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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 22
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Die künstlerische Proportionslehre von Vitruv bis Dürer [2]
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J28

Münchner kunsttechnische matter

Nr 22

EHe (Ellenbogen, Vorderarm), und haben sie, eine
volikommene Zahi, weiche die Griechen Teieion
nennen, zugrunde legend, eingeteilt. Ais voll-
kommene Zahl aber haben die Griechen festge-
setzt, was man zehn nennt, denn von den Händen
ist die Zehn-Zahl der Zolle (Finger) und von den
Zollen der Paln, und von dem Paln der Fuss
erfunden. Wie also nach den Gliedern der beiden
Handflächen Zehn die vollendete Zahl ist, so
billigt auch Plato diese Zahl als die vollendete
deshalb, weil die Zehnheit aus den einzelnen
Figuren, welche bei den Griechen Monades heissen,
entsteht. Sobald ihrer aber elf oder zwölf ge-
worden sind, so können sie, weil sie dieselben
überschreiten, keine vollkommene Zahl mehr sein,
bis sie zu einem anderen Zehner gelangen, denn
die einzelnen Dinge sind Teile jener Zahl.
6. Die Mathematiker aber, damit nicht einver-
standen, haben gesagt, dass die Zahl, die sechs
genannt ist, die vollkommene sei, deshalb, weil
diese Zahl eine Gliederung hat, die ihrem auf
der Sechszah! beruhenden Rechnungssystem ent-
spricht; so finden sie in Eins einen Sextons (* „),
in Zwei einen Triens (V..), in Drei einen Semissis
(','2), in Vier einen Bes (V.,), welchen die Griechen
Domoiros nennen, in Fünf den Ouintarius, welchen
die Griechen Pentamoiros nennen, in Sechs das
Vollkommene. Wenn es zur Verdoppelung hin-
weist, so finden sie durch HYnzufügung von Eins
zu den Sechs den Ephektos (DJ, ist es durch
Hinzuziehung von einem Drittel Acht geworden,
den Adtertiarius (D/g), welcher Epitritos genannt
wird, ist durch Hinzufügung der Hälfte Neun ent-
standen, den Sesquialter (D/J, der Hemiolos ge-
nannt wird, ist durch Hinzufügung von zwei
Dritteln der Zehner entstanden, den Besalter (D/g),
welche jene Epidimoiros nennen; in der Zahl Elf,
weil fünf hinzugefügt wird, den Adquintarius (D/J,
welchen sie Epipemptes nennen. Zwölf aber
nennen sie, weil es aus zwei einfachen Zahlen
gebildet ist, Diplasion (das Zweifache).
7- Nicht minder haben sie auch deshalb, weil
der huss den sechsten Teil der Höhe des
Menschen ausmacht, und folglich durch eine Anzahl
von sechs Fuss die Höhe des Körpers bestimmt
wird, diese Zahl als die vollkommene aufgestellt
und wahrgenommen, dass auch die Elle aus
sechs Palmen (Handbreiten) und vierundzwanzig
Zollen bestehe. Mit Bezugnahme darauf scheinen
es auch die Staaten der Griechen getan zu haben,
dass sie wie die Elle aus sechs Palmen besteht;
bei der Drachme, deren sie sich als Münze be-
dienen, in gleicher Weise sechs Kupfermünzen,
wie etwa die Asse, welche sie Ob ölen nennen,
und im Anklang an die Zolle — Viertel —
Obolen, welche die einen Dichalka, andere Tri-
chalka nennen, vierundzwanzig auf eine Drachme
eingeführt haben.
%. Unsere Ahnen aber haben zuerst die alte

Zahl angenommen und zehn Kupfermünzen auf
einen Denar eingeführt, und daher hält der
Denar bis auf den heutigen Tag seine Benennung;
auch nannten sie den vierten Teil, weil er aus
dritthalb Ass bestand: Sestextius.
Anmerkung.
Die Proportion des menschlichen Körpers bei
Vitruv ist auf dem System aufgebaut, dass zehn
Gesichtlängen oder acht Kopflängen die Gesamt-
länge des Korpus machen.
Den Mittelpunkt setzt er in den Nabel.
Wenn man aber die Konstruktion nach seiner
Angabe ausführt, als Kreismittelpunkt der Nabel,
so wird man finden, dass bei der Konstruktion
des Quadrates nicht der Nabel, sondern der
Schamteil die Mitte bildet. Die Folge davon
ist, dass im ersten Fall der Oberkörper zu gross
erscheinen würde (vgl. Fig. 1).
Die späteren Angaben stimmen überein, die
Körpermitte in die Gegend der Schamteile zu


Figur !.
Vitruvs Schema: In den Kreis gezeichnete Figur. In
das Quadrat gezeichnet (10 Gesichtslängen).

setzen, wodurch die Länge der unteren Extremi-
täten ihr richtiges Mass erhalten.
2. Byzantinsches Schema der Körper-
proportion
des Handbuchs der Malerei vom Berge Athos
(Ausg. Godah. Schäfer, Trier i8$$, S. 81).
§ 52. Angabe der Verhältnisse des
menschlichen Körpers.
Lerne, o mein Zögling, dass der Mensch nach
dem Naturale neun Köpfe, d. i. neun Masse
von der Stirn bis zur Fusssohle misst. Mache
anfangs das erste Mass, welches du in drei Ab-
 
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