zu bereiten und den Samen in den keimfähigen Boden zu fenken, der einem glücklicheren Ge-
[chlechte Früchte tragen mag. Selbft ein Bienen- und Ämeifenftaat ift ja um die Uräger feiner
3ukunft beforgt. (Her es nicht felber fühlt, dem follte Oswald Spengler die Äugen dafür geöffnet
haben, daß unfere 3eit der Erfüllung Micijelangelesker Uräume nicht hold ift. Dazu bedürfte es
einer gefieberten Kulturgrundlage, die uns längft verloren ging. Man mag fid) dazu [teilen wie
man will, es bleibt uns wirklich keine Ulal)l. Es heißt, diefe Grundlage erft wieder zu fchaffen.
Je tiefer man das Grabfcheit anfeßt, defto fefter mag die neue Kultur gegründet werden, deren
Qmriffe am fernen Fjorizont der Vorftellungswelt erft zu dämmern beginnen. Die Schulen, fie
mögen heißen, wie fie wollen, ßnd die gegebenen Stätten für folche Pionierarbeit. Verrucht die
Fjand, die die Saat der 3wietrad)t in die frifdjen Furchen wirft! Der einzelne mag in fauftifdjem
Ringen zum Fjöchften ftreben, aber Sache der Schule kann nie fein, das lehren zu wollen, was
nicht gelehrt werden kann, nämlich „hohe Kunft“ und Künftlerfdjaft an fich. Man hat ße von
Geburt an oder man hat fie nie.
Ich hoffe, es ift felbft dem Fernerftehenden nach dem Gejagten ein wenig klar geworden, welche
Fülle von Äufgaben einem Inftitut wie der Kunftgewerbefdjule geftellt find und wie viel davon
fchon angepackt und bewältigt wurde, fo daß die bereits aufweisbare Leiftung gegenüber den
Velleitäten der Äkademie fich getroft behaupten kann. Man denke nur an die vielen mißglückten
Verfuche der leßten 3eit, Freskomalerei und Plaftik an öffentlichen Bauten anzubringen, „um der
Kunft doch würdige Äufgaben zu (teilen“. Nun, würdig ift jede Äufgabe, die würdig gelöft wird
und fei es nur ein Stempel, ein Straßenfchild, die Kurve eines Bogenlampenarms, oder eine
Briefmarke. Das kann, wer fehen will, jefet in der Äusftellung „Gelegenheitsgraphik“ in der Kunft-
gewerbefchule nachprüfen. Das konnte man im vorigen Sommer gelegentlich der Ruhrhilfeaus-
ftellung feftftellen, ebenfo 1922 bei der Gewerbefchau, wo die Münchner Schule neben der tUiener
beftehen durfte, und kann es angefichts der großen Schar unferer Schüler beherzigen, die allerorts
als Profefforen ihres Faches — fogar an Äkademienü! — als künftlerifche Berater großer Betriebe
ihren Lehrern Ehre machen. Bliebe nur noch zu unterfuchen, wieviel mehr Kalorien an Indivi-
dualität jene Ällzufreien entwickeln, die doch recht bedenklich vom Eklektizismus angekränkelt find.
Doch laßen wir das lieber unerörtert! Für die Äufgaben, die die 3ßit erheifd)t, kommen ße jeden-
falls nicht in Betracht. Man ift wohl der Meinung, daß man es in AMinchen nicht nötig habe, ßd)
darum zu kümmern. Ich bin der Meinung, daß wir mit Individualitäten nicht fo reichlich gefegnet
find, daß wir es uns leiften können, einen Riemerfcßmid kalt zu ftellen. Und wenn es in der
Politik und ÜUirtfchaft bei uns Sitte geworden ift, die eigentlichen Führer auszufchalten und ßch
Leuten anzuvertrauen, die in die Irre führen, fo brauchte das in der Kunß nicht Nachahmung zu
pnden. Man hört ja häußg die Meinung äußern, daß München folche Änziehungskraft ausübe,
daß man ßd) keine Mühe zu geben brauche, jemand, der etwas für das Ganze leiftet, auch dem-
entfpredjend zu behandeln, und daß man jederzeit Erfatj für ihn bekäme.
Nun, weder Slevogt noch Bruno Paul, die man hier haben wollte, find gekommen, und
Chorn-Prikker, den man fchon hier hatte, ift wieder davon gegangen nach Düßeldorf, weil er
hier weder eine (Hohnung, noch Äufträge erhielt. Und doch ift er der lebende deutfeße Glasmaler,
und wer je die Farbenglut feiner Fenßer in der Dreikönigenkirche in Neuß auf ßch wirken ließ,
der glaubte etwas von einer Uliedergeburt mittelalterlicher Glasbildkunft zu fpüren.
