fiel) mit jenen Richtungen auseinanderfe^ten und fdjließlid) zur Frühromantik weiter-
fdjritten, ein durchaus eigenes Geficht bewahrt.
Äm deutlichften wird jenes Ringen um die neue Form in der Geftaltung der Porträts.
Ein rationaliftifch gerichtetes Bürgertum, deffen praktifeßer Sinn nach Einfachheit und
Natürlichkeit ftrebte, trat als Auftraggeber malerifcher Arbeiten mehr und mehr in den
Vordergrund. Es konnte an der Art der Fürftenbildniffe, die mit Draperien und allen
Requifiten höfifchen Prunkes überladen waren und in diefer Geftalt bis dahin faft aus-
nahmslos die Aufgabe der deutfehen Porträtmaler gebildet hatten, keinen Gefallen finden.
Man verlangte nicht fo [ehr nach Verewigung des Menfchen als Vertreters eines be-
ftimmten Standes, fondern wollte vielmehr den Menfchen um feiner felbft willen im
Bilde feftgehalten wiffen. Diefer neuen Aufgabe, für die ein Sid)verfenken in die
Individualität des Darzuftellenden und eine pfydhologifch vertiefte Charakterifierung erftes
Erfordernis wurde, waren indes nur wenige von all den vielen Malern gewad)fen,
die an den zahlreichen großen und kleinen Fürftenhöfen des damaligen Deutfd)lands
lebten. düas man da alles im Dienfte der Verherrlichung und der am Vorbilde von
Verfailles entzündeten Prachtliebe ihrer h°hen Gönner von ihnen verlangte, erforderte
zumeift eine derartige Vielfeitigkeit des Könnens und der Betätigung, daß ihnen zur
intenfiven Befd)äftigung mit der Porträtmalerei allein kaum 3eit blieb. Bildniffe der
fürftlidjen Familie und der Fjofgefellfchaft wechselten mit Darftellungen von Allegorien
und Schäferfzenen und Gemälden mythologifchen Inhaltes in antikifd)em Gewände.
Dazu kamen oft noch Entwürfe für Ojeaterdekorationen und die Ausfchmückung der
Gefellfchaftsräume zu befonders feftlichen Gelegenheiten. Außerdem war in vielen
Fällen der Hofmaler feiner Stellung nach keineswegs über die Schar der kleineren Hof-
beamten und Lakaien emporgehoben, ünd gerade aus diefem letzteren Grunde kam
er nur feiten dazu, in feinen höfifchen Modellen die befonderen individuellen 3üge za er-
forfchen, um fie dann in freier malerifcher Durchdringung wiederzugeben. Nur bei
einigen wenigen Hofmalern, wie Joh- Georg 3ieTeniS (1716—1777) und Joß. ßeinrich
Cifcßbein (1722—1789), laffen fid) gelegentlich Anfänge einer Verinnerlichung der Por-
träts erkennen. Namentlich in den zahlreichen Selbftbildniffen der letzteren tritt dies
überrafchend ftark hervor, ohne daß dabei die rein malerifche Qualität des Bildganzen
beeinträchtigt worden wäre. Das Streben nad) individueller Charakterifierung wurde
der großen Maffe deutfeßer Porträtiften damals und fpäter leicht zum Verhängnis, in-
dem fie bei fonft glänzender malerifcher Auffaffung des Guten zu viel taten und fcßließ-
lich in eine kleinliche und allzu fubtile öüiedergabe der äußeren Erfcßeinung ihrer Mo-
delle verfielen.
Erft J ohann Friedrich Auguft Cifcßbein befaß die Kraft zu jener großen Syntßefe,
die die Anmut und Grazie des höfifchen Rokoko mit der Schlichtheit und Innerlichkeit
der neuen Richtung verband, obwohl er felbft die längfte 3eit feines Lebens fjofmaler
gewefen war. Seine hervorragende Stellung unter den Porträtiften feiner 3eit zu er-
kennen, hatte man fchon auf größeren retrofpektiven Ausheilungen der lebten Jahr-
zehnte Gelegenheit. In Berlin 1896 und am gleichen Ort auf der Jal)rhundertausftellung
von 1906, auf der Leipziger Porträtausftellung von 1912, in Heidelberg 1914 und im
gleichen Jahre auf der fchon eingangs erwähnten Ausftellung in Darmftadt. Doch auf
allen diefen trat feine Bedeutung für die Entwicklung gerade des bürgerlichen Porträts
hinter der großen 3aßl der mitausgeftellten Fürftenbildniffe etwas zurück, dm fo mehr
ift es zu begrüßen, daß der Leipziger Kunftverein mit feiner kürzlich eröffneten Aus-
heilung von über fiebzig bürgerlichen Bildniffen und einer ftattlicßen Anzahl bisher
nicht an die Öffentlichkeit gebrachter Skizzen und 3cicßnungen Cifcßbeins aus deutfehen
Mufeums- und Privatbefits uns die Meifterfchaft diefes Künftlers auf diefem Gebiete
feines Kunftfchaffens aufs neue und eindringlich vor Augen ftellt.
Es ift ohne weiteres klar, daß die Kräfte für jene Vermittlerrolle nur aus Friedrich
Augufts eigener menfehlicher und künftlerifcher Entwicklung refultieren konnten. Ein
441
fdjritten, ein durchaus eigenes Geficht bewahrt.
