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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0197

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Freitag, den 31. Mai 1844.

Buntes aus der Leit.
In der Nackt vom I I. zum 12. Mai scklug in Er-
furt der Blitz in den Pulverthurm, zündete jedoch nickt;
auck war gar kein Pulver in demselben. Vor dem
nächsten Einschlagen soll ein Blitzableiter angebracht
werden. Dagegen haben in einigen sächsisckcn und
preußischen Orten die letzten Gewitter großen SckadeM
ungerichtet, und man erinnert sich seit langer Zeit nicht,
daß es auf Pfingsten so kalt gewesen wie dieses Jahr.
Ans Italien lauten die Nachrickten immer betrübter.
Außer der furchtbaren Noth und bei der schleckten Aus-
sicht auf die Ernte hat sich eine Krankheit eingestellt,
die fast jedesmal tödtlich ist und schon viele Menschen
weggerafft hat.
Der Abgeordnete Welcher hat seinen Wohnsitz nach
Heidelberg verlegt und man hofft, daß er wieder Vor-
lesungen halten darf. Professor Zöpfl hat die Stelle
Zackariä's bekommen.
Der König Oskar von Schweden hat einen ganzen
Sckwarm Hofsckrauzen und unnöthige Hofdiener in
Gnaden entlassen, und will das dadurch ersparte Geld
zu nützlicheren Zwecken verwenden. Zugleich hat er
auck die Verordnung, wonach Niemand mit irgend ei-
nem Gliede der vorigen Köuigsfamilic verkehren durfte,
aufgehoben; indem er sich in der Liebe und dem Ver-
trauen seines Volkes am sichersten fühle.
Die türkischen Truppen, welche gegen die aufrüh-
rerischen Albanesen entsendet sind, richten wenig gegen
dieselben ans, und täglich dcsertiren ganze Partieen zu
ihren Feinden.
Der Prinz von Joinville ist wegen seiner Sckrift
über das französische Marincnwcsen beim Hof in Un-
gnade gefallen und auf einen Monat nach Compiegne
in Arrest geschickt worden.
Auf Hayti dauern die Kämpfe der Neger gegen die
Weißen noch immer zum Nachtheilc der letzteren fort.
Von Petersburg aus soll eine Eisenbahn bis nach
Odessa geleitet werden, die 1400 Wersten lang wird,
wohl die größte, die eristirt.
Der bisherige Polizeidirektor von Cassel, Robert,
der früher mit der Untersuchung Jordans beauftragt
war und viele Materialien zu dessen Anklage geliefert
hat, ist plötzlich von seinem Amt entlassen worden.
Am Namenstage Louis Philipps wurden wieder
2li00 Ritterkreuze der Ehrenlegion auf einmal ausge-
thcilt.

Der geliehene Magen.
(Fortsclzung.)
Aber er aß cs nicht. Ich sah ihn mehrere Tage
in übler Laune herumschleichcn, und unsere lustige,
gut besetzte Tafel meiden. Ich erkundigte mich im
Gasthofe und erfuhr, daß Franz krank fei. Das
Gespräch in der Nacht hatte ich wie einen seltsamen

Traum vergessen; jetzt kam cs mir wieder in den
Sinn, und ein Paar Minuten darauf stand ich in
dem Mansardenstübchcn und vor einem der wun-
derlichsten Originale, die ich jemals gesehen. Ein
breitschultriger, noch ziemlich junger Bursche, mit
den unverkennbarsten Zügen von Gutmüthigkeit und
Heiterkeit im Gesichte, saß mit verbundenem Kopfe
und in einer träumerischen Stellung am Fenster
vor einem Tischchen, auf dem er schmutzige Karten-
blätter auslegte. Nach den ersten Grüßen gab ich
mich als einen Arzt zu erkennen.
Ach, sagte Franz plötzlich sehr ernst und mich
mit stinen kleinen, tiefliegenden Augen mißtrauisch
anblickend; Sie kommen wohl, von meinem Herrn
gesendet; aber seien Sic so gütig, ihm zu sagen, daß
er vor Ablauf dieser Woche keine Einladung zu ei-
nem Mittagsmahl- annchmen soll. — El, Franz,
ich will thun, um was Ihr mich bittet, obgleich ich
nicht begreife, warum Euer Herr sich eine so son-
derbare Forderung soll gefallen lassen. — Gleich-
wohl wird er sich's gefallen lassen. — Er machte
eine listige Miene, drückte meinen Fuß leise mit
dem seinigen und sagte: Die Sache hat ihren Grund.
— Könnt Ihr mir den nicht angebcn? — Franz
sah sich vorsichtig im Zimmer nur und sagte dann
leist: Sie sind wohl auch einer von den Gelehrten,
Herr Doktor, und bekannt mit den sogenannten
„Kräften der Natur?" — Gewiß, Kranz. Aber
was hat das mit dem Mittagsmahle Eures Herrn
zu thun? —
Sehr viel; hören Sie mich nur an; aber Sie
müssen mich nicht verrrathen. Denn ich sage Ihnen,
so ein magnetischer Vertrag oder Rapport, wie
mein Herr ihn mit mir abgeschlossen, ist nicht Je-
dermanns Sache, und ich weiß nicht, ob nicht selbst
die hohe Obrigkeit, wenn das Ding bekannt würde,
ein Wort drein zu sprechen hätte. Aber das bei
Seite. Der Lärm in der Pfcnnigkneipe vor einigen
Tagen entstand deshalb, weil die dort versammelten
Tagelöhner nnd Handwcrksburschc mir nicht glau-
ben wollten, daß eine Austcrupastete mit einem
Glase Johannisberger schwerer zu verdauen sei, als
mit einem Glase Bordeaux.
In der That? Und was war das Ende des
Kampfes?
Sie schlugen mit Knitteln nach mir, weil sie
nicht glauben wollten, daß ich wenigstens hundert
Mal im Jahr habe erfahren müssen, daß der Jo-
hannisberger und die Austern sich schwerer im Ma-
gen vertragen, als Bordeaux und Austern.
Du hast vollkommen Recht; aber das Eine schmeckt
besser, als das Andere.
 
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