Neue Bücher
Walter Timmling, Kunstgeschichte und
Kunstwissenschaft. Kleine Literatur führ er.
Bd. 6. Gm. 3.—. Verlag Koehler & Volckmar.
Leipzig 1923.
Ein nützliches Bud), von dem ich fdbon oft in
Dankbarkeit fprechen hörte. Der Verfaffer hat
nicht nur eine arbeitsvolle, auch eine heikle Huf-
gabe zu löfen verfucht. Denn er unternimmt es,
die aufgeführte Literatur zu charakteriperen.
Er tut das im wefentlichen nach dem Leitfafz
„tout comprendre c’est tout pardonner“, was bei
ihm indeffen Lügend, nicht Mangel an Kritik-
fähigkeit bedeutet. Man wird ihm von mancher
Seite Verbefferungsvorfchläge machen, vor allem
hinpchtlid) der Huswahl. ünd das dürfte zur
Läuterung einer fold) reichhaltigen Legierung
manchmal beitragen. Ich für mein Ceil ver-
miffe ein für die Probleme der Kunft der Gegen-
wart wertvolles kleines, aber konzentriertes
Buch: Rudolf Blümner, Der Geip des Kubismus
und die Künße. — Geiftvoll, faft w^ig und eine
köftliche Klürze des Stoffes ift der Gedanke
Frankls, dem Literaturführer eine Hbhandlung
mit der Überfchrift „Meinungen...“, und zwar
um einen konkreten Kern gefponnene „über
Herkunft und Kiefen der Gotik“ voranzupellen.
Huch er zielt auf eine alte Lebensweisheit, die
jedem Fjeranreifenden einmal innewird: „Lout
ce que je sais... etc.“. Kliefe.
Wernher Witthaus. Benrath, das ster-
bende Lustschloß am Niederrhein. Hei-
matverlag G. m. b. H. Dortmund 1924.
Der weftfälifche Beimatbund und der Rheinifche
Verein für DenkmalpPege und Beimatfchujz eröff-
nen mit diefem gut ausgeftatteten Bilderhefte eine
Buchreihe „Führer zum deutfchen Kleften“. Sie
will nach der Ankündigung des Innentitels „den
Brüdern im unbefetpen Deutfchland von diefem,
durch Sage und Gefchidjte geweihten, durch
unfere Hrmut und Leiden bedrohten, großen
Reichtum in Einzeldarftellungen erzählen“. Der
Verfaffer hatte es infofern nicht fchwer, als in
der Monographie „Benrath“ des Deutfchen Ver-
eins für Kunftwiffenfchaft aus der Feder des
rheinifchen Provinzialkonfervators Edmund Re-
nard eine in jeder Binßcht vorbildliche Arbeit
vorliegt; auch Richard Klaphecks Baukunß am
Niederrhein, II. Band, behandelt Benrath mit [o
großer Ausführlichkeit, wie es diefes Schmuck-
ftück des rheinifchen Rokoko, ein Meiperbau
des Nicolas von Pigage, verdient. Von Renards
merk erfährt der Lefer diefes neuen populären
Buches erft auf Seite 50 (der lebten) aus An-
merkung 6, obfchon allein für den Bilderfchmuck
bis auf einige Anfichten, die pch bei Klapheck
pnden, genau diefelben Vorlagen, auch für die
Grundriffe, benutzt wurden. Das mag hmgehen,
da der Autor vielleicht eigene neue Ergebniffe
anzubieten hat. Leider ip davon keine Rede.
Vielmehr fdjwelgt der Cext in blumenreichen
Erörterungen und gewagten Konpruktionen —
mit den gefchichtlichen füllte pd) einmal ein
Fjiftoriker auseinanderfeßen —, die gerade bei
einem „Führer“ durchaus fehl am Ort pnd. Für
den Stil und die Behandlung der deutfchen
Sprache einige Beifpiele: „Gezwungen, pd) mit
den politifchen Strömungen feiner 3eit ausein-
anderzufefzen, hat den Fürften kaum ein günftiges
Ereignis verföhnt“ (Seite 7). „Rokoko ift 5m~
gäbe an das Gegenpändlidje, ohne daß die
gegenpändliche Erfcheinung fd)on ganz zumDog-
ma geworden, wie pe es heute in unferer op-
tifd)en Perfpektive geworden ift. Rokoko ift
ein fpätes Spiel mit gefährlichen Dingen: das
3erpßücken einer Blume über Gefühlen, mit
denen man kokettiert“ (Seite 44). Klir verlaffen
„des verliebten Schloffes fehnende Stille“ und
fragen uns vergeblich, ob für den „Rheinifchen
Verein für Denkmalpßege und Fjeimatfchulz“,
deffen „Mitteilungen“ berechtigten Ruf genießen,
die A. E. Brindcmann, Feulner, Lohmeyer und
andere Kenner des deutfchen Rokoko umfonft
gelebt haben, und ob es nötig war, einen
Schriftpeiler heranzuziehen, dem augenfcheinlid)
jedes Gefühl für Gefchmack und eine der (Hürde
des Gegenftandes angemeffene Behandlung ab-
handen gekommen pnd. Halter Cohen.
