Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI Artikel:
Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [1]: eine Atelier-Studie von S. v. Adelung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0165

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
,26

Maria

Eine Atelier-Studie

iese Aufregung, in welche unsre gute alte Stadt
geriet! Eine Landesausstellung mit „spezieller
Berücksichtigung der schönen Künste," goldener Medaille,
silberner Medaille und „besonderer Erwähnung". Kein
Wunder, daß unsere guten Bürger strammer als ge-
wöhnlich aus der Straße einhergingen und ein ganz
neues, nie dagewesenes Leben sich in der Kaufmannschaft
regte. Und nun vollends in der Kunstschule! Da war
auch kein einziger Jüngling, der nicht acht Tage lang
nach der wichtigen Kunde, von goldenen Medaillen ge-
träumt hätte, so groß wie Mühlsteine, die ihm zuwinkten
und blinkten und ihn zu locken schienen in eine Ferne
unermeßlichen Glanzes, Ruhmes und Reichtums.

Ja, ja, die Jugend!

Ich hatte unsere Kunstschule damals schon verlassen
und mir ein eigenes Atelier gemietet; stand aber in den
freundlichsten Beziehungen zur Schule, sowie zum Pro-
fessor, welch' letzterer mein malerisches Gewissen geblieben
und mein väterlicher Freund geworden war, und ein
viel größeres Vertrauen zu meinem Talente hegte als
ich selbst.

Am Morgen, nachdem sich die Nachricht in der
Stadt verbreitet hatte, trat er bei mir ein.

„Ulmbach," sagte er, „Sie wissen, ich halte große
Stücke auf Sie. Ich würde Ihnen ernstlich zürnen,
wenn Sie nicht den ersten Preis davontrügen."

„Ich?" sagte ich erschreckt und bückte mich, um mit
anscheinender Gleichgiltigkeit einen Reißnagel vom Boden
aufzuheben.

„Sie haben es in sich," fuhr der Professor fort,
und sein scharfgeschnittenes Gesicht nahm einen streng
wohlwollenden Ausdruck an. „Sie können es, wenn Sie
wollen, und ich wiederhole Ihnen, es würde mir eine be-
sondere Freude machen."

„Wolkow ist des Preises so gut wie sicher," sagte
ich ausweichend und ohne dem Professor in die Augen
zu sehen.

Er wurde ungeduldig und aus seinen kleinen,
grauen Augen fühlte ich es zu mir herüberblitzen. „Das
ist es ja eben!" rief er, „soll der Junge Sie denn Alle
stets überflügeln? Haben Sie doch einmal den Mut,
das Selbstvertrauen, etwas wirklich Tüchtiges zu leisten
— und, kurz und gut, ich will nicht, daß ein Ausländer
den Preis erringt!"

Und damit ging der Professor zur Thüre hinaus.

Diese leidige Ausstellung! Noch nie hatte ich mich
so innerlich gesammelt, so, ich möchte fast sagen, feierlich
gehoben gefühlt, wie in den letzten Wochen — und nun
war alles vorbei. Eine mißmutige Unruhe hatte sich
meiner bemächtigt und ich verwünschte die Veranlassung
derselben von ganzer Seele. Zwar mein Entschluß stand

Stuarr

von Z. v. Adelung

fest: ich wollte das Bild malen, komme was da wolle,
das Bild, dessen kleinste Einzelheiten ich mit meinem
geistigen Auge klarer und deutlicher sah, als die ganze
Außenwelt um mich her. Ich mußte es malen und ich
wußte auch, daß, wenn ich so malte, wie ich es Tag
und Nacht vor mir sah, es ein gutes Bild werden
müßte. Und ich kannte sie ja auswendig, eine jede
Biegung dieser schmiegsamen, weichen Gestalt, das feine
Oval des Kopfes, das blasse zarte Gesicht mit den
schwärmerischen Augen, das sie so sinnend neigte; zu
ihren Füßen auf einem Atlaskissen, halb knieend, halb
kauernd, die Mandoline in den Händen, der Jüngling
in dem geschlitzten Sammetwamms mit den südländischen
Glutaugen, deren Blick auf der Gebieterin haftete, —
bittend, flehend. Der Knabe spielt nicht mehr, obschon
seine Finger noch auf den Saiten ruhen — beide sehen
sich schweigend an -— aber ein Wort zittert auf beider
Lippen — das Wort der Liebe.

Daß ich es kurz sage, Maria, die unglückliche
Königin und ihr Liebling Rizzio schwebten mir nun
schon seit Monaten vor. Mir war, als solle ihnen
durch mich Erlösung werden und zum erstenmal fühlte
ich eine innere, feste, freudige Zuversicht. Ja, selbst der
Onkel sollte endlich zugeben, daß ein wahrer Maler in
mir stecke und seine kränkenden Worte zurücknehmen.

Dieses Wachsen der eigenen Kraft, das ich in mir
beobachtet hatte, war mir ein stilles Glück gewesen und
ich hegte nur noch den einen Gedanken, Passende Modelle
für mein Werk zu finden, als die Nachricht von der be-
vorstehenden Ausstellung störend dazwischen trat. Ein
Anderer als ich wäre wohl durch diese Aussicht zu
größerem Ehrgeiz angefacht worden, mir lähmte sie die
Flügel und schien die Weihe von meinem Bilde zu
nehmen, ehe dasselbe noch gemalt war. Nicht für
goldene Medaillen, nicht für die Welt und ihre gleich-
giltigen Menschen wollte ich mein erstes größeres Bild
schaffen, sondern zur eigensten inneren Zufriedenheit, für
meine guten Freunde und — den Onkel.

Mein innerstes Heiligtum vor der gaffenden Menge
gleichsam wie in einer Menagerie vorgeführt zu sehen,
war mir entsetzlich. Zudem war ja die goldene Medaille
Wolkow sicher — wozu sollte ich mich dafür anstrengen?

In diesem Augenblicke klopfte es an meiner Thüre
und der eben Genannte trat bei mir ein.

„Ovx>v8 in kudvlu" sagte ich; „soeben dachte ich
an Dich."

„So?" erwiderte Wolkow, „ist mir lieb zu hören,
denn wir beide gehören jetzt recht eigentlich zusammen.
Einer von uns muß den Preis erringen, Hans — die
andern stehen außer Rede."

„Es gibt noch mehr Maler im Lande."
 
Annotationen