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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Cohen-Portheim, Paul: Tsugouharu Foujita
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0895

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Cfugouljaru Foujita

Von PAUL COHEN-Portheim
Mit 9 Abbildungen auf 5 Tafeln

Seit langen Jahren gab es, meiner Empfindung nacf, keine intereffantere Erfd)einung
I unter den jungen Künftlern als den jefet in Paris von einem vorläufig nocf kleinen
Publikum focfgefcfä^ten Japaner Cfugoufaru Foujita. Nicft nur, daß er ein großer
Könner und ein origineller Künftler ift, macft feine Bedeutung aus, fondern die Cat-
facfe, daß er den Beginn von etwas nocf nie Dagewefenem darftellt: er ift der erfte
Maler, der weder Oftafate nocf Europäer ift, fondern der aus beiden Craditionen
etwas Neues gebildet fat. Er ift der Erpnder einer deltfpracfe der Malerei.
Er felbft ift weit entfernt davon, pe zu fucfen. Er ift überfaupt (endlicf wieder einmal!)
ein Maler, der gar keine Cfeorien fat und gar keine Ricftung. — Nacfdem er die
Äkademie in Cokio abfolviert fatte, in der Unterrieft fowofl in „europäifcfer“ als aucf
in „japanifcfer“ Malmetfode erteilt wird, kam er, nocf ganz jung, vor 14 Jafren nacf
Paris, das Japanern fo gut als Europäern oder Amerikanern als das Mekka der bil-
denden Künfte galt.
Es war die 3eit, in der der Rufm der Imprefponiften auf der Fjöfe ftand, wäfrend
Matiffe und Cezanne die Leitfterne der jüngeren Generation waren und der Kubis-
mus die neuefte Mode. Man faf damals viele Bilder von Japanern, die pcf durcf
nicfts von denen ifrer europäifcfen Kollegen unterfcfieden: ä la Monet, ä la Cezanne,
ä la Matife und ä la Picaffo. Es war traurig zu fefen, wie fie mit Begeiferung ifre
eigene, ferrlicfe Cradition über den Fjaufen warfen, um blindlings Europäer und mittel-
mäßige Europäer zu werden. 3weifellos fing das mit der damals in Japan allge-
meinen Bewunderung europäifcfer Cecfnik und europäifcfer Metfoden zufammen, die
man ficf mit unfeimlicfer Gefcfwindigkeit zu eigen macfte. 3U diefer 3e'* war (die
Abb. S. 862, ein Bild aus dem Jafre 1913, zeigt es) Foujita ganz und gar Japaner.
„Man muß alle Metfoden verfucft faben,“ fagte er mir. In der Cat fieft man aus
feinen fpäteren Arbeiten, daß Europa bald begann, Einßuß auf ifn auszuüben. Er
lebte in Montparnaffe, verkefrte mit Picaffo und Bracque, förte und faf und arbeitete.
Aus diefer 3eit datieren die Landfcfaften, die fier abgebildet find. Der japanifcfen
Linienkunft gefeilte ficf das dem Often unbekannte Gefüfl für Volumen.
Allmäflicf bildete Foujita eine eigene Öltecfnik aus, er erwarb pcf durcf jafrelange
Arbeit Kenntnis des menfcflicfen Körpers, und feit zirka drei Jafren fteft er als Meifter
da. das zunäcfft die Cecfnik anlangt, fo ift fie etwas ganz Neues. Ob in Öl oder
in cfinefifcfer Cufcfe, zeigen feine Bilder die fabelfafe, aus der Kalligrapfie fervor-
gegangene Linienkunft feines Landes. Kein Europäer ift imftande, den Umriß eines
Körpers, eine Fjand, einen Mund (fiefe „Rufende Frau“ oder das „Selbftporträt“) mit
diefer unerförten Einfacffeit und 3artfeit wiederzugeben, denigftens kein lebender
Europäer, denn es gibt niemand, der Fjolbein näfer ftünde! Aber diefer Linienkunft
gefeilt ficf eine unglaublicf fubtiie Modellierung (auf den Abbildungen geft pe leider
fefr verloren), die ganz europäifcf ift. Die ans Märcfenfape grenzende Kunft des
Details kann man am beften an den Stilleben ftudieren. Man denkt an Fjokufai, man
denkt aber aucf fier an Fjolbein, diefe Dinge faben diefelbe Selbftverftändlicfkeit,
die nur der ganz großen Kunft eigen ift: fie könnten gar nicfts anderes fein, als fie
find, ift die Emppndung, die pe auslöfen. Und wie verwandt pnd pe tropdem geiftig
den neuen europäifcfen Beftrebungen; wieviel Fäden laufen zu Matiffe, zu Bracque
und zu den Dadaiften! Das ift, wie gefagt, keine japanifefe Kunft mefr, nocf weniger
eine Nacfafmung europäifcfer Kunft; das ift eine neue Kunft, die in der ganzen delt
zu Fjaufe ift. „Man fat pcf fefr lange über mief luftig gemaeft, weil icf fo un-
modern war,“ fagt Foujita mit ftillem Läcfeln. Er ift feinen eigenen deg gegangen,
fat überall gelernt, und ift fo er felbft geworden. Etwas einziges follte man meinen —
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