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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0595

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Anstellungen

verliert pd) vielleicht ßhon. Endgültig möchte
ich das jedoch erft bei Gelegenheit einer nächften
Revipon behaupten. —
Der abfonderliche Irrtum, bloße Agglomeration
von verfchieden gepeilten öüürfeln, Platten und
Stufen verfchiedener Fjöhe und Didce ergebe
ohne weiteres Architektur, ermutigt den „Sturm“,
die äußerlich zufammengekafteten, vor allem in
Fjinpcht der Niveaurhythmik durchaus fterilen
Konßruktionsübungen des Ungarn LudwigKaf-
fäk auszupellen. Das meint wer weiß wie fach-
lich zu fein, — und ift nur papiernes Permutieren
raumprahlerißh („dynamifch“) vifierter Elemen-
tarkuben, eine dürftige Fröbelei ohne fchöpfe-
rifchen Impetus. Sachliche Architektur wäre kri-
ftalliperte Invarianz; pe wird nicht erkombiniert,
fondern fteht auf. — Nikolaus Braun baut in
plaftifche Konftruktionen und abftrakte Reliefs
Glühbirnen ein, die durch ein verborgenes Uhr-
werk wechfelweife angefchaltet werden und fo
das farbig und blank lackierte, aus halben Röhren,
gewellten und prismatifchenFormenmehrfchidjtig
und überfchneidungsreich komponierte Gebilde
in zwiefacher, rhythmifd) fid) ändernder Be-
leuchtung undFarbakzentuierung darbieten. Diefe
primitive Illumination bringt nicht ganz den blen-
denden Effekt hervor, den fid) der Autor davon
verfprochen haben mag. Das öde Alternieren
von bloß zwei Möglichkeiten enttäufd)t in lächer-
licher CUeife, und gar fo eine ganze Uland mit
verfd)ieden regulierten, diskrepant funktionie-
renden Mechanismen hat etwas folternd Unfin-
niges. Croljdem iß die Grundidee, Dreidimen-
ponales durch Lichtrhythmik zu mobiliperen und
fo in die vierte Dimenpon der 3eit zu beziehen,
brauchbar und aktuell. Sie könnte insbefondere
für Bühne und Reklame etwas bedeuten, viel-
leicht auch für eine künftlerifd) geftaltete Ver-
kehrsdifziplin. Braun ift zudem in manchem Um-
riß und in der Bemalung feiner feltfamen Ge-
bilde über die Neutralität der meiften Konftruk-
tiviftik hinaus, fo daß man nicht ganz ohne
gewiffe Verfprechungen fein Äutornaten-Kabinett
verläßt. —
In der Kleinen Galerie liebenswürdige Dinge
von Maria Slavona und von der durch Efprit
überlegenen Baladine, — anmutig - forglofe
Frauenarbeiten, denen die größere Fläche fo-
fort gefährlich wird, die aber in leichten Formaten
wohl erquicken. —
Egon von Lueder gibt in feiner franzöpfch
eingefärbten Malerei einen Querfcbnitt (!) durch
den Flechtheim-Stamm. Einige feiner Sachen
find beinahe von Levy, andere haben es mit
de Vlaminck (den man nebenan vorzüglich ver-
treten pndet); Cezanne, Renoir und Derain klingen
nicht etwa an, fondern werden nacheinander faft
wörtlich aus zweiter fjand dargeboten. Eine Art
Flechtheim-Univerfal-Erfaß, und als tUandzer-
ftreuung nicht übel, — wennfchon alles etwas
materiell und überfüllt wirkt im Vergleich mit

dem Vorbild. Am leichteßen einige Stilleben.
Die Kunftgefchichte kann fid) freilich nur die
Notiz machen, daß fie keine zu nehmen hat. —
Als Graphiker foll Charles Crodel demnächß
in diefen Fjeften ausführlicher dargetan werden,
— daß er jedoch auch m feiner Malerei zu-
fehends pd) entfaltet, erwies die Ausftellung
jüngfter Bilder meift fchwedifchen Urfprungs bei
Goldfchmidt u.nd ttlallerftein. Sein Flächen-
aufbau überwindet noch nicht immer eine ge-
wiffe Labilität, die Kompoption hat zuweilen
etwas Unbeherrfchtcs wie die Bewegung halb-
ßügger Ciere. Die Ceilformen unterordnen pd)
oft nicht klar genug einer Prävalenz, pe fondern
und ptuieren fid) nicht recht nach Intenfitäten
gegliedert. Jene Unbekümmertheit, der Crodels
Schaffen den natürlichen Puls und die locker
quillende Rhythmik dankt, kann nod) als Un-
artikuliertheit abträglich wirken. Andrerfeits er-
zeugt pd) aus ihr das kindlich reine Geheimnis,
die Anmut pd) tummelnder Bewegung, der heitere
Stilinftinkt einer aus früheren Crübungen nun zu
koßbarem Kolorit erwachten Malerei. Nackte
Kinder faulienzen zwifchen bunten Fjühnern fo
gelaffen dahin unter dem klangvoll prahlenden
Blau, als feien pe Sprößlinge jener Menfchen
aus des Bans von Marees goldenem 3eitalter.
Das gedämpfte Erglühen ungemein gewählter
Farben, die horizontale Struktur der Pigmente,
der tiefe Schmelz einer nie verdickten, auch in
der Auffaffung fd)lid)t-ländlid)er Vorgänge durch-
aus unmaffiven Malerei pellt Crodel in die vor-
derfte Reihe. Ulie das Bild fid) dem Künftler
nach leifem (der Kurve der 3wergkiefer feltfam
verwandtem) Gefetj fügt, entwädfft es den
Schwierigkeiten gegenftändlid)er und räumlicher
Agnofzierung in die Unfagbarkeiten des erften
Dafeins und der tiefßen Ulunder.
Olilli Cüolfradt.
Kliener Ausheilungen
Albertina: Miniaturenausftellung / fja-
genbund: Frühjahrsausftellung / Mu-
feum für Kunft und Induftrie: Ard)itek-
turausftellung
Die Gefellfchaft der Bilder- und Miniaturen-
freunde hat in CUohnräumen des ehemaligen Erz-
herzog FriedrichTchen Palais (ftaatl. Kunßfamm-
lung „Albertina“) eine Auspeilung von Miniaturen
veranftaltet. Die Auswahl der Stücke läßt das
Beftreben erkennen, mit einer qualitativen Aus-
lefe aud) eine Vorftellung von dem Entwicklungs-
gänge der Miniaturmalerei zu geben. Daß in
diefer lehrreichen Überfid)t die perßfd)e Miniatur,
das Urbild diefer wunderbaren Feinmalerei, fehlt,
ift bedauerlich. Die Randleiften und 3iermotive
einiger Codices aus der flämifchen Frütjrenaif-
fance pnd deutliche Beweife für den 3ufammen-
hang zwifcffen der Buchkunft von Op und Uleß.
Diefe Codices bilden den Auftakt zu den 1639Bild-
d)en, die auf Pergament, Elfenbein oder koß-

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