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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0371

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Der Nkckar-Sot« crschcint
ul'chknttich zwcim.it, Dienstag»
u. Freitag» Dei Akanncmcnl»-
prei» beträgt für ei» Jahr i fl.
36 kr., für ein halbe» Jahr 5/,
kr., für ein Vierteljahr 3o kr.

Neckar-Bote.
N'/». SÄ'.

Die Einrückunqsgcbühr für hie
gespaltene Zeile »der deren
Raum beträgt 2 kr. Bel An-
zeigen. worüber die Erpcdition
Aurkunfr crtheilt, 3 kr.

Dienstag, den 29. Oktober 1844.

Vuntes aus der Lett.
Nikolaus Lenau, der innige und allgemein gefeierte
Dichter ist zu Stuttgart, wo er auf Besuch war, plötz-
lich in eine schwere Geisteskrankheit, wenn nicht in völ-
liges Delirium, verfallen. In einem solchen Ausalle
svrang er im bloßen Hemde mit , dem Ausruf: in die
Freiheit will ich! auS dem Fenster seiner Wohnung zu
ebener Erde auf die Straße, wo er von einem Solda-
ten und einem Diener indcß schnell ergriffen und zu
Bette gebracht wurde.
In der verschlossenen Buchse, welche auf der Berli-
ner Gewerbe-Ausstellung zum Besten der kleinen west-
phalischen Spinner bereit stand, hat man eine Summe
von etwa 300 Thalcrn gefunden. Der König hat
außerdem >0 Friedricbsd'or beigefteucrt.
Am I«. Oktober ist die nieder schlesisch-märkische
Bahn von Breslau nach Liegnitz eröffnet worden.
Ametler laus der spanischen Insurrektion im ver-
gangenen Winter bekannt) ist sainint noch mehrer« an-
kern spanischen Parteihäuptern in dem Augenblick er-
griffen worden, wo er sich von Frankreich aus zum
Zweck eiucü neuen Ausstandes über die spanische Gränze
begeben wollte. Einer Anzahl Gleichgesinnter soll die
Ucbcrschreitung indeß gelungen sein. Man glaubt, daß
Esparlcro die Geldmittel zu dem Unternehmen gegeben
habe.
Die Königin Christine hat sich in Madrid mit Mu-
noz trauen lassen.
Die Stadt Mantamoros in Meriko ist durch eine
Ucberschweuimnng fast ganz zu Grunde gerichtet, 300
Mensrhen haben dabei ihr Leben verloren.
Der Sultan macht starke Fortschritte in der abend-
ländischen Civilisativn. Kürzlich ließ der belgische Ge-
sandte in Konstantinopel 200 Flaschen Geuzen-Lambik
bei einem Brüsseler Brauer kaufen, um diese den Sr.
Hoheit Abdul Mcdscbid zu verehren. Der Koran ver-
bietet zwar Wein, aber kein starkes brabantcr Bier.
Ans Regensburg vom > 7. Oktober meldet das dor-
tige Tageblatt: In der Nacht von gestern aus heute
wurden von dem Stadtmagistrat aus einem hiesigen
Sommerkeller über hundert Eimer schlecht gebrautes
Bier, unter Anwendung einer Feuerlöschmaschinc mit
einem Schlauche ausgelassen, um, mit den Wellen der
Donau vereint, dem schwarzen Meere zuzuecken. Möge
dies zur heilsamen Warnung dienen!
Die Weinlese bat, wie in unsrer Gegend, auch in
der Gegend von Baden (Steinbach, Affenthal rc.) über-
all begonnen. Der rothc Wein, der sehr gut werden
soll, ist sehr gesucht und meist schon vor der Lese ver-
kauft, die Ohm zu 40 fl. Auch die weiße Traube gibt
dort in manchen Lagen ein vorzügliches Getränk, in
andern durchgängig eine gute Mittelsorte. Der Durch-
schnittspreis dieser ist llü fl., während die besseren
Sorten mit zwei Louisd'or und mehr bezahlt werden.
2m Ganzen hält man den Herbst für sehr befriedigend.
Ein junger Handelsmann von Karlsruhe scherzte kürz-
lich mit einem Wirthsmädchen in Durlach. Durch daS
Hin- und Herzerren riß seine goldene Uhrkette und ein

Tbcil derselben fiel zu Boden. Die jungen Leute such-
ten mit dem Lichte darnach, plötzlich fing das Kleid
des Mädchens Feuer; der todtkranke Vater eilt auf ihr
Geschrei aus dem Nebenzimmer herbei, die Tochter
wurde, obgleich gräßlich verbrannt, gerettet, der Va-
ter aber starb in der Nacht an Alteration.

Widrige Abenteuer eines Engländers.
^Schluß.)
So stand denn also die Orgel in Lord Boulin-
grogs Zimmer, und zwar dicht an der Wand gegen
das Nachbarhaus Sobald der Engländer auf-
stand, lief er an fein neues Instrument und spielte
ganze Stunden lang, ohne inne zu halten, die Ou-
vertüre von der »Earavanc,« die Ouvertüre aus
dem »jungen Heinrich« und andere eben so neue
Stücke, welche auf der Orgel vorgcstcckt waren.
Dies Mal glaubte unser Verliebter, cs sei ihm
gelungen. Es verstossen vierzehn Tage, er hörte
seine Nachbarin nicht mehr singen, was ihn auf die
Vermuthung führte, sie ziehe es vor, ihm zuznhö-
rcn; seift verfügte er sich aufs Neue zu dem inva-
liden Hausvogtc. Dieser sing an zu lachen, sobald
er den dicken Engländer erblickte.
— Nun denn, mein guter Freund! dies Mal
halte ich, wie ich glaube, das Mittel gefunden,
Bekanntschaft anznknüpfcn mit der schönen Dame
Ehika, jagte Lord Boulingrog mit triumphircndcr
Miene.
— Wahrlich, was Sie gesunden haben, weiß ich
nicht, entgegnete der Portier, und r>eb seinen Stelz-
fuß,— ich werke Ihnen aber sogleich ciwas sagen..
— Ich haben gefunden ein Instrument, das ich
sehr gut gespiclen. Hören Sie mich nicht den gan-
zen Tag! Ich war es, der den Orgel drehte.
— Wie! Sie spielen vom Morgen bis zum Abend
die Orgel?
— mein guter Freund, und Lady Ehika
mich haben auch müssen hören mit Vergnügen
— Ah! ich glaube wohl, mit so viel Vergnügen,
daß sie seit vier Tagen das Haus verlassen hat; sie
hielt cs nicht mehr aus; sie sagte: Der elende Orgel-
spieler wird mich noch taub machen! Man kann cs
unmöglich hier aushaltcn; ich wollte, daß die Pest
ihn erstickte! und andere schöne Dinge dieser Art.
Kurz, wie ich Ihnen sagte, vor vier Tagen ging sic
fort; sic wollte nicht mehr in Paris, ja nicht mehr
in Frankreich blciben, aus Furcht, lsicr wieder eine
Orgel, eine Clarinettc oder eine Pauke zu hören; sic
reiste nach Havre, von wo aus sic sich nach Guade-
loupe cinschissc» will. Es scheint, sie hat Freunde
in jenem Lande.
 
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