Von der Spiße der Frauentürme aus erblickt man ein fcßönes Landfcbaftsbild, man fießt die
Älpen und kann ßd) dahinter Italien denken, man fieht in manchen malerifchen Spitjwegwinkel
hinein und in die ftolze Ludwigsftadt, die der Ulittelsbacher großzügig erbaut hat und wird es
nid)t gleid) gewahr, daß darinnen nicht alles fo großzügig hergeht, wie es fid) der König bei der
Änlage wohl dachte. CUas gegen Norden liegt, das ßeht man nicht, man will es auch nicht fehen:
das Reich der Ärbeit, der neuen Ideen, des praktifd)en Lebens, das der Kunft, dem die Kunß
wieder gewonnen werden muß, wenn es nicht mit beiden zu Ende gehen foll. Man wende nicht
ein, daß mit der praktifchen Ärbeit, ja mit der Ärbeit für den Gebrauch, wie fie etwa im Programm
der Staatsmanufaktur gipfelt, der ideelle Geift aus unferen Erziehungsanftalten vertrieben würde.
Das iß ein Unßnn. Kunß wie fie auch fei, wenn ße nur ehrlich ift, fo ift fie ein Ideelles, — ob ße
ßd) realißifd), naturalißifd), im-expreffioniftifd),kubiftifch oder gar dadaiftifd) gebe, frei oder zweck-
gebunden, fie bleibt für den, dem Begabung in die öüiege gelegt wurde, das Gefd)enk der drei-
zehnten Fee, das fchon von einem anderen gütigen Geift mit einigen erleichternden Gaben auf-
gewogen werden muß, um im Leben nicht zu fd)wer tragbar zu fein. Die Äufgabe einer Kuriß-
fchule ift es, folcher Erleichterungen die Fülle zu bieten, denn wozu wäre fie anders da, als zur
Führung, nicht zur Irreführung unferer künftlerifchen Jugend, der einzigen und wirklichen Fjoffnung,
die ein darniedergehaltenes Volk hat.
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[chlechte Früchte tragen mag. Selbft ein Bienen- und Ämeifenftaat ift ja um die Uräger feiner
3ukunft beforgt. (Her es nicht felber fühlt, dem follte Oswald Spengler die Äugen dafür geöffnet
haben, daß unfere 3eit der Erfüllung Micijelangelesker Uräume nicht hold ift. Dazu bedürfte es
einer gefieberten Kulturgrundlage, die uns längft verloren ging. Man mag fid) dazu [teilen wie
man will, es bleibt uns wirklich keine Ulal)l. Es heißt, diefe Grundlage erft wieder zu fchaffen.
Je tiefer man das Grabfcheit anfeßt, defto fefter mag die neue Kultur gegründet werden, deren
Qmriffe am fernen Fjorizont der Vorftellungswelt erft zu dämmern beginnen. Die Schulen, fie
mögen heißen, wie fie wollen, ßnd die gegebenen Stätten für folche Pionierarbeit. Verrucht die
Fjand, die die Saat der 3wietrad)t in die frifdjen Furchen wirft! Der einzelne mag in fauftifdjem
Ringen zum Fjöchften ftreben, aber Sache der Schule kann nie fein, das lehren zu wollen, was
nicht gelehrt werden kann, nämlich „hohe Kunft“ und Künftlerfdjaft an fich. Man hat ße von
Geburt an oder man hat fie nie.
