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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Bombe, Walter: Die Befreiung von San Francesco in Assisi
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1109

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Studien und Forfdjungen

Stifter, vor dem FJeiligen von Afpp kniend und
oben einen Fries von 13 FJeiliyen. Die Entwürfe
zu diefen Stickereien werden dem Florentiner
Antonio Poliajuolo zugefd)rieben. Gleichfalls
eine Schenkung diefes Papftes an das von ihm
beqünftiyte Klofter ift ein riepger flandnfcher
Bildteppich mit dem Stammbaum der fähigen
des Franziskanerordens, ünter den Plaftiken
nimmt den höcbpen Rang eine köftliche Elfen-
beirimadonna franzöfifchen ürfprungs ein, die
fchon in einem Inventar von 1370 als „satis
pulchra“ erwähnt wird. Ferner befitjt der Schaf}
in einem Kelch, den Papft Nicolaus IV. mit an-
deren kirchlichen Kunftwerken ftiftete, das frühepe
Beifpiel der Anwendung des transluziden Emails
in Italien. Das Stück trägt den Namen des Sie-
nefer Goldfchmiedes Guccius Manaie und den
Namen des Stifters, duich deffen Regierungszeit
(1288—94j es datierbar ift. Außerdem enthält
der Ceforo noch eine Anzahl [ehr koftbarer ver-
goldeter Prozefponskieuze, Abendmahlskelche,
kirchlicher Gewänder und frühmittelalterlicher Ge-
mälde, die, fobald das Klofter feine urfpiüng-
licberi Räume wiedererlangt hat, den Grundftock
eines großen Franziskus - Mufeums bilden
werden.
Auch eine Bibliothek nennt das Klofter fein
eigen, die namentlich an alten 5andfd)riften
und frühen Druckwerken reich ip. Schon gegen
Ende des 14. Jahrhunderts ftand pe an dritter
Stelle unter d^n großen Bibliotheken Europas;
die erfte Stelle nahm die Bibliothek der Sor-
bonne in Paris ein, an zweiter Stelle ftand die
Bücherei zu Avignon und an dritter die zu Afpp.
Es hat in jener 3eit eine ganze Schule von
Miniaturiften im Klofter geblüht, die Chorbücher,
Bibeln und andere Codices ausfchmückten. So-
bald die großen Ausgaben für Bauarbeiten auf-
höiten, die im 14. Jahrhundert einen großen Ceil
der Einkünfte des Klofters in Anfpruch nahmen,
fing man an, bedeutende Summen für die Be-
reicherung der Bibliothek zu verwenden. Neben
vielem anderen befiel das Klofter eine berühmte
große Bibel mit Gloffaren in 16 Bänden, eine
reiche Sammlung päpfthcher Bullen, die von
Papft F)°norius III. bis zu Benedikt XIV. reichen
und in 12 dicken Bänden gefammelt pnd. Ferner
den berühmten Codex über „il magiftero de fare
fenestre de vetio et de colore de Mastro An-
tonio da Pisa“, den Kommentar des Clgone über
die Epipein des S. Paulus, von dem nur noch
ein zweites Exemplar in der Bibliotheque Na-
tionale zu Paris exiftiert. Sehr wichtig ift auch
der Codex Nr. 234, Ocham super lib. physicorum,
der nach dem Qrteil des Prof. James Sullivan
von der (Imverptät Cambridge das fchönfte der
drei in Europa exißierenden Exemplare ift, ebenfo
pnd die Crattati des Maiteo d'Acquasparta und
die Äutographen des Papini von großem THert,
Insgefamt beträgt die 3at)l der alten fjand-
[chriften etwa 700. Dazu gefeiten pch über 300

Inkunabeln. Schon im Jahre 1381 hat der Pater
Giovanni Jolo aus Afpp ein genaues Inventar
diefer Bibliothek verfaßt.
Das mupkalifche Inventar der Bibliothek ip
von Prof. Emidio Cellini in dem Bollettino tlfp-
ciale del Ministero della Pubblica Istruzione,
Vol. 1, Nr. 21, befchrieben.
Außerordentlich reichhaltig ift auch diefe mu-
fikalifdje Sammlung. Mit der gregorianifchen
Monodie beginnend, führt pe zur pämifchen
Po'yphonie, dann zu Paleßrina und bis in die
3eit der Aufhebung des Klofters. Damals wurde
die Bibliothek widerrechtlich aus dem Klofter
entfernt und der Stadt zur Verwaltung über-
geben. Sobald aber die Franziskaner ihre alten
Räume zurückerhalten, werden die Bücher wieder
in ihre alten Regale zuiückkehren, was eine
Selbftverpändlichkeit ip, weil die Bepfjverhält-
niffe völlig klar liegen. Dann wird wieder wie
einft in der Blütezeit des Klofters h>er ein reges
geiftiges Leben beginnen und Gelehrte aus aller
Qerren Länder werden gemeinfam mit den fleißi-
gen Mönchen die Quellen der Gefchichte des
Ordens ftudieren. Schon jetjt aber erfreuen fid)
die ttliffenfchaften hier einer hingebenden Pßege.
Seit vier Jahren gibt der Sacro Convento die
fdjöne Monatsfcbrift San Francesco heraus,
an der führende katholifche Gelehrte mitarbeiten.
Es mag genügen, an diefer Stelle auf die Bei-
träge h'nzuweifen, die Papft Benedikt XIV., die
Kardinale Merry del Val, Ferrari, Gusmini, der
Franziskanergeneral der Leonianifchen ünion
Klumper, die Gelehrten und Staatsmänner Luz-
zatti, Carducci, Santucci, Faloci, Calarnita, Bat-
taglia, Anile und die Patres Cavani, da Peifi-
ceto, Rigo, Sparacio, Marinangeli, Ignudi, Fosco,
Fredegando, Cicchito und Antoneili geliefert
haben. Es find ferner die erften FJefte der Viertel-
jabrsfchrift Frate Francesco erfchienen, die
von zwei bekannten Gefchichtsfchreibern des
hl. Franz herausgegeben wird, von Johannes
Jörgenfen und Vittorino Facchinatti. An Fach-
leute im engeren Sinne wendet pch die feit
vielen Jahren durch Faloci geleitete 3eitfchrift
Miscellanea Francescana. FJierzu gefeilt
pch die volkstümliche Monatsfcbrift La Voce
del Padre. Ein wertvoller Beitrag zur Ikono-
graphie des hl- Franz ip die im Verlag des
Klopers foeben erfchienene erfte Lieferung der
„Ritratti di San Francesco“, verfaßt vom
Padre Ach'lle Fosco, der auch 1923 einen hüb-
fcben Führer durch die Basilica di San Fran-
cesco vetfaßt hat» gleichfalls im Verlage des
Klopers erfchienen.
Aus alldem ip erpchtlich, daß fchon jetjt, trofj
derüngur.p der 3eiten, hier eine reges geiftiges
Leben herrfcht. Man darf erwarten, daß die
alten glorreichen 3eiten hoher Geifteskultur wie-
deikehren werden, fobald der Sacro Convento
demnächft wieder im eigentlichen Sinne des
öClortes Sacro Convento fein wird.

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