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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1114

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DIE ZEIT UND DER MARKT

Sammlungen
Berliner OftafiatifcRes Mufeum
Im 11. Reft diefes Jahrgangs ift über die Er-
öffnung berichtet worden. Dazu muß je^t an-
läßlich der Fertigßellung der bisher nod) unzu-
gänglichen lebten drei Säle Einiges nachgetragen
werden. Sie ergänzen die Sammlung ßinfidjtlid)
der früheßen 3eiten und alfo auch Chinas, das
bisßer im ganzen etwas zu kurz gekommen fchien.
So bat man die Gelegenheit aud) fonft zu einigen
Umßellutigen und Ergänzungen benutzt, die in
Sonderheit die chinefifchen Objekte herauszu-
heben und räumlich zu konzentrieren bezwecken.
Der Befucber kann jefet im chronologischen Sinne
den Rundgang aufnehmen und durchführen. Dann
hat er zunächft die wundervollen altd)inefifd)en
Bronzen um rund 1000 v. Chr. vor Augen, eine
reiche Folge jener mächtig gebildeten, zauberifd)
patinierten Keffel, Glocken ufw.; als Rauptftück
eine enorme, hellgrün fd)immernde und in dich-
ten Kreifen ornamentumfponnene ttlerbepauke.
Dazu gehören dann die ausgelegten Kataloge
einer kaiferlid)en Bronzenfammlung, deren jede
Seite mit einer koftbar feinen, genau die Pati-
nierung farbig kopierenden Abbildung illuminiert
iß. Rankeramik und kleinplaftifcße Grabbeigaben
(in etwas proviforifcber tüahl) dazwifcben. Odei-
ter dann Plaftik und Malerei der älteren Epochen,
überwiegend cbinepfcber Rerkunft. Die Skulp-
tur iß naturgemäß der fcbwäcbße Punkt der
Sammlung, immerhin vertreten fie einige an-
febnlicbe und charakteriftifche Stücke. So hebe
ich kurz hervor einen Buddha plaftifd) zwifcben
eingravierten Gottheiten in Marmor, felteneProbe
des 8. Jahrhunderts; wohl aus derfelben 3eit
ein großes Randfragment in Kanfhitfu; gerin-
gere Proben d)inepfcherSteinplaftik, frühe Bronze-
figürcben. Ferner einige faß lebensgroße fakrale
Bildwerke des 12. und 13. Jahrhunderts. Da-
mit muß man ßd), abgefeben von etlichen Bronze-
reliefplatten und Spiegeln, befcbeiden. Cüeit
ftärker tritt die Malerei auf: da iß die gold-
durchwirkte, fo kartographifd) zierliche wie
ßimmungsmäcbtige Uempellandfchaft der japa-
nifd)en Cofafchule; jenes erhabene Glorienbild
des Amida in großer Vertikalität und fcßwarz-
goldener Rarmonie; die farbig unfagbar zarten,
in ihrer Vergilbung cbromatifd) noch bereicherten
Darftellungen der buddhiftifchen Gottheiten Jizo
und Monju. Für ein europäifcbes Mufeum be-
deutet ein cbinefifcbes Kaijerbildnis an fid) eine
große Seltenheit; das um 1300 entstandene un-
[erer Galerie mit dem Rintergrund einer Setz-
fd)irmlandfd)aft fällt zudem durd) die Eigenart
der künftlerifd)en Prägung auf. Aus dem 14. Jahr-
hundert ßammt das köftlid) komponierte quer-
formatige Kakemono mit dem Abfcßied der
Prinzeffin Chao-Chun, einer bekannten Rißorien-

fzene. 3weimal erfcheint der dem Baume der
Erleuchtung zufchreitende Buddha, einmal mehr
als asketifcber Grübler aufgefaßt in dem mäch-
tig ßatternden roten Büßermantel, das andere
Mal unendlich fanft und weich in ßd) verfunken
einherwandelnd. Ein befonderes Stück iß auch
das ganz einfältig, aber überaus fein angelegte
Stilleben eines Korbes mit Reiskuchen. Damit
iß der Anfcbluß an die bereits bekannten Ueile
der Sammlung gewonnen, doch aud) unter den
die Cufcbmalerei der Sungzeit repräfentierenden
Ulerken gewahrt man noch manche neuen, fo
ein Eriptgchon des 14. Jahrhunderts, Kwannon,
Drache und Ciger, von hoher Qualität. In Vi-
trinen ßeben Fächerbilder mit Sperlingen und
landfd)aftlid)en Meditationen. Ein febr origi-
nelles Stück ift das bandfchmale dekorative
Rängebild Korins, — ein rafßniert bingefetjter
3weig, fonß nichts. Für das Japan der Kama-
kura-Periode zeugt beftecbend der Cänzer des
Yuetfu. Auch unter den Lacken und Keramiken
gute Ergänzungen.
Dem fpezielien Kenner muß wohl eine fid)
verbürgende Einfcbätjung der Objekte nach kri-
tifd)-hißorifd)en Geßd)tspunkien Vorbehalten
bleiben. Die Erlebnisbedeutung diefer in aller
Unvollständigkeit fo reichen und gerade in ihrer
neutralen Aufmachung (die nur in den neuen
Räumen zu monoton auf Grau geftellt ift) fo
pädagogifcben Oßaßen-Sammlung ift jedenfalls
ganz außerordentlich. Man kann die neue Ge-
legenheit nid)t vorübergehen laßen, ohne das
allzu wenig gewürdigte Verdienß Ernß Groffes
an diefem tüerk gebührend hervorzuheben. Sei-
nen Erwerbungen wie feinen Erkenntnißcn und
Lehren danken wir es letzten Endes.
öüilli GHolfradt.
Bafel
Mit dem Selbßbildnis mitdem fd)warzen
Rute von Rans v. Mare es, von deßen Er-
werbung für die Öffentliche Kunßfammlung
an diefer Stelle kürzlich die Rede war, gelangten
weiterhin vier fehr wertvolle Marees-Depo-
fiten in die Galerie: ein tonfchönes Knaben-
bildnis (Studie) aus dem Jahre 1866/67 und drei
Putten, urfprünglid) für den Sockel des großen
Dreißügelbildes „Das Urteil des Paris“ in der
Berliner Nationalgalerie beftimmt. — 3ugleid) hat
die moderne Abteilung der Gemäldefammlung
durch ein Figurenbild von Pablo Picaffo aus
dem Jahre 1923 eine ebenfo intereßante als an-
regende Bereicherung erfahren. Das Gemälde
— ebenfalls Depoßtum eines Bafler Sammlers —
ftellt einen Rar lekin dar, ein Motiv, das Picaßo
immer und immer wieder dargeftellt hat. Es
zeigt, wie der Künftler neueftens verfucht, ein
größeres Gemälde gleichfam mit den Mitteln der
kolorierten 3eicimung zu geßalten. Die zeich-

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