Ich hoffe, es ift felbft dem Fernerftehenden nach dem Gejagten ein wenig klar geworden, welche
Fülle von Äufgaben einem Inftitut wie der Kunftgewerbefdjule geftellt find und wie viel davon
fchon angepackt und bewältigt wurde, fo daß die bereits aufweisbare Leiftung gegenüber den
Velleitäten der Äkademie fich getroft behaupten kann. Man denke nur an die vielen mißglückten
Verfuche der leßten 3eit, Freskomalerei und Plaftik an öffentlichen Bauten anzubringen, „um der
Kunft doch würdige Äufgaben zu (teilen“. Nun, würdig ift jede Äufgabe, die würdig gelöft wird
und fei es nur ein Stempel, ein Straßenfchild, die Kurve eines Bogenlampenarms, oder eine
Briefmarke. Das kann, wer fehen will, jefet in der Äusftellung „Gelegenheitsgraphik“ in der Kunft-
gewerbefchule nachprüfen. Das konnte man im vorigen Sommer gelegentlich der Ruhrhilfeaus-
ftellung feftftellen, ebenfo 1922 bei der Gewerbefchau, wo die Münchner Schule neben der tUiener
beftehen durfte, und kann es angefichts der großen Schar unferer Schüler beherzigen, die allerorts
als Profefforen ihres Faches — fogar an Äkademienü! — als künftlerifche Berater großer Betriebe
ihren Lehrern Ehre machen. Bliebe nur noch zu unterfuchen, wieviel mehr Kalorien an Indivi-
dualität jene Ällzufreien entwickeln, die doch recht bedenklich vom Eklektizismus angekränkelt find.
Doch laßen wir das lieber unerörtert! Für die Äufgaben, die die 3ßit erheifd)t, kommen ße jeden-
falls nicht in Betracht. Man ift wohl der Meinung, daß man es in AMinchen nicht nötig habe, ßd)
darum zu kümmern. Ich bin der Meinung, daß wir mit Individualitäten nicht fo reichlich gefegnet
find, daß wir es uns leiften können, einen Riemerfcßmid kalt zu ftellen. Und wenn es in der
Politik und ÜUirtfchaft bei uns Sitte geworden ift, die eigentlichen Führer auszufchalten und ßch
Leuten anzuvertrauen, die in die Irre führen, fo brauchte das in der Kunß nicht Nachahmung zu
pnden. Man hört ja häußg die Meinung äußern, daß München folche Änziehungskraft ausübe,
daß man ßd) keine Mühe zu geben brauche, jemand, der etwas für das Ganze leiftet, auch dem-
entfpredjend zu behandeln, und daß man jederzeit Erfatj für ihn bekäme.
Nun, weder Slevogt noch Bruno Paul, die man hier haben wollte, find gekommen, und
Chorn-Prikker, den man fchon hier hatte, ift wieder davon gegangen nach Düßeldorf, weil er
hier weder eine (Hohnung, noch Äufträge erhielt. Und doch ift er der lebende deutfeße Glasmaler,
und wer je die Farbenglut feiner Fenßer in der Dreikönigenkirche in Neuß auf ßch wirken ließ,
der glaubte etwas von einer Uliedergeburt mittelalterlicher Glasbildkunft zu fpüren.
Von der Spiße der Frauentürme aus erblickt man ein fcßönes Landfcbaftsbild, man fießt die
Älpen und kann ßd) dahinter Italien denken, man fieht in manchen malerifchen Spitjwegwinkel
hinein und in die ftolze Ludwigsftadt, die der Ulittelsbacher großzügig erbaut hat und wird es
nid)t gleid) gewahr, daß darinnen nicht alles fo großzügig hergeht, wie es fid) der König bei der
Änlage wohl dachte. CUas gegen Norden liegt, das ßeht man nicht, man will es auch nicht fehen:
das Reich der Ärbeit, der neuen Ideen, des praktifd)en Lebens, das der Kunft, dem die Kunß
wieder gewonnen werden muß, wenn es nicht mit beiden zu Ende gehen foll. Man wende nicht
ein, daß mit der praktifchen Ärbeit, ja mit der Ärbeit für den Gebrauch, wie fie etwa im Programm
der Staatsmanufaktur gipfelt, der ideelle Geift aus unferen Erziehungsanftalten vertrieben würde.
Das iß ein Unßnn. Kunß wie fie auch fei, wenn ße nur ehrlich ift, fo ift fie ein Ideelles, — ob ße
ßd) realißifd), naturalißifd), im-expreffioniftifd),kubiftifch oder gar dadaiftifd) gebe, frei oder zweck-
gebunden, fie bleibt für den, dem Begabung in die öüiege gelegt wurde, das Gefd)enk der drei-
zehnten Fee, das fchon von einem anderen gütigen Geift mit einigen erleichternden Gaben auf-
gewogen werden muß, um im Leben nicht zu fd)wer tragbar zu fein. Die Äufgabe einer Kuriß-
fchule ift es, folcher Erleichterungen die Fülle zu bieten, denn wozu wäre fie anders da, als zur
Führung, nicht zur Irreführung unferer künftlerifchen Jugend, der einzigen und wirklichen Fjoffnung,
die ein darniedergehaltenes Volk hat.
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