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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0265

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Aurkunfc ertheilt, 3 kr.

Dienstag, den 30. Juli 1844.

Vuntes sus der Leit.
In Mainz hat sich dock, trotz der Aufhebung der
Zusammenkunft der Advokaten, eine ziemliche Anzahl
von Rechtsanwälten aus fast allen deutschen Staaten
eingefunden, um den jetzigen Assisenverhandlungen we-
nigstens beizuwohnen. Sie halten es für ihre Pflicht
zu erklären, daß allein durch Schwurgerichte und öf-
fentliches und mündliches Verfahren eine Verbesserung
des in verschiedenen Theilen Deutschlands mehr oder
minder beklageuswcrthen Rechtszustandcs herbeigeführt
werden könne. Dieser Erklärung folgen 46 Unterschrif-
ten, leider finden sich nur 6 badische dabei, wovon
4 aus Mannheim, 1 aus Heidelberg, I aus Rastatt.
Beim nassauischen Militär sind nun wirklich als
Strafe Skockprügel eingeführt worden. Zwar sollen sie
nur bei solchen angewendet werden, die wegen früherer
Vergehen in eine deshalb geschaffene Strafklasse ver-
setzt worden; allein es bleibt auch da eben so empörend
und unreckt, um so mehr, da jeder Eommandirende
ohne Weiteres diese Strafe nach Gutdünken diktireu
kann, und nicht durch ei» Kriegsgericht erkannt wird.
Der Sultan von Marokko treibt mit den Franzosen
bis jetzt ein wahres Spiel. Heute gibt er die feierliche
Versicherung, er wolle alle Bedingungen Frankreichs
annehmen, um den Krieg zu vermeiden, und läßt sei-
nen Minister zur Strafe des Geschehenen »auf dem
Esel, verkehrt, den Schwanz in der Hand,» durch die
Stadt reiten; — morgen setzt er denselben, einen Freund
Ab-del-Kaders und unversöhnlichen Feind der Franzo-
sen, wieder in seine Würde ein. Heute beklagt er sich,
daß die Franzosen ihn angegriffen und zuerst über die
Gränze gegangen, morgen greifen seine Truppen die
Franzosen an. Uebrigcns soll der Prinz von Joinville
den Befehl erhalten haben, die Feindseligkeiten gegen
die marokkanischen Hafen zu eröffnen.
Ein englisches Kriegsschiff, sich stützend auf das
Durchsuchungsrecht, hat das von dem Prinzen von
Joinville befehligte Admiralschiff angehalten, um seine
Papiere zu visilireu. Der Prinz von Joinville gestat-
tet dies, sehr gegen die französische und seine eigene Na-
tur, ganz kaltblütig. Als aber die Visitation zu Ende
war, verlangte er, das englische Schiff zu durchsuchen,
was der Kapitän desselben hartnäckig verweigerte, in-
dem er behauptete: England allein stehe das Durchsu-
chungsrecht zu. Der Prinz wiederholte seine Aufforde-
rung, und als ihr nicht Folge geleistet wurde, bohrte
er das englische Schiff in den Grund.
In Frankreich sollen nach dem Berichte des Mini-
sters Villemain 40,000 Gemeinden sich ohne Schul-
anstalten befinden.
Die französische Post beförderte im vorigen Jahre
114,200,000 Briefe und nahm dafür 41,369,200
Francs ein; außerdem wurden nock für 60 Millionen
Stück Drucksachen 2,400,000 Francs eingenommen.
Zu einem sehr korpulenten Manne sagte ein Witz-
ling: »Sie haben einen solchen Umfang, daß man Sie
nicht mehr umgehen, sondern nur noch umreiten kann.«

»Thut nichts,« erwiederte dieser, die beiden Frackzip-
fel auseinander haltend, »hier finden Sie dann eine
Herberge zum Einkehren.»

Freudenreich und Dolorosus.
(Fortsetzung.)
Und warum, fragte Ludwig, und warum ver-
ließet Ihr Eure Heimat und weiltet so lange in der
Kerne?
— Kmico! antwortete der Marchese, das hatte
seine triftigen Gründe. Man hielt mich bei den vor
einiger Zeit hier herrschenden Unruhen des Earbo-
narismus verdächtig, obgleich ich rein Von aller
Schuld. Doch standen die Köpfe damals nicht allzu-
stst auf dem Rumpfe und für besser hielt ich es da-
her, mich aus der Geschichte zu ziehen, und fern
von lster, im ruhigen Norden den Erfolg abzuwar-
Icn. Jetzt ist die Gefahr vorbei und schnell eilte ich
daher wieder nach dem lang entbehrten Süden. —
Doch lassen wir das! Kommt lieber, damit wir auf
dem wogenden Lebcnsmeere ein wenig umherschisscn.
Ludwig folgte und sic zogen hinaus in die strah-
lende Parthenopc. Es war heute der Tag der Ma-
ria, eines der größten Kirchcnfestc Neapels, wie
am gestrigen Abend schon die Vorfeier angckündigt,
der Tag, an dem das Blut des Schutzpatrons der
Stadt der gläubigen Menge gezeigt wird, vor deren
Augen das Wunder des Flüssigwcrdcns geschieht.
Die beiden Gefährten traten in eine Seitenka-
pellc, vor deren Altar emsam eine Araucngestalt
im weißen, seidncn Gewände, das Gesicht mit dem
Schleier verhüllt, kniete. Der edle Wuchs, die ge-
winnende Haltung, die sich zeigte, als bic Dame sich
erhob, fesselte den Blick des Deutschen. Sic wendete
das verhüllte Antlitz halb gegen ihn und schritt nach
dem Ausgange. Ludwig zog den Marchese nach und
näherte sich ihr, als sie, den Sei leier zurückscksia-
gcnd, die Stirn mit dem geweihten Wasser am Aus-
gange des Tempels benetzte. Wie der Blitz den
nächtlichen Wanderer blendet, so durchzuckte die
Schönheit der Entschleierten den Deutschen. Auch
der Dame, die einen langen, feurigen Blick auf ihn
warf, schien der blühende, nordische Mann wohl zu
gefallen. Auf den Stufen der Kirche schaute sie noch
einmal auf ihn zurück und eine Rose von dem vol-
len, wogenden Busen nehmend, ließ sie sie nieder-
gleiten. Jndeß der Glückliche, für den die Blume
bestimmt, sich beugte, um sic aufzuhebcn, war die
Dame in dem Volksgewühl verschwunden. Ludwig
wandte sich zum Marchese, der aufmerksam in die
 
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