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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Steinmann, Ernst: Michelangelo-Modelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1023

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Michelangelo-Modelle

Von ERNST STEINMANN
Mit einer Abbildung

In der unlängft erfdtjienenen Michelangelobiographie des berühmten Dänen Georg
Brandes, delJen Verdienfte um Nie^fdje und Voltaire bedeutender [ein dürften als
[eine Verdienfte um den großen Florentiner, findet [ich unter andern Seltfarn-
keiten aud) die feltfame Behauptung, daß Michelangelo [ein Leben lang das Modellieren
in Con verfchmäßt habe.
ülir dürfen ganz im Gegenteil behaupten, daß wir von keinem Künftler der italie-
nifcßen Renaiffance [o zahlreiche 3eugniffe über beftändiges Modellieren in (üacßs und
Con befijsen wie gerade von Michelangelo.
Ausführlich äußert [ich fd)on Va[ari über diefen Punkt. Er hat bekanntlich über die
Art, wie Modelle in Klacßs und Con für plaftifdje Arbeiten herzuftellen [eien, ein be-
[onderes Kapitel gefcßrieben, und hier bezeugt er ausdrücklich, daß niemand es beffer
verbanden hat als Michelangelo, [ich der Modelle in CDacßs und Gon für [eine Arbeiten
zu bedienen. Vafari weiß auch zu berichten, daß Michelangelo alle [eine Modelle dem
Antonio Mini als Reifefegen mit nach Frankreich gab, wo [ie nach dem 3eugnis Ma-
riettes [ämtlicß zugrunde gegangen find. Ausführlicher äußert [ich noch Cellini in [einen
„Crattati dell’ orificeria“ über diefen Punkt. Er führt vor allem aus, daß Michelangelo
nicht nur für [eine Klerke der Plaftik, [ondern auch für Arcßitekturftücke, die [eine
Arbeiter auszuführen hatten, Modelle gemacht hat, und er überrafcßt uns durch die
Mitteilung, daß der Meifter für [eine plaftifcßen ülerke nicht nur kleine und große
Modelle auszuführen pflegte, [ondern es [ogar liebte, [ich die Figuren für [eine Ge-
mälde plaftifd) zu bilden.
Qnd was die 3eitgenoffen Michelangelos als Augenzeugen berichten konnten, das
fefete [ich fort in der unmittelbaren Cradition nach [einem Cod. Armellini legt in [einen
„Veri precetti“ Michelangelo die CHorte in den Mund: „Von allen meinen Klerken habe
ich immer Modelle gemacht.“
Aber haben wir nicht auch fonft aus Michelangelos eigenem Munde 3eugniffe genug
darüber, wie [ehr er die Kunft des Modellierens für einen Bildhauer als den Anfang
aller ttleisheit betrachtete? „Lerne erft zu modellieren und dann auszuführen,“ [oll
der Achtzigjährige dem Giovanni da Bologna gefagt haben, indem er ihm mit eigenen
Fingern ein fertiges Modell völlig umarbeitete. „Das Geld, das ein Baumeifter in Mo-
dellen anlegt, trägt die höchften 3infen,“ ift ein anderer Ausfprurf) des Meifters, der
uns von Vafari in einem Brief an den Fjerzog Cofimo von Florenz überliefert worden
ift. Und in einem berühmten Sonnett an Vittoria Colonna bekennt er felbft, daß er
„con breve e vil modello“ dem Stein Leben gebe, ja, er nennt [ich felbft ein Modell
„di poca stima“, das erft durch Vittorias Dand vollendet werden müffe.
Briefe und Ricordi betätigen im einzelnen die beftändige Ausführung von Modellen
in der ülerkftatt Michelangelos. „Deute am 12. Januar 1524 begann der Cifchler Ba-
[tiano mit mir an den Modellen für die Gräber von S. Lorenzo zu arbeiten,“ heißt es
einmal. In einem Brief des Leonardo Sellaio an den Meifter vom 10. März 1525 ift
[djon von acht Modellen die Rede. Modelle für das Juliusdenkmal, für die Faffade
von S. Lorenzo — dies Modell wurde Papft Leo X. feierlich in der Dorre Borgia vor-
geführt —, für die Creppe der Laurenziana, für den Palaft Julius III., für San Giovanni
dei Fiorentini, für die Peterskuppel endlich find durch Rechnungen und Briefe bezeugt.
Ja, eigentlich mit jedem der plaftifchen ülerke, die Michelangelo geplant oder ausgeführt
hat, verbindet [ich such irgendeine Notiz, irgendeine Vorftellung von einem Modell.
Das Modell für die Marmorgruppe von fjerkules und Kakus, das Michelangelo im
GCIettftreit mit Bandinelli anfertigte, erregte [chon bei den 3eitgenoffen allgemeine Be-
wunderung und wurde von [päteren Künftlern eifrig kopiert. So konnte [chon ein

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