Äm deutlichften wird jenes Ringen um die neue Form in der Geftaltung der Porträts.
Ein rationaliftifch gerichtetes Bürgertum, deffen praktifeßer Sinn nach Einfachheit und
Natürlichkeit ftrebte, trat als Auftraggeber malerifcher Arbeiten mehr und mehr in den
Vordergrund. Es konnte an der Art der Fürftenbildniffe, die mit Draperien und allen
Requifiten höfifchen Prunkes überladen waren und in diefer Geftalt bis dahin faft aus-
nahmslos die Aufgabe der deutfehen Porträtmaler gebildet hatten, keinen Gefallen finden.
Man verlangte nicht fo [ehr nach Verewigung des Menfchen als Vertreters eines be-
ftimmten Standes, fondern wollte vielmehr den Menfchen um feiner felbft willen im
Bilde feftgehalten wiffen. Diefer neuen Aufgabe, für die ein Sid)verfenken in die
Individualität des Darzuftellenden und eine pfydhologifch vertiefte Charakterifierung erftes
Erfordernis wurde, waren indes nur wenige von all den vielen Malern gewad)fen,
die an den zahlreichen großen und kleinen Fürftenhöfen des damaligen Deutfd)lands
lebten. düas man da alles im Dienfte der Verherrlichung und der am Vorbilde von
Verfailles entzündeten Prachtliebe ihrer h°hen Gönner von ihnen verlangte, erforderte
zumeift eine derartige Vielfeitigkeit des Könnens und der Betätigung, daß ihnen zur
intenfiven Befd)äftigung mit der Porträtmalerei allein kaum 3eit blieb. Bildniffe der
fürftlidjen Familie und der Fjofgefellfchaft wechselten mit Darftellungen von Allegorien
und Schäferfzenen und Gemälden mythologifchen Inhaltes in antikifd)em Gewände.
Dazu kamen oft noch Entwürfe für Ojeaterdekorationen und die Ausfchmückung der
Gefellfchaftsräume zu befonders feftlichen Gelegenheiten. Außerdem war in vielen
Fällen der Hofmaler feiner Stellung nach keineswegs über die Schar der kleineren Hof-
beamten und Lakaien emporgehoben, ünd gerade aus diefem letzteren Grunde kam
er nur feiten dazu, in feinen höfifchen Modellen die befonderen individuellen 3üge za er-
forfchen, um fie dann in freier malerifcher Durchdringung wiederzugeben. Nur bei
einigen wenigen Hofmalern, wie Joh- Georg 3ieTeniS (1716—1777) und Joß. ßeinrich
Cifcßbein (1722—1789), laffen fid) gelegentlich Anfänge einer Verinnerlichung der Por-
träts erkennen. Namentlich in den zahlreichen Selbftbildniffen der letzteren tritt dies
überrafchend ftark hervor, ohne daß dabei die rein malerifche Qualität des Bildganzen
beeinträchtigt worden wäre. Das Streben nad) individueller Charakterifierung wurde
der großen Maffe deutfeßer Porträtiften damals und fpäter leicht zum Verhängnis, in-
dem fie bei fonft glänzender malerifcher Auffaffung des Guten zu viel taten und fcßließ-
lich in eine kleinliche und allzu fubtile öüiedergabe der äußeren Erfcßeinung ihrer Mo-
delle verfielen.
Erft J ohann Friedrich Auguft Cifcßbein befaß die Kraft zu jener großen Syntßefe,
die die Anmut und Grazie des höfifchen Rokoko mit der Schlichtheit und Innerlichkeit
der neuen Richtung verband, obwohl er felbft die längfte 3eit feines Lebens fjofmaler
gewefen war. Seine hervorragende Stellung unter den Porträtiften feiner 3eit zu er-
kennen, hatte man fchon auf größeren retrofpektiven Ausheilungen der lebten Jahr-
zehnte Gelegenheit. In Berlin 1896 und am gleichen Ort auf der Jal)rhundertausftellung
von 1906, auf der Leipziger Porträtausftellung von 1912, in Heidelberg 1914 und im
gleichen Jahre auf der fchon eingangs erwähnten Ausftellung in Darmftadt. Doch auf
allen diefen trat feine Bedeutung für die Entwicklung gerade des bürgerlichen Porträts
hinter der großen 3aßl der mitausgeftellten Fürftenbildniffe etwas zurück, dm fo mehr
ift es zu begrüßen, daß der Leipziger Kunftverein mit feiner kürzlich eröffneten Aus-
heilung von über fiebzig bürgerlichen Bildniffen und einer ftattlicßen Anzahl bisher
nicht an die Öffentlichkeit gebrachter Skizzen und 3cicßnungen Cifcßbeins aus deutfehen
Mufeums- und Privatbefits uns die Meifterfchaft diefes Künftlers auf diefem Gebiete
feines Kunftfchaffens aufs neue und eindringlich vor Augen ftellt.
Es ift ohne weiteres klar, daß die Kräfte für jene Vermittlerrolle nur aus Friedrich
Augufts eigener menfehlicher und künftlerifcher Entwicklung refultieren konnten. Ein
441