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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Graber, Hans: Ferdinand Hodler
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0717

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Ferdinand [Jodler

Von HANS GRÄBER / Mit
zwölf Abbildungen auf sieben Tafeln

Die ernfte deutfcpe Kunftkritik pat eine zwiefpältige Stellung zu Ferdinand Jodler.
Man fpürt, daß fie vor dem Schweizer große Ächtung pat, man fiept viel An-
erkennung, man fiept, daß fie ipn für einen küpnen und bedeutenden Neuerer
pält. Äber man trifft aucp zaplreicpe und wefentlicpe Vorbepalte. So wird ipm oft allzu
abficptsvolle Stilifierung vorgeworfen. Es wird ferner gefagt, feine Kunft fei zu fepr
Begriffs- und Gedankenkunft. Je nun, dafür ift fie eben germanifcpe Kunft und als
folcpe verdient fie den Vorwurf gewiß nicpt allein. Siepe Klinger, Marees, Böcklin u. a.
Oft wird aucp an die Nazarener und Präraffaeliten erinnert und fjodler als eine Ärt
moderner Nacpfapre diefer Ricptungen bezeicpnet. Man kann das alles gut verftepen,
und es liegt ficper viel Ricptiges darin. Äudp der ernfte, der über die Grenzpfäple
pinausfepende fcpweizerifcpe Kunftkritiker ift kein unbedingter Fjodlervereprer. Äber er
urteilt docp etwas anders, urteilt docp etwas pofitiver als der deutfcpe und das, weil
er den ganzen ßodler nimmt, weil er das weitfcpicptige Oeuvre des Künftlers beffer
überblickt. Denn zweifellos kennt man in Deutfcpland diefes Oeuvre zu wenig. Man
kennt allzufepr nur Geile und Proben daraus und leider nicpt immer die beften.
Fjodlers UIerk ift, was bei feinem gewaltigen Umfang aucp kaum anders fein kann,
nicpt gleicpwertig. Es fcpließt mancpe fcpwacpe, mancpe nicpt fepr erfreulicpe Ärbeit
ein. Und gerade aus feiner unerfreulicpften Periode ift vieles nacp Deutfcpland ge-
kommen und pat ein gut Geil zur Urteilsbildung beigetragen. Es waren das die Japre
1910 bis 1914, als jene zaplreicpen, wenig löblicpen Uliederpolungen (des Holzfällers,
Mäpers und anderer begeprter Motive) entftanden, die, da fie vor allem auf Beftellung
deutfcper Kunftpändler gemalt wurden, zum großen Geil nacp Deutfcpland gingen. Mit
diefen Beftellungen wurde Jodler ein fcplecpter Dienft erwiefen, docp ift er felber ge-
wiß nicpt zu entfcpuldigen. Äber genug davon. Icp wiederpole: diefe Repetitionen be-
einflußten das Urteil über den Künftler in Deutfcpland nicpt unwefentlicp. Man follte
jedocp gerecpterweife bei folcpen CUerken auf die guten Urbilder, die in der Scpweiz
blieben, abftellen. Und dann darf man Fjodler nicpt nur nacp den großen flgürlicpen
Kompofltionen beurteilen — und auf diefe gepen die Vorwürfe der allzu ftark ausge-
prägten Begriffs- und Gedankenkunft vor allem zurück —, fondern man muß aucp
feine Landfcpaften, Porträte ufw. ftark peranziepen. In ipnen pat er nicpt feiten, rein
künftlerifcp gefprocpen, fein Reifftes, Unanfecptbarftes, Klaffifcpftes geleiftet. 3war das
Neuartigfte und Imponierendfte bleiben die großen Figurenwerke, und man wird nicpt
umpin können zuzugeben, daß ipm da docp mancpes in popem Grade gelungen ift.
Man muß auf die beften diefer Schöpfungen abftellen und follte bei den weniger ge-
lungenen, den allzu gedanklicpen, allzu gewollten und mancpmal etwas im Modellpaft-
Geftellten fteckenbleibenden, die zweifellos neue und große Leiftung anerkennen und
würdigen. Nicpt immer pat Fjodler das zu realifieren vermocpt, was ipm vorfcpwebte, nicpt
immer find feine Bewegungsfiguren reftlosÄusdrucksfiguren geworden, mancpmal aber docp,
und von diefen letzteren merken muß man ausgepen, wenn man ipm gerecpt werden will.
Daß Fjodler kunftgefcpicptlicpe Bedeutung zukommt, wird wopl niemand ernftpaft
beftreiten wollen. Es ift docp wopl kaum zu beftreiten, daß er eine neue Form und
Farbe und in mancper Beziepung aucp einen neuen Inpalt gebracpt pat. Sein Verfucp,
fymbolifcpe, allgemein menfcplicpe Gpemen zu geftalten, war neu, neu aucp die befondere
Ärt feines Parallelismus — mögen ipm aucp altcpriftlicpe Mofaiken u. a. den CUeg ge-
wiefen paben — neu in mancper Fjinpcpt aucp feine Form im einzelnen und feine
Farbe. Crotj allem was gegen fjodler vorgebracpt worden ift und vorgebracpt werden
mag, paben wir es bei feiner Kunft mit einer fepr perfönlicpen und durcpaus fcpöpfe-
rifcpen Leiftung zu tun.

Der Cicerone, XVI. Jabrg., Fjeft 15

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