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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Buß, Georg: Die Galerie Pumps, [3]: ein Zeitbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0304

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Die Galerie Wump§

Lin Zeitbild. Von Georg Buß

(Schluß)

ie beiden anderen Blätter der Stadt waren mit der
Besprechung der Galerie etwas saumseliger gewesen,
denn die Herren Kritiker ließen sich Zeit. Schnüffler
las den Nathanschen Aufsatz und legte ihm den seini-
gen zu Grunde. Ähnlich machte es Habicht. Beide
lasen auch die Berichtigungen und machten sich dieselben
für ihre Geistesprodukte zu Nutzen. Als Dank für Nathans
Pionierarbeit flickte aber Schnüffler die boshafte Bemerkung
ein: „Übrigens will ich bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen
auf das reiche kunsthistorische Wissen des Kritikers von den
„Allerneuesten" hinzuweisen. Er schreibt nämlich: „Sogar
ein Hunde, der bekanntlich scherzweise auch Köter genannt
wurde, ist vorhanden." Es stellt sich also offenbar her-
aus, daß der Herr Kritiker Benno Nathan von diesem
großen und berühmten Meister nie ein Wort gehört hat,
denn sonst hätte er solchen Unsinn nicht schreiben können."
Im Stillen schmunzelte er, daß er nicht denselben Bock
geschossen, zumal auf seiner Papiermanschette schon das
Pulver zu demselben geladen war.

Die Folge aller dieser Artikel von Nathan, Habicht
und Schnüffler war, daß während einer Woche in sämtli-
chen Salons der Stadt nichts weiter als wie von der groß-
artigen Pumpsschen Galerie gesprochen wurde und die so-
genannte gebildete Welt den Moment nicht erwarten konnte,
an welchem die neue Kunstweide abgegrast werden konnte.

Endlich kam der ersehnte Tag heran. In der sonst
so stillen Straße, wo die Liqueurfabrik und das Heim
der Firma I. F. Pumps lag, wurde cs um die Mittags-
zeit lebendig. Wagen auf Wagen fuhr vor das Thor
des Besitztums vor, elegante Herren und Damen wan-
delten zu dem Hause der Kunst hin, und sogar der
würdige Herr Oberbürgermeister mit etlichen Räten der
Stadt, unter ihnen auch der Baurat, der in roten Back-
steinbauten machte, erschienen. Der Vorhof des Hauses,
in welchem sonst die Branntweinfässer standen, war sorg-
lich gesäubert, auf der Treppe lag ein weicher Läufer und
oben, am Eingang des Salons stand Johann in seiner
allerfeinsten Kutscher-Uniform hinter einem weißgedeckten
Tischchen, um das für den wohlthätigen Zweck bestimmte
Eintrittsgeld in Empfang zu nehmen. Nebenbei bemerkt
machte Johann ein Privatgeschäftchen, denn auf Zwei-
und Dreimarkstücke herauszugeben, erklärte er sich in den
meisten Fällen außer stände. Drinnen in den Salons
waren die Läden wieder geschlossen und brannten feier-
lich die Kronen — im großen und ganzen ein Dämmer-
licht, welches der Wirkung der Bilder sehr zu statten
kam. Der Herr des Hauses in Frack und weißer Weste
und seine Gemahlin, welche die feinste Atlasrobe und
den „alten" Familienschmuck angelegt hatte, machten mit
bezaubernder Liebenswürdigkeit die Honneurs. Etliche
hundert Menschen schoben und drängten sich hin und
her, um sich an den Ahnen und den übrigen Meister-

werken zu weiden. „O diese Perspektive!" „Nein, diese
himmlische Farbenpracht!" „Entzückend!" „Wunderbar!"
„reizend!" tönte es von den Lippen der Damen. Ernst schauten
die Männer drein, am ernstesten der Oberbürgermeister,
denn ihm schwebte vor, wie vortrefflich es wäre, wenn
diese Galerie in den Besitz der Stadt als Grundstock für
ein Museum gelangen würde. Man debattierte, man
kritisierte, man frug nach einem Kataloguud erfuhr, daß
ein solcher in Vorbereitung sei, man lobte und tadelte
— kurz, man hatte Genuß in reichstem Maße. Zweifel
über den Wert dieses und jenes Bildes und über den
Meister wurden nur geflüstert und kaum auszusprechen
gewagt, denn man fürchtete, sich eine Blöße zu geben,
zumal ja Nathan, der Kunstverständige pur excellence,
die Galerie mit ihrem Inhalt, und besonders die Bilder
im Speisesaal für brillant erklärt hatte.

So wogte es in den Pumpsschen Salons bis drei Uhr
nachmittags hin und her. Dann erfolgte Schluß. Die
Galerie Pumps war in die Öffentlichkeit eingeführt
und figurierte von nun als Sehenswürdigkeit im Frem-
denführer der Stadt. Auch ein Katalog erschien, und zwar
verfaßt von B. Nathan, der sich dieser Aufgabe mit der
ganzen Fülle seines kunsthistorischen Wissens entledigt
hatte und von nun an ständiger Gast an der Mittags-
tafel des Hauses Pumps war.

Etliche Wochen waren zur ganz besonderen Zu-
friedenheit des Dieners Johann verflossen. Nur die
Hausherrin war etwas unzufrieden geworden und Wolken
trübten ihre Stirn. Das ewige Hin- und Herlaufen
in ihrem Heim war ihr auf die Dauer überdrüssig geworden.
Auch bemerkte sie zu ihrem größten Unbehagen, daß die Knüpf-
teppiche des Salons jammervoll abgetreten und die Sitze
der Sessel und Sophas entsetzlich eingedrückt waren. Im
Geheimen gestand sie sich, daß in Rücksicht auf das Haus-
wesen und das Inventar der „Rummel" ein Ende neh-
men müsse. Endlich, als ihr Unbehagen den Höhepunkt
erreicht, brach der Sturm los, und der Gälte mußte die
Segel streichen. Die Zeitungen empfingen die Mitteilung,
daß die Galerie bis aus weiteres geschloffen sei; das
Oberhaupt der Stadt aber einen Brief, in welchem Herr
Pumps Kenntnis gab, daß die Besichtigung der Galerie
3500 Mark eingetragen habe, welche er hiermit der
Bürgerschaft zu einem wohlthätigen Zweck, am liebsten
zur Unterhaltung von drei Freibetten im Kraukenhause
überweise. Seinen Bekannten offenbarte der Hausherr,
daß er seinem Besitztum einen Flügel anzubauen gedenke,
in welchem die Kuustschätze Aufnahme finden und der ferne-
ren Besichtigung zugänglich sein sollten.

Das Dankschreiben des Herrn Oberbürgermeisters
und der Stadtverordneten seien ebensowenig mitgeteilt wie
die Lobreden der Tagesblätter. Genug, eines Tages
wurde Pumps zum Ehrenbürger erhoben und es schien
 
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