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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0347

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kr., für ein Dierteljahr Zo kr.

Neckar-Bote.
Dienstag, den 8. Oktober 1844.

Die Einrückungsgcbühr für die
gespaltene Zeile oder deren
Rai»» betrügt 2 kr. Bei An-
zeigen, worüber die Expedition
Ltudknnfr crtheilt, 3 kr.

Vuntes aus der Leit.
Verviecs 20 September. Del aus der polnischen
Revolution bekannte tapfere General Uminski, der sich
seit einiger Zeit zur Erholung seiner Gesundheit in
Spaa aufhielt, wurde kürzlich, wegen einer nicht sehr
bedeutenden Schuld verhaftet und zu Fuß unter Eskor-
te in das hiesige Gefängniß transportirt. Der über
70 Jahre alte Greis wollte diese Schmach nickt über-
leben und öffnete sich, nachdem er versucht hatte, sich
zu erhängen, aber durch den Wärter wieder abge-
scknitten worden war, die Adern an beiden Armen;
trotz der sogleich angewandten ärztlichen Hülfe ist er
noch immer in Lebensgefahr. Seine Tochter und sein
Schwiegersohn leben in den besten Nerhältnißen.
Das badische Finanzministerium hat eine Verord-
nung erlassen, nack welcher vom ersten Oktober an die
Steinkohlen eingangszollfrci sind.
Der bisherige Direktor des Königsberger Theaters
bat sich vor der Zeit heimlich entfernt. Unter seinen
zurückgelassencn Effekten hat sich ein Heft vorgcfunden
mit dem Titel « weiße und schwarze Personen » worin
er ein genaues Register über verschiedene Individuen
seiner Bekanntschaft führt, welche er nach ihren Gesin-
nungen und Acnßernngen über eine auswärtige Macht
unter Anführung von Ort lind Zeugen, wo sie sich
ausgesprochen, schildert, auch mitunter Bemerkungen
macht, wie mit ihnen, im Fall sie das Gebiet jener
Mackt betreten sollten, zu verfahren sein möchte. Den
Namen dieser Macht darf man nicht nennen, der des
Spions ist Tietz.
Zwölf Meilen oberhalb Dover ist eine Flasche auf-
gefangen worden, in der man einen Zettel, und auf
diesem die mit Bleistift geschriebenen Worte fand: Presi-
dent. Alles ist verloren! Gott segne Euch. Leunor.
In Baiern ist eine gefährliche Epidemie ansgebrockeu
welche die Aerzte «weißer Friesel» getauft haben. All-
gemeiner nennt man sie schwarze Blattern, und die
Furcht legt ihr den Namen schwarze Pest bei. Von
hundert Erkrankten sterben durchschnittlich zwanzig der-
en Leichname, die sofort in Fäulniß ügergehcn, mit
schwarzen blatterartigeu Geschwüren bedeckt sind.
In Frankreich befinden sich gegenwärtig noch 14203
fremde, meist politische Flüchtlinge, von welchen 4300
Unserstntzuug von der Regierung erhalten; die dazu er-
forderliche Summe beträgt für 1844: 2,130,000
Franken. — Unter den 4800 Unterstützungsbedürftigen
sind 4022 Polen.
In Cordova, in Spanien soll ein Emissär aus Rom
ein geheimes Centruin deö Jesuitenordens ,was bereits
mehrere Filiale angelegt hat, gestiftet haben. Ihr Sie-
gel stellt einen Blumentopf dar. Die Dorfzeitung be-
hauptet, ans einer Anzahl von Siegeln das Bestehen
der Jesuiten in Sachsen entdeckt zu haben.
Bis jetzt ist Abdelkader noch immer frei und soll so-
gar, während Marschall Bugeaud in Algier eine Re-
vue hielt eine französiische Colonie überfallen haben.

Der Lholeramann.
fFoiiftpuiig)
Der Mann aber sprach freundlich: Erschrecken
Sic nicht, Doklorchcn; was Sie sehen, ist nicht Al-
les Natur, sondern Sie müssen 19 Ellen Flanell
abrechnen, die ich um sie gewickelt. Dies Convolut
steckt in verschiedenen Röcken und Jacken, und da
über Allem diesem noch ein Pelzmantel hängt, so
wird freilich nicht viel Grazie übrig sein.
Das wissen die Götter! lachte ich ohne Rückhalt,
und dachte an Saphir's Eholerapräservativmann.
Neunzehn Ellen-Flanell! wer die um seine irdische
Erbärmlichkeit wickelt, der sollte doch mehr Courage
haben. — Ton und Benehmen des Commandeurs
der Gcsundheitsfcstung waren übrigens seit meinem
vermeintlichen Lauqcnbade wie umqcwandelt. Er
machte den angenehmsten, verbindlichsten Wirth,
und indem er mich die Treppe hinausnölhiqte, sagte
er: Sie werden sich einen schlechten Begriff von
meiner Lebensart und Humanität machen, da in
Ihrer bedauernswcrthcn Lage Ihrem Eintritt so viele
Schwierigkeiten cntgegcngestcllt wurden. Allein die
kannibalische Cholera tödtet alles Mcnschenqcfühl
und Sie werden mir gewiß zugeben, daß mir die
Haut näher ist als der Rock, und unter allen Nahen
ich mir der Nahcstc bin.
Ich ließ seinen Egoismus unbckampft, denn der
meinige machte sich geltend durch ein beträchtliches
Verlangen nach Trank und Speise, und um nicht
von diesem nächsten Ziele abzuführen, nannte ich
Alles klug und recht, was er gcthan. — Er öffnete
jetzt ein großes, elegantes Gemach voll lieblicher
Wärme, wo bereits mehrere Gerichte dampften und
der Sorgenbrecher von Ungarn in herrlich gcjchliffc-
nen Flaschen mir entgegenlächeltc. Mein Magen
schnitt beim bloßen Anblick die vergnügtesten Bocks-
gesichter.
Nun nehmen Sie Platz, Verehrtester! sagte der
Kkancllmensch, sich vergnügt die Hande reibend. —
Nun wollen wir bedeutend schmausen und trinken
und dabei aus die neue Bekanntschaft, auf ein
Schutz - und Trutzbünduiß gegen die dumme Cholera
anstoßen. Zum Schluß genießen wir Kaffee zu einer
Pfeife ächt türkischen Knaster. Ach, es ist bei als
dem Schrecklichen der Seuche ihre herrliche Eigen-
schaft, daß Kaffee und Tabak Präservative gegen
sie sind. Was sollte aus mir Aermstcn in diejcr
langweiligen Abgeschiedenheit werden, wenn ich
meine beiden liebsten Genüsse entbehren müßte!
Ich gab mich ganz rücksichtslos der angenehmen
rcftaurirendcn Thätigkeit hin, und nach der Mahl-
zeit sagte er: Wir haben ja einander noch nicht vor-
 
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