Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1149
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Grohmann, Will: Friedrich Karl Gotsch
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die eigne Klaßrheit. Gotfd) ift l}eute an einem Punkte, wo fein intenfives Studium
der Natur Früchte zu tragen anfängt. Er bedarf immer weniger Mittel, um einer Land-
fcfyaft oder einem Gefielt die kennzeichnenden 3öge abzugewinnen. Das Kiefen der
Dinge liegt ftets hinter der Oberfläche, aber es führt wohl jeder Kleg dahin durch die
äußere Schale hindurch, wofern der Künftler nicht ganz auf die Natur verzichtet und
von fiel) aus eine Kielt erpndet, die ihre Exiftenz ausfd)ließlid) feiner Schöpferkraft
verdankt. Das ift ein anderes Kapitel. Sachlich ift Gotfd)s Verhältnis zur Natur noch
nicht, dazu ift er zu jung. Ein Sentiment mifcht fiel) gern ein, das bei menfchlichen
Ehernen leicht erotifch gefärbt ift. Nicht als ob es fich um eine Angelegenheit der
Sinnlichkeit handelte, aber in verfeinerter Form ift fie überall dabei und läßt den Körper
einer Frau z. B. immer auf den Mann bezogen erfcheinen. Im übertragenen Sinn, es
exiftiert in feinem Verhältnis zur Natur noch nicht der 3uftand der Selbftverftändlid)-
keit, fondern der Äufmerkfamkeit.
Eine eigne Sprache foll fich nach feinen Klorten aus der Einfid)t in die Natur ent-
wickeln, eine perfönliche Äusdrucksform. Seine formale Geftaltung hat tyeuie bereits
foviel Eigenart, daß fie fich unterfcheidet und Gotfch mitzählt. Einen beftimmten Form-
kanon befitjt er aber noch nicht. Er ift viel zu fehr bemüht, dem einmaligen Erlebnis
aud) die einmalige Geftalt zu geben, und das ift gut fo. Bisher fand jeder, der zu
früh auf eine eigne fjandfd)rift verfeffen war, Formeln ftatt Formen, d. h- die Verall-
gemeinerung, die an der KIirklid)keit zehrt, alfo vom Kapital lebt. Die ßandfehrift ift
wohl das Letzte, was ein Künftler erwerben kann, und dazu foll er fich 3eit laffem
Klo Gotfd) heute fchon beftimmte Formprägungen hat, ergeben fie fich noch nicht un-
bedingt aus dem Kiefen der Sache, find alfo noch willkürlich- Sein 3iel dürfte fein,
eine Sprache zu finden, die den Sinn der Dinge enthält, ohne fiel) von ihnen die Form
vorfchreiben zu laffen, die das ganze Leben einfchließt, aber überfet^t in eine lebendige
Sprache mit eigner Logik, die eine Äbftraktion ift, aber eine folche, die man nicht als
Äbftraktion empfindet. Von feinem Charakter wird es abhängen, ob er fein 3iel er-
reicht oder nicht.
F. K. Gotfd).
Chaplin. 5olzfd)nitt. 1923.
der Natur Früchte zu tragen anfängt. Er bedarf immer weniger Mittel, um einer Land-
fcfyaft oder einem Gefielt die kennzeichnenden 3öge abzugewinnen. Das Kiefen der
Dinge liegt ftets hinter der Oberfläche, aber es führt wohl jeder Kleg dahin durch die
äußere Schale hindurch, wofern der Künftler nicht ganz auf die Natur verzichtet und
von fiel) aus eine Kielt erpndet, die ihre Exiftenz ausfd)ließlid) feiner Schöpferkraft
verdankt. Das ift ein anderes Kapitel. Sachlich ift Gotfd)s Verhältnis zur Natur noch
nicht, dazu ift er zu jung. Ein Sentiment mifcht fiel) gern ein, das bei menfchlichen
Ehernen leicht erotifch gefärbt ift. Nicht als ob es fich um eine Angelegenheit der
Sinnlichkeit handelte, aber in verfeinerter Form ift fie überall dabei und läßt den Körper
einer Frau z. B. immer auf den Mann bezogen erfcheinen. Im übertragenen Sinn, es
exiftiert in feinem Verhältnis zur Natur noch nicht der 3uftand der Selbftverftändlid)-
keit, fondern der Äufmerkfamkeit.
Eine eigne Sprache foll fich nach feinen Klorten aus der Einfid)t in die Natur ent-
wickeln, eine perfönliche Äusdrucksform. Seine formale Geftaltung hat tyeuie bereits
foviel Eigenart, daß fie fich unterfcheidet und Gotfch mitzählt. Einen beftimmten Form-
kanon befitjt er aber noch nicht. Er ift viel zu fehr bemüht, dem einmaligen Erlebnis
aud) die einmalige Geftalt zu geben, und das ift gut fo. Bisher fand jeder, der zu
früh auf eine eigne fjandfd)rift verfeffen war, Formeln ftatt Formen, d. h- die Verall-
gemeinerung, die an der KIirklid)keit zehrt, alfo vom Kapital lebt. Die ßandfehrift ift
wohl das Letzte, was ein Künftler erwerben kann, und dazu foll er fich 3eit laffem
Klo Gotfd) heute fchon beftimmte Formprägungen hat, ergeben fie fich noch nicht un-
bedingt aus dem Kiefen der Sache, find alfo noch willkürlich- Sein 3iel dürfte fein,
eine Sprache zu finden, die den Sinn der Dinge enthält, ohne fiel) von ihnen die Form
vorfchreiben zu laffen, die das ganze Leben einfchließt, aber überfet^t in eine lebendige
Sprache mit eigner Logik, die eine Äbftraktion ift, aber eine folche, die man nicht als
Äbftraktion empfindet. Von feinem Charakter wird es abhängen, ob er fein 3iel er-
reicht oder nicht.
F. K. Gotfd).
Chaplin. 5olzfd)nitt. 1923.