Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1137
DOI Artikel:
Grohmann, Will: Friedrich Karl Gotsch
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1137
F. K. Gotfd). Strandgut. Lithographie. 1923.
Friedrich Karl Go tfd) Von WILL GROHMANN
Mit einem Vierfarbendruck, zwölf Abbildungen auf sechs Tafeln und fünf Abbildungen im Text
Als Gotfd) 1920 auf die Dresdner Akademie kam und Sd)üler Kokofd)kas wurde,
war er 20 Jahre alt. Er halte das Glück, drei Jahre lang die Anregungen eines
^ ^ungewöhnlichen Menfd)en verarbeiten zu können, der aus pädagogifchem Eros
und um fich felber über manche Frage Klarheit zu verfchaffen, eine Lehrtätigkeit über-
nommen hatte. Kurz nad) Kokofd)kas üleggang, im ßerbft 1923, fuhr Gotfd) nach
New York, um an einer Stätte ohne Kunft felbftändig weiterzuarbeiten. Diefe 3ßit ift
für feine Entwicklung nicht verloren gewefen.
Friedrich Karl Gotfd) ftammt aus Schleswig-FJolftein, befud)te in Kiel das Gymnafium,
wurde 1918 Soldat, 1919 Student der Nationalökonmie und Ende des Jahres Maler.
Es ift nicht ausgefd)loffen, daß das Erlebnis Mund) den Ausfd)lag gab, ihn betrachtet
er noch heute als feinen Lehrer und Meifter. Fjamfun und Jacobfen beftimmen daneben
den Ort feiner geiftigen Fjeimat. Seine Sehnfud)t ift heute nod) der Norden. Ein paar
Monate arbeitete er bei Dans Ralfs in Kiel, einem Maler, der 1903 mit Mund) in
(üeimar zufammengetroffen war, von ihm wertvolle Eindrüdce erhalten hatte und fpäter
als Lehrer in Kiel fid) in einem hoffnungslofen Kampf gegen das Ewiggeftrige aufrieb.
Gotfd) ift heute eine Fjoffnung, feine bisherige Arbeit bereits mehr als ein Verfprechen.
Überfieht man die Menge der Bilder und Graphiken, rät man nicht auf vier Jahre
Cätigkeit, eher auf zehn. Er hat gar keine 3^it an verführerifd)e Cheorien und un-
fruchtbare ümwege verloren und beginnt in einer 3ed, wo nach tragifctjen und zum
üeil finnlofen Experimenten eine Abklärung und ein neuer Aufbau folgt. Die Grenzen
zwifchen abftrakter und gegenftändlicher Kunft find deutlich gezogen, und beide Reiche
entwickeln fid) unabhängig voneinander und nad) ihren Gefe^en. Die Kämpfe, die
zeitweife alles hinter Polemik und Literatur hatten verfchvvinden laffen, fpielen fid)
wieder im Bezirk des künftlerifd)en Schaffens ab, und das ürteil ftellt fid) erneut auf
das Sd)öpferifd)e ein. Mit Vorurteilen ift fo gründlich aufgeräumt, daß von Einengung
keine Rede mehr ift, es handelt fid) nur darum, die Freiheit mit Vernunft zu benützen.
Daneben haben während diefer (Dirren in beiden Lagern ein halbes Dußend von Malern
in Deutfchland weitergefchaffen und find für die Jüngeren Maßftab geworden.
In Dresden bei Kokofcßka beginnt Gotfd) ernfttjaft zu arbeiten. Der Norddeutfdje
lehnt zunächft den (Diener ab, er ift erfüllt von Gefid)ten, die er leichter in der Art
Mund)s oder Noldes ausfpred)en könnte, folange er fie nid)t aus eigener Kraft zu formen
vermag; dazu find fie literarifd) beeinflußt, FJamfuns Peffimismus wirkt nad). Die eigenen
Erlebniffe werden noch durch die Anziehungskraft wahlverwandter Aßnen abgelenkt.
Nad) Gotfd)s eigenen (Dorten zeigt ihm Kokofd)ka, „was er zu laffen und worum er
fid) zu bemühen hat, um Maler zu werden“. Als Lehrer fiel)t jener feine Aufgabe darin,
Der Cicerone, XVI. Ial)rg. Qeft 23
56
1105