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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0173

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zeigen, worüber dir Expedition
Auskunft ertheilt, 3 kr.

Freitag, den 10. Mai 1844.

Vuntes aus der Leit
AuS der Europa entnehmen wir folgende Zeilen:
»Ich befand mick auf dem Blumenmarkte, dem ?u-
Ims äa ^ustios gegenüber. Hier belagerte eine neugie-
rige Menge die Eingänge, mit Ungeduld das Ende
der Debatten erwartend, welcbe die Verurtheilung von
12 Kupplerinnen veranlaßte, die sich des Verführens
junger Mädchen zu Ausschweifungen schuldig gemacht
hatten. Einer dieser weiblichen Verbreiterinnen der
Sünde stand selbst die eigene Tochter als Klägerin ge-
genüber. Das war allerdings sehr pikant für den Pa-
riser Geschmack, und daher hatten sich auch bei guter
Zeit alle Säle gefüllt mit Herren und Damen, welche
Zeugen sein wollten, wie des Lasters und der Verdor-
benheit tiefste Falten auseinandergezerrt wurden, um
den gierigen Blicken einer lüsternen Menge zur Schau
zu dienen.« — Das läßt doch manche Bedenklichkeit
laut werden, gegen das Verlangen unsi er Oppositions-
männer, die Frauen zu allen öffentlichen Gericht.-
Verhandlungen ziizulasseu; — obgleich es in der Theo-
rie recht schön klingt, so ist es damit doch, wie mit
so vielem anderem, was in praxi mehr Schaden als
Nutzen hervorrnst.
Während wir uns mit unsrer alten ordinären Son-
ne begnügen -»..g-«, , gabt» die Ribenrte tlirer
Versicherung dieses Jahr eine ganz aparle Sonne, lieb-
reich lockend und absonderlich lächelnd und lieblich lin-
dernd. Jeder ist eingeladeu, die Badesonue von
zu sehen, und viel Gold zu gewinnen in den Spiel-
höllen, die die Franzosen i» fast allen deutsche»
Bädern aufgcthan. Der Spielpachter Benazet in Ba-
den will sich die italienische Oper ans Paris kommen
lassen, um desto mehr Spielnarren anzulocken.
In Ungarn sind mehrere katholische Bischöfe zur
griechischen Kirche übergetreten. In wenigen Wochen
erwartet man auch den Schluß des Landtags, auf
dem's zuweilen so stü-misch zngegangen sein soll, wie
ehedem auf den polnischen Reichstägen.
In England hat im vorigen Jahre das Staatsein-
kommen die Ausgaben um 2,700,000 Pfund Sterling
überstiegen. Freilich wurde dies günstige Resultat durch
die Einkommenstare hervorgebracht (welche 3,536,000
Psnnd Sterling mehr betrug, als veranschlagt), wozu
die Capitalisten saure Gesichter schneiden mögen.
Wir haben auch eine Revolution gehabt in Deutsch-
land und zwar was am meisten zu verwundern ist, in
Bayern, in München. Doch war es blos eine Bier-
revolution, also ächt deutsch. Die Bierbrauer setzten
nämlich den Preis einer Maas Bier von 3 kr. plötz-
lich auf 6 und 6Vr kr., und das wollten sich die gu-
ten Münchener nicht gefallen lassen und zerschlugen in
den Brauereien alles, an was sie kommen konnten.
Zuletzt mußte Militär einschreiten, und es soll mehrere
Verwundete und sogar Tode gegeben haben.
Die Portugiesen haben eine Schiffsladung Kanonen-
kugeln aus England kommen lassen, um damit die Fe-
stung Almeida zu erobern. Die englischen Kugeln sind

aber viel zu groß und man will jetzt auch Löcher zu
den Kugeln in England machen lassen.
Es heißt, das oldenburgische Fürstenthum Birken-
feld und die hessische Herrschaft Meißenheim sollten an
Preußen verkauft werden.
Der Hofrath (von in sps) Dingelstedt hat dieHof-
opernsängcrin Jenny Lutzer geheirathet.
Rastatt, 3. Mai. Gestern fand die erste Probe-
fahrt auf der Eisenbahn zwischen hier und Oos mit
einer neuen Locomotive, der zehnten, welche aus der
Keßler'schen Fabrik in Karlsruhe hervorging, statt.
Aus Italien klingen von Woche zu Woche die Nach-
richten beunruhigender. In Rimini sind in voriger
Woche vor dem Palaste des Gouverneurs sechs päbst-
liche Freiwillige getödtet worden. In Ravenna wagen
die Schweizersoldaken nickt ihre Cascrnen zu verlassen,
und in Rom selbst ist die Gährung so groß, daß die
Truppen in der Engelsburg constgnirt sind, wo die
Artilleristen mit brennender Lunte bei ihren Stücken
stehen, und bereit sind, bei dem ersten Befehl Feuer
auf das Volk zu geben.
Ein Landsmann schreibt aus Paris: «Putz und Klei-
dung der vornehmen Pariser Schönen tragen allgemein
das Gepräge der Einfachheit, aber auch der Kostbar-
keit und eines feinen geläuterten Geschmacks. Diesem
entgegen steht aber der mächtige »oul st« Paris« (wir
neu aller Classen beliebtes Schönbeitsmittcl. Welche
Unnatur, welche Geschmacklosigkeit! Man beladet sich
mit Lumpen und Polstern, wie ein Saumroß, Und oft
haben solche geschminkte Evastöchter einen Umfang,
daß man eine halbe Meile weit Scheibe darnach schie-
ßen könnte. Je größer aber dieser Chimborasso der
Toilette ist, je mehr zieht er gewöhnlich die Augen der
Männer an, je mehr staunt man ihm bewundernd nach.»

Die Fremdenlegion.
Seitdem Cain seinen Bruder Abel erschlug, be-
steht Streit, Kampf und Krieg in der sündhaften
Welt. Das kunstgerechte Morden und Vernichten
ist zu einer Wissenschaft erhoben, die ausgezeichnet-
sten Manner aller Zeiten verdankten ihr, wenigstens
dem größten Thcilc nach, Ruhm, Besitz und Macht.
Der Krieg ist ein nothwendigcs Uebel geworden,
und wird es trotz aller Bemühungen und Vorschläge
der Philantropcn bleiben, so lange die Menschen
Menschen und keine Engel sind. Wie aber das
dermalige Menschengeschlecht beschaffen, so ist der
Krieg nicht immer ein Uebel, öfter dckgegen eine
Segnung zu nennen, weniger für die Gegenden und
Lander, in denen er wüthet, als für das ganze
Menschengeschlecht, welches ohne ein zeitweiliges
gewaltsames Aufrcgen und Aufrütteln bald in einen
lethargischen Schlaf versinken würde; die Chinesen
 
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