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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0276

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Neue Bücher und 3citfd)riften

aber gut, die Abbildungen [ind ausgezeichnet;
gedruckt bei — Ernft CUasmuth A.-G., Berlin.
Die vorliegenden Fjefte gelten zwei foliden Künft-
lerperfönlichkeiten mit allen Vorzügen franzöp-
fd)er Cradition. Man bewundert immer wieder
den guten Durd)fd)nitt. In jedem Fall ift diefe
neue Bücherreihe geeignet, die Kenntnis mo-
derner franzöfifcher Malerei dem Auslande auf
noch breiterer Baps zu vermitteln als bisher, -s-
Ludwig Kassäk und L. Moholy Nagy. Buch
Neuer Künstler. Wien 1922.
Eine tiefergehende Befprechung diefes Buches
fchreiben hieße: pch in aller Gründlichkeit mit
dem Problem des Konftruktivismus auseinander-
fetjen. Das ift aus Raummangel hier leider un-
möglich. Immerhin ift mit diefer Feßßellung be-
reits etwas tüefentliches über das Buch gefagt:
daß hier an einer Reihe vorzüglich ausgewählter
Abbildungen jene Seite der modernen Kunß be-
fonders deutlich wird, die — vom Futurismus und
der abfoluten Malerei Kandinfkys ausgehend —
zum Kubismus führt und fchließlid) im foge-
nannten Konftruktivismus mündet. Es iß jene
Richtung, die dem Grundzug unferes 3eitalters
auf dem Gebiete der Kunft korrefpondiert. Mit
Entfchiedenheit wird hier aller Expreßionismus
abgelehnt, deffen Schöpfungen das leider nicht
fehr klareVorwort Kaffäks als „verfchüttete Emp-
findungspfütjen“ bezeichnet. Der Expreßionismus
ift diefen Künßlern die „letzte Blüte der fenti-
mental zugefpitjten, in alle Icb-Krankheiten töd-
lich verliebten, kleinbürgerlichen Seele“. Fjier ift
bei aller Einfeitigkeit etwas Richtiges gefeben:
das parke Überwiegen einer ausgefprochen fub-
jektiven, gefühlshaltigen Komponente in der mo-
dernen Ausdruckskunft, aus der zwar wundervolle
Einzelwerke, aber keine dauernde Form, kein
Stil und vor allem kein 3eitftil erwachen konnten,
tlnfere 3eit ift — das fehen die Leute um Moholy
Nagy nur allzu richtig — alles andere als eine
Epoche fubjektiver Romantik. Sie iß hart, nüch-
tern, rückpchtslos in allen Dingen des Gefühls
und der Seele — aber pe hat ihren eigenen Geiß,
pe hat die Schönheit derCechnik und der Kon-
ßruktion und den Raufch der Dimenponen und
des Dynamifchen. Fjier wurzeln die Möglich-
keiten einer Kunft, die wirklich dem Geifte un-
feres 3eitalters entfpricht. Schon der Kubismus
enthält bei aller doch ßark romantifchen Fjaltung
ausgefprochen konßruktive Elemente. Im Kon-
ftruktivismus pnd alle noch irgendwie gefühls-
haltigen 3üge grundfätpirf) ausgefdjaltet; übrig
bleibt die reine Konßruktion, die klare, mathe-
matifche, allerGegenßändlichkeit enthobeneKom-
poption.
Diefe Entwicklung kommt in dem Abbildungs-
teil des Bandes feßr fchön zum Ausdruck. Dabei
pnd zwifchen die merke bildender Kunß Auf-
nahmen von ^ochfpannungsfernleitungen, Renn-
autos, Flugzeugen, induftriellen Anlagen ufw.

eingeftreut, in denen pch der Stil unferer 3eit
bereits eindeutig realipert hat. Gerade der Ver-
gleich diefer technifchen Dinge mit den merken
jüngfter Kunft erweiß, wie weit diefe im Grunde
noch zurück iß. Selbft der Konßruktivismus
bietet erft Anfänge; er iß das grammatikalifche
Gerüft einer neuen, künftlerifchen Sprache, die
über kurz oder lang der künftlerifche Ausdruck
unferer 3eit Tein wird. Fjervorzuheben iß fchließ-
lich noch die rhythmifche Anordnung der Ab-
bildungen auf den einzelnen Seiten, die ähnlich
wie die Methode der konftruktivißifchen Bild-
hängung ihre eigenen Reize beptjt. So bietet
das merk einen wichtigen Beitrag zur Gefd)id)te
der jüngßen Kunß, der leider noch nicht in ent-
fprechendem Maße gewürdigt worden iß.
Paffarge.
TheodorWilhelm Danzel, „Mexiko /". Folk-
wang- Verlag. 1922.
Diefe vortreßliche Publikation altmexika-
nifcher Bilderfchriften gibt Proben aus den
Schickfalsbüchern der alten Mexikaner. Am ein-
diücklichßen wirkt die Bilderreihe des Ijöllen-
fahrtmythus, eines Kernßückes mexikanifcher
Cheologie. Der äßhetifche Grundcharakter aller
Darßeilungen iß der difziplinierter mildheit.
Überall ift als Cangente und Mittelpunkt des
gleichwohl gefdßoßenen Kunßkreifes eine ur-
tümliche Dämonie fpürbar. Der Inhalt iß folcber
Formenfprache konform und kongenial. Er iß
es denn auch, der dem Völkerkundler Danzel am
nächften liegt. Derüext iß den Grundzügen der
altmexikani fehen Geifteskultur gewidmet und be-
fchäftigt pd) mit der Ordnung der Götter, der
zeitlich-räumlichen Gliederung des Kosmos, der
magifchen Anatomie, mit Kultus und Opfer, —
all diefe Catfädjlichkeiten von einem weitblicken-
den völkerp fy chologifchen Standpunkte aus
interpretierend. Für die Kunßwißenfchaft iß hier-
mit noch nicht viel gewonnen, doch wird auch
pe angeregt, pch dem [ynthetifchen Gepchtswinkel
neuerer mefensfehau einzufügen: die Form wird
erft durch ihre Einheit mit Gehalt und Inhalt er-
lebniskräftig. Eck. v. Sydow.
3 e i t f d) r i f t e n
Ämßerdam
Der Leiter der ehemaligen „Gefellfchaft für
bildende Künße“, Nico van Fjarpen, läßt im Ver-
lage von J. 5. de Bußy, Ämßerdam, ab Januar
das „Maandblad voor Beeidende Kunßen“ er-
fdjeinen. Diefes iß zwar noch immer nicht jene
in Fjolland dringend nötige Kunßzeitfchrift mit
führendem Verantwortungsbewußtfein, aber pe
füllt dod) wenioftens infofern eine Lücke, als pe
in zahlreichen Notizen die Bewegung der Preife
und Liebhaberneigungen aud) auf dem inter-
nationalen Markte aufzuzeigen jucht. Außer
diefer orientierenden Aufgabe für die Fachleute

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