Hans Fehr, Das Recht im Bilde. Mit 222 Ab-
bildungen. Im Eugen Re nt sch- Verlag. Erlen-
b ach-Zürich.
Ein Buch, das zu Recht und Kunft gleicher-
weife neues und intereffantes Material herbei-
fchafft. Merkwürdig, wie eine anfcheinend fo
trockene Materie wie das Recht in der Kunft zu
blühen anfängt und an das Menfchlichße rührt,
ebenfo merkwürdig, wie daß die Kunß die Ge-
walt hat, diefes Menfchlid)e in etwas fo Qn-
menfchlichem aufzufpüren, wie es Verurteilung,
Marter, Fjmrichtung find. Selbft die verßeckte
göttliche Hurzel des Rechts — die Anrufung
des Gottesurteils, Feuer- und Hafferprobe —
kommen unvermutet und ergreifend zum Vor-
fchein. 3um größten Geil gehören diefe 3ßag-
niße bildender Kunß in den Kreis der Miniatur-
malerei, vor allem der deutfchen und fcbweize-
rifchen. Der Cext iß gottlob klar und fachlich,
nirgendwo die Grenzen desCpemas überfchrei-
tend — heute ein großes Lob.
Klilhelm Schmidtbonn.
Kurt Pfister, Hugo van der Goes. Benno
Schwabe <£ Co. Basel 1923.
Der Verfaffer wirkt wie ein 3auberkünftler.
Aus dem großen Kunftbereid) hebt er Bücher
aus den verfd)iedenften Regionen ans Lages-
lid)t. So legt er Bände über Rembrandt, Kata-
kombenmalerei, Die mittelalterliche Buchmalerei
des Abendlandes, Irifche Buchmalerei, Die primi-
tiven Bolzfchnitte, Der junge Dürer, JanvanEydc,
Fjieronymus Bofd), Berkules Segera, Marees,
834
Walter Timmling, Kunstgeschichte und
Kunstwissenschaft. Kleine Literatur führ er.
Bd. 6. Gm. 3.—. Verlag Koehler & Volckmar.
Leipzig 1923.
Ein nützliches Bud), von dem ich fdbon oft in
Dankbarkeit fprechen hörte. Der Verfaffer hat
nicht nur eine arbeitsvolle, auch eine heikle Huf-
gabe zu löfen verfucht. Denn er unternimmt es,
die aufgeführte Literatur zu charakteriperen.
Er tut das im wefentlichen nach dem Leitfafz
„tout comprendre c’est tout pardonner“, was bei
ihm indeffen Lügend, nicht Mangel an Kritik-
fähigkeit bedeutet. Man wird ihm von mancher
Seite Verbefferungsvorfchläge machen, vor allem
hinpchtlid) der Huswahl. ünd das dürfte zur
Läuterung einer fold) reichhaltigen Legierung
manchmal beitragen. Ich für mein Ceil ver-
miffe ein für die Probleme der Kunft der Gegen-
wart wertvolles kleines, aber konzentriertes
Buch: Rudolf Blümner, Der Geip des Kubismus
und die Künße. — Geiftvoll, faft w^ig und eine
köftliche Klürze des Stoffes ift der Gedanke
Frankls, dem Literaturführer eine Hbhandlung
mit der Überfchrift „Meinungen...“, und zwar
um einen konkreten Kern gefponnene „über
Herkunft und Kiefen der Gotik“ voranzupellen.
Huch er zielt auf eine alte Lebensweisheit, die
jedem Fjeranreifenden einmal innewird: „Lout
ce que je sais... etc.“. Kliefe.
Wernher Witthaus. Benrath, das ster-
bende Lustschloß am Niederrhein. Hei-
matverlag G. m. b. H. Dortmund 1924.
