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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 4
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Geschichte der Grundierungsmethoden für Holztafeln und Leinwanden [4]
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Münchner kunsttechnische Blätter

Nr 4

zwei Arten des Gipses zur Tempera bereitest, wo-
bei sich dir keine gute ergeben würde) so nimm
von dem nämiichen Leime, den du als Tempera
des groben Gipses genommen, das musst du jedes-
mal tun, wenn du feinen und groben Gips bereitest.
Es erfordert der feine geringere Vermischung als
der grobe Gips. Die Ursache? Weil der grobe
Gips dein Fundament zu allen Dingen ist. Und
demnach kannst du es wohl voraussehen, dass sich
der feine Gips nicht stark genug pressen lässt,
dass nicht ein wenig Wasser in ihm zurückbleibt.
Aus diesem Grunde mache getrost einen und den-
selben Leim. Nimm einen neuen, nicht fetten Topf
und wenn er Glasur hätte, umso besser. Nimm
ein solches Gipsbrödchen, schneide es fein mit
dem Messer, wie man Käse schneidet, und bringe
es in das Töpfchen. Dann gib den Leim darauf
und löse mit der Hand den Gips auf, als machtest
du einen Teig für Pfannenkuchen, sachte und ge-
schickt, dass ja kein Schaum entstehe. Nun nimm
einen Kessel mit Wasser, mache es warm und stelle
jenen Topf mit der Gipstempera darein. Dieses
hält dir den Gips warm und doch siedet er nicht,
denn wenn er sieden würde, verdürbe er. Ist er
warm, so nimm deine Tafel, tauche einen dicken
und weichen Borstenpinsel in den Topf und nimm
davon mit Mass, nicht zu viel, nicht zu wenig, und
breite es in einer Lage über die ebenen Stellen,
die Simse und das Blattwerk aus. Und du musst
auch, wenn du diese erste Lage gibst, mit dem
Finger und der Handfläche im Kreise herumfahren
und glätten, wo der Gips liegt. Und hierdurch
dringt das Feine und das Grobe gut ineinander
ein. Wenn du so verfahren, so wiederhole es,
und breite mit dem Pinsel eine Schichte aus, ohne
mit der Hand zu reiben. Dann lasse es etwas stehen,
doch nicht bis es gänzlich eingetrocknet, und be-
streiche nur mit dem Pinsel in entgegengesetzter
Richtung des Striches, und stelle es auf die übliche
Art zum Trocknen. Darauf gib ihm eine neue Lage,
wieder in der andern Richtung und auf solche Weise,
indem du deinen Gips stets warm hältst, versieh
die Flächen mindestens achtmal damit. Auf Blatt-
werk und andren Erhöhungen bringt man weniger
an, doch kannst du auf den ebenen nie zu viel
geben. Dies hat seine Ursache im Schaben, wel-
ches später erfolgt.
Kap. 118. Wie man mittelst feinem Gips
grundieren kann, ohne vorher groben an-
gewandt zu haben.
,,Man kann auch zwei oder drei Lagen von
diesem Leime geben, wie ich dir gesagt, bei feinen
und kleineren Arbeiten. Und da trage nur so oft-
mals feinen Gips auf, als dir durch die Uebung
nötig erscheint.
Kap. 119. Auf welche Art du groben Gips
für Reliefs mischen und vermahlen musst.
„Viele gibt es ferner, welche den feinen Gips
nur mit Leim und Wasser mahlen. Dieses ist dort

gut, wo nicht grober zur Anwendung kommt, wel-
cher eine stärkere Mischung verlangt. Solcher Gips
ist sehr gut, um Blätter und andere Arbeiten er-
höht darzustellen, wie solches oftmals erforderlich
ist. Aber wenn du diesen Reliefgips gemacht hast,
so gib ein wenig armenischen Bolus darunter, um
ihm ein bisschen Farbe zu verleihen*)."
Kap. 120. Wie du anfängst, eine Tafel-
fläche, Welche mit feinem Gips grundiert
ist, zu schaben.
„Wenn du mit dem Grundieren fertig bist (wel-
ches in einem Tage geschehen, und wenn nötig
in der Nacht fortgesetzt werden kann, damit du
die erforderlichen Lagen erteilst), so lasse es ohne
Einfluss der Sonne trocknen, mindestens zwei Tage
und zwei Nächte lang. Je länger du es trocknen
lässt, desto besser. Dann habe zur Hand einen
Fleck mit gepulverter Kohle, gebunden wie ein
Bällchen und bestäube die Oberfläche des Gipses
dieser Tafel. Dann nimm ein Büschel Hühner-
federn oder solche von der Gans und wische gleich-
verteilend diesen schwarzen Staub über den Gips-
grund hin. Und dies geschieht, weil man die Fläche
nicht zu vollkommen schaben kann und das Eisen,
womit der Gips geschabt wird, flach ist. Wo es
nun wegnimmt, kommt dieser weiss, gleich Milch,
zum Vorschein. So wirst du dann gewahr, wo noch
notwendig ist zu schaben."
Kap. 121. Wie man den feinen Gips auf
flachen Stellen schaben soll und wozu
das Abgeschabte gut ist.
„Zuerst brauchst du ein flaches, daumenbreites
Schabeisen (Raffietto) und fahre damit sorgfältig
auf der Fläche umher, indem du die Simse (nur)
einmal schabest. Dann fahre mit deiner geschlif-
fenen Raspel hin, so Hach als nur immer möglich.
Schabe mit leichter Hand, indem du die Spitze
ohne jegliche Gewalt hältst, über die Fläche deiner
Tafel, womit du mit den erwähnten Federn auf
dem Gipse abkehrst. Und wisse, dass dies Ab-
gekehrte gut ist zum Ausziehen von OelHecken
aus dem Papier der Bücher. Und auf ähnliche
Art fahre mit dem Eisen über Simse und Blatt-
werk und glätte, als wenn es Elfenbein wäre.
Und bei den häufigen und vielen Arbeiten, die du
hast, kannst du einige Male Simse und Blattwerk
bloss mit einem feinen Fleck, der gewaschen und
ausgeringt ist, polieren, indem du denselben tüchtig
über die Simse und das Blattwerk reibst."
Fassen wir Cennini's Anweisungen kurz zusam-
men, so besteht die Grundierungsarbeit für Tafel-
bilder in folgenden Operationen:
(Fortsetzung folgt.)

*) Es sei hier an die von den Prae-Raphae!iten
wieder ins Leben gerufene „Gessomalerei" erinnert,
die von Walter Crane u. a. zu grosser Vollkommen-
heit gebracht worden ist. Für Heiligenscheine und dergl.
kann diese Manier gewiss gute Dienste leisten.
 
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