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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Schmidt, Peter Franz: Alfred Kubin
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#1215

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Hlfred Kubin. 3wecklos fid) dagegen aufzulebnen.
(Äus der Litl)ograpf)ien-Mappe: Kubin „Craumland*.)

weniger ßarmlofes, Klingers Radierungen verehren; man [pürt deren verhängnisvollen
Einfluß nid)t nur bei feinen Früharbeiten, fondern weit in fein ganzes Klerk hinein.
(Uas dann aber eines Hages über ihn kam, war doch eine ganz andere, himmelwe*t
von der Klingers entfernte Offenbarung. In einem Variete überfiel ihn mit ungeheurer
Olucht ein Katarakt grauenhafter Vifionen, die den Ulehrlofen mit einer an tHahnfinn
grenzenden Henimungslofigkeit fchüttelten. Befreiung von dem Entfetjlichen fand er
erft daheim, indem er fie in fieberhafter Eile niederfchrieb: in einer harten, ungefügen,
ans Dilettantifche greifenden Manier, wie wir fie in feiner erften Mappe 3cid)nungen
von 1903 als etwas Unerhörtes, nicht ohne künftlerifche Bedenken, kennenlernten.
Der Rückfchluß auf Klinger lag fo nahe, und diefer Uleg fd)ien allzu gefährlich: es
fchreckten viele Spuren, die in diefer Löwenhöhle verfd)wanden ohne Uliederkehr. Äber
bei Kubins Erftlingswerken war doch ein Stärkeres zu fpüren. Über der Affoziations-
luft, der literarifd) gefärbten Intellektualität feiner Erfindungen ftand ein dämonifches
«[Hollen, das aus ftarker Intuition entfprang. Der tieffte Kern diefer Kunft war eben
nicht Gehirnfache, fondern Erlebnis: Grauen vor den Äbgründen des Dafeins; ein ur-
welthaftes Ängftgefühb das fiel) in fonderbaren Kombinationen von Schreckensbildern
einen Ausweg ins Freie der Bewußtheit fuctjte. Das literarifd) Angekränkelte diefer
Frühwerke, deren Ausgeburten bis 1905 reichen, ift etwas Sekundäres, man möchte
faft [agen: Angelefenes. Der Kern der Produktion ift fd)on damals Kubinfd)es Geiftes-
eigentum gewefen.
Eben die Hngefd)icktl)eit feiner frühen Vifionen weift auch auf das Unentrinnbare,
das 3wangsläufige diefer Arbeiten. Seine ungeheuerlichen Angftvorftellungen fanden
nicht Plat3 in der dürftigen Hülle affoziierender Segnung. Als die Flut feiner pri-
mären Halluzinationen fiel), um 1905, verlaufen hatte und dann die Nötigung eintrat,
fid) an gegebene Vorftellungen, an fremde Hexte anzufd)ließen: da begann bei Kubin
ernftlid) der 3wang zu bildhafter Geftaltung; da wuchs er zu feiner eigentlichen Be-

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