eicßnung, da durd)drangen ficß Ge-
fühl und Gedanke, Rationales und Irrationales, Klaffifcßes und Gotifcßes, da erftand die
ganze romantifcße Kielt und zeugte für den reinen, großen Klillen jener Maler, denen
zum größten Ceil ein früher Cod die Erfüllung im Ganzen verfagt hatte. Die befondere
Geltung der romantifcßen Epocße für unfere 3^it, ißre Verknüpfung mit unferen ür-
fprüngen und unferen Anlagen, wird in diefer Ausftellung noch einmal deutlich ficßtbar.

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