Der weftfälifche Beimatbund und der Rheinifche
Verein für DenkmalpPege und Beimatfchujz eröff-
nen mit diefem gut ausgeftatteten Bilderhefte eine
Buchreihe „Führer zum deutfchen Kleften“. Sie
will nach der Ankündigung des Innentitels „den
Brüdern im unbefetpen Deutfchland von diefem,
durch Sage und Gefchidjte geweihten, durch
unfere Hrmut und Leiden bedrohten, großen
Reichtum in Einzeldarftellungen erzählen“. Der
Verfaffer hatte es infofern nicht fchwer, als in
der Monographie „Benrath“ des Deutfchen Ver-
eins für Kunftwiffenfchaft aus der Feder des
rheinifchen Provinzialkonfervators Edmund Re-
nard eine in jeder Binßcht vorbildliche Arbeit
vorliegt; auch Richard Klaphecks Baukunß am
Niederrhein, II. Band, behandelt Benrath mit [o
großer Ausführlichkeit, wie es diefes Schmuck-
ftück des rheinifchen Rokoko, ein Meiperbau
des Nicolas von Pigage, verdient. Von Renards
merk erfährt der Lefer diefes neuen populären
Buches erft auf Seite 50 (der lebten) aus An-
merkung 6, obfchon allein für den Bilderfchmuck
bis auf einige Anfichten, die pch bei Klapheck
pnden, genau diefelben Vorlagen, auch für die
Grundriffe, benutzt wurden. Das mag hmgehen,
da der Autor vielleicht eigene neue Ergebniffe
anzubieten hat. Leider ip davon keine Rede.
Vielmehr fdjwelgt der Cext in blumenreichen
Erörterungen und gewagten Konpruktionen —
mit den gefchichtlichen füllte pd) einmal ein
Fjiftoriker auseinanderfeßen —, die gerade bei
einem „Führer“ durchaus fehl am Ort pnd. Für
den Stil und die Behandlung der deutfchen
Sprache einige Beifpiele: „Gezwungen, pd) mit
den politifchen Strömungen feiner 3eit ausein-
anderzufefzen, hat den Fürften kaum ein günftiges
Ereignis verföhnt“ (Seite 7). „Rokoko ift 5m~
gäbe an das Gegenpändlidje, ohne daß die
gegenpändliche Erfcheinung fd)on ganz zumDog-
ma geworden, wie pe es heute in unferer op-
tifd)en Perfpektive geworden ift. Rokoko ift
ein fpätes Spiel mit gefährlichen Dingen: das
3erpßücken einer Blume über Gefühlen, mit
denen man kokettiert“ (Seite 44). Klir verlaffen
„des verliebten Schloffes fehnende Stille“ und
fragen uns vergeblich, ob für den „Rheinifchen
Verein für Denkmalpßege und Fjeimatfchulz“,
deffen „Mitteilungen“ berechtigten Ruf genießen,
die A. E. Brindcmann, Feulner, Lohmeyer und
andere Kenner des deutfchen Rokoko umfonft
gelebt haben, und ob es nötig war, einen
Schriftpeiler heranzuziehen, dem augenfcheinlid)
jedes Gefühl für Gefchmack und eine der (Hürde
des Gegenftandes angemeffene Behandlung ab-
handen gekommen pnd. Halter Cohen.
Hans Fehr, Das Recht im Bilde. Mit 222 Ab-
bildungen. Im Eugen Re nt sch- Verlag. Erlen-
b ach-Zürich.
Ein Buch, das zu Recht und Kunft gleicher-
weife neues und intereffantes Material herbei-
fchafft. Merkwürdig, wie eine anfcheinend fo
trockene Materie wie das Recht in der Kunft zu
blühen anfängt und an das Menfchlichße rührt,
ebenfo merkwürdig, wie daß die Kunß die Ge-
walt hat, diefes Menfchlid)e in etwas fo Qn-
menfchlichem aufzufpüren, wie es Verurteilung,
Marter, Fjmrichtung find. Selbft die verßeckte
göttliche Hurzel des Rechts — die Anrufung
des Gottesurteils, Feuer- und Hafferprobe —
kommen unvermutet und ergreifend zum Vor-
fchein. 3um größten Geil gehören diefe 3ßag-
niße bildender Kunß in den Kreis der Miniatur-
malerei, vor allem der deutfchen und fcbweize-
rifchen. Der Cext iß gottlob klar und fachlich,
nirgendwo die Grenzen desCpemas überfchrei-
tend — heute ein großes Lob.
Klilhelm Schmidtbonn.
Kurt Pfister, Hugo van der Goes. Benno
Schwabe <£ Co. Basel 1923.
Der Verfaffer wirkt wie ein 3auberkünftler.
Aus dem großen Kunftbereid) hebt er Bücher
aus den verfd)iedenften Regionen ans Lages-
lid)t. So legt er Bände über Rembrandt, Kata-
kombenmalerei, Die mittelalterliche Buchmalerei
des Abendlandes, Irifche Buchmalerei, Die primi-
tiven Bolzfchnitte, Der junge Dürer, JanvanEydc,
Fjieronymus Bofd), Berkules Segera, Marees,
834