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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Raeber, Willi: Alfred Heinrich Pellegrini
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1206

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land. Es gibt ßeute wenige, die große Form und Reichtum im Detail [o zu vereinigen
wißen wie Pellegrini, wenige aueß, die inßaltlicß den Großwerken adäquate menfcß-
ließ bedeutfame Cßemen zu geftalten verfteßen. — Diefe feltene Begabung für das
(Uandbild, die praktifcß zu betätigen der Künftler im Gegenfaß zu vielen gleicß-
ftrebenden Kollegen dureß glückließe ümftände von jeßer immer wieder Gelegenßeit
fand, ließen ißn früß die große pgürlicße Kompoption in den Mittelpunkt feiner künft-
lerifcßen Arbeit rücken. An ißr bildete fieß feine Art zuerft vollkommen aus. Ein
ftarker Stilwille, ein ßeßeres Gefüßl für die Bedingungen und ßaupterforderniffe des
(Uandbildes: rßytßmifcß forgfältig abgewogene Kompofition, großzügige, einfaeße
dekorative Form von guter Fernwirkung, Befcßränkung des Räumlicßen, d. ß. Vermeidung
ftarker Raumillupon ßnd ißr Kennzeicßen und zugleicß diejenigen eines guten Fresko-
ftiles. In großen Fläcßen und kraftvollen Kontraften fprießt die Farbe; zu ißr tritt als
ftark mitfpredßendes Element der Kontur, der ein ganz enormes Beßerrfcßen der Form
verrät. Aber ebenfofeßr wie dureß ißren ftreng areßitektonifeßen Aufbau in Linie und
Gruppierung wirken die Großfigurenbilder dureß die zwingende Formulierung des
Motivifcßen. Es ift außerordentlicß cßarkteriftifcß für Pellegrini, daß feine (Handbilder
immer einen geiftigen Inßalt ßaben wollen und in ßoßem Maße aueß befißen.
Bei dem ausgefproeßenen (Uillen zur Monumentalität ift es felbftverftändlicß,
daß aueß feine üafelbilder (Figururenbilder, Bildniffe und Stilleben) den ftarken
Rßytßmus und die große Auffaffung des (Uandbildes nießt verleugnen. Das Fjaupt-
gewießt ift aueß ßier auf die farbige und lineare Kompofition, auf das Kon-
ftruktive überßaupt gelegt. Der Eindruck des Areßitektonifeßen, Feftgefügten, rßgtß-
mifcß Berußigten, den die (Uerke Pellegrinis ausnaßmslos ßervorrufen, berußt in
erfter Linie darauf. Eine gewiffe Fjerbigkeit ift bei feinen Bildern immer; fie ge-
ßört zum ftrengen Stil des Künftlers und verkörpert den Ern ft und die Reinßeit, mit
denen er an die Arbeit geßt. Die große Strenge der Formgebung ift bedingt dureß
den ganz beftimmt angewendeten Fläcßenftil, mit dem der Künftler feine (Uirkung im
wefentlicßen erzielt. Dabei ßandelt es fieß keineswegs um eine primitive Darftellung
fondern um ein ganz abpcßtlicßes Reduzieren aus der Fülle der Formen, ein Fjervor-
ßeben des (Uefentlicßen und Bedeutungsvollen, fo daß bei aller Vereinfacßung und
Stilgröße doeß ein großer Reicßtum, eine ftarke (Uirklicßkeit und eine packende Un-
mittelbarkeit erzielt ift. Diefer Eindruck des Reicßen und Unmittelbaren wird unter-
ftrießen und gefteigert dureß die Farbe, die bei aller Delikateffe und Rafpniertßeit klar
und kraftvoll ift. Ein fo fießerer Farbengefcßmack, wie er fieß bei Pellegrini findet, ift
nießts Alltäglicßes. Das Kolorit ift bei aller Ökonomie intenfiv, ftark abgeftuft; eine
Vorliebe für küßle Cöne ift bezeießnend. Im übrigen ift die Farbenfkala ftets identifcß
mit der Idee, dem Inßalt des Bildes und nießt feiten erweckt das Sinnlicße der reinen
Farben im Verein mit der üypiperung alles Dargeftellten, von Menfcß und Natur, etwas
von der elementaren Kraft Böcklinfcßer Bildwirkungen.
Malerei und Segnung fteßen bei Pellegrini gleicßwertig nebeneinander. Er zeießnet
viel, und zwar nießt nur Vorftudien zu den Bildern, fondern er pßegt vielmeßr ftark
aueß die felbftändige 3ei<ßuung, die landfcßaftlicße fowoßl als die figürlicße. Er
zeießnet einfaeß, gibt oft nur Andeutungen, vermag aber immer vollftändige und an-
fcßaulicße Bildwirkung zu erzielen. Seine jiingft entftandenen 3eicßnungen Pnd von
geradezu klaffifeßer Abgeklärtßeit im Linienduktus.
Man fteßt bei Pellegrini einer intereffanten, ßöcßft anregenden Künftlergeftalt gegen-
über, der große künftlerifcße Beweglicßkeit und vor allem lebendige Pßantape eignen
und die pcß keineswegs in eine einzige Formel fügen will, fondern naeß meßreren
Seiten ßin zugleicß ausgreift. Diefer Künftler ift ßeute für die Scßweiz einer der re-
präfentativen Maler; da ift es woßl Seit zu fragen, welcße Stellung er im größeren
deutfeßen Kunftleben einnimmt. Sein tUerk drängt immer meßr dazu, von diefer (Barte
prinzipieller Kritik beurteilt zu werden.

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