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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0241

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Der Neckar-Bote erscheint
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Auskunft erthcili, 3 kr.

Dienstag, den 9. Juli 1844.

Vuntes mrs der Leit.
Die Commission, die vom Bundestag den Auftrag
hatte, Wagners galvanische Eisenbahn zu prüfen, hat
jetzt erklärt, daß diese Erfindung die Erwartungen nickt
befriedige und man vor der Hand noch beim Alten blei-
ben wolle.
In Ulm sind diese Wocke einem Bäcker 190 Pfund
Brot wcggenommen und unter die Festungsarbeiter ver-
theilt worden, weil die Leibe nickt das gehörige Ge-
wickt hatten.
General Grivas hat sick auf das Versprechen voll-
ständiger Amnestie auf einem französischen Kriegsschiffe
im Piräus gestellt. Trotz dieses Versprechens wollte
ihn das Ministerium vor ein Kriegsgericht stellen; in-
dessen hat er sich auf ein französisches Schiff geflüchtet,
das ihn aus dem Lande bringen wird. Ein hübsches
Pröbchen der berüchtigten Aiaeca ticles.
Tie Pariser Blätter haben jetzt mit der Dotation
der Prinzen und Prinzessinnen gewaltig viel zn thun.
Eine hochgestellte Person soll den berühmten Artikel im
Moniteur geschrieben haben, der so sehr angegriffen
wird.
Mainz, 3. Juli. In Folge der großen mit jedem
Tage sick mehrenden Schwierigkeiten, welche der Aus-
führung der allgemeinen Advokateuversammluug sich ent-
gegengestellt haben, seben sich die unterzeichneten Mit-
glieder der Commission, nach vorherigem Benehmen mit
dem Ausschüsse der würtembergiscken Anwälte, zn der
öffentlichen Erklärung und Bekanntmachung veranlaßt,
daß die auf den i 8. Juli anbcraumte allgemeine deut-
sche Advokatenversammlung in Mainz nickt stattfinden
werde. Unterz. Glaubreck sein, Der n bürg, Krä-
mer, Hernsheim, Henco, Zitz.
Der Graf Gurowski, der in der letzter» Zeit rubig
auf den Gütern seines Schwagers lebte, muß nun die
preußischen Staaten binnen zwei Tagen auf dem kür-
zesten Wege verlassen.
Hoffmann von Fallersleben ist am 4. Juli in Mann-
heim angekommcn, und reist nicht nach Wien, sondern
in das Bad Soden, wo er längere Zeit verweilen wird.
Bei dem Schützenfeste in Basel schlug am 1. Juli
ein Sckiff, in dem sich 29 Personen befanden, um,
und 7 ertranken.
Ein Blatt aus Limoges berechnet den Schaden, den
die Spatzen jährlich der Landwirthsckaft in Frankreich
zufügeu, auf durchschnittlich 9 Millionen Franken. Die
Zahl der französischen Spatzen wird dabei auf 10 Mil-
lionen veranschlagt.

Freudenreich und Dolorosus.
Die warme Nachmitlagssonne schien recht freund-
lich auf das kleine märkische Städtchen, in dem sich
ein Justizhof der kleineren Classe, natürlich also
auch ein Kanzclist 'fand. Dieser aber hieß Ludwig
Freudenreich und halte so eben die plackvollc Arbeit
des Tages vollendet. Das Pfeifchen dampfte, der

ssassec kochte, Filippi's italiänischc Grammatik lag
aufgeschlagen auf dem Tische und Freudenreich saß
davor und sludirte emsig. Die Lv/^ione cqimrun-
tesiinn war vollendet und der Studierende schlürfte
mit einem Seufzer ein Täßchen herunter. —- ^Freu-
denreich!" sprach er laut zu sich, „Freudenreich!"
wiederholte er bitter lächelnd, „wandelndes Pas-
quill Deines Namens, der Freude, des Reich-
thums! warum quälst Du Dich, um di; schöne
itaiiänische Sprache in Deinen dreißigjährigen Kopf
zu pfropfen? Wist sie ja doch in Deinem Leben
nicht brauchen! Hier in unserm Städtchen sind diese
herrlichen Laute böhmische Dörfer, denn selbst der
Herr Superintendent versteht sic nicht, der dock im
klebrigen ein gescheuter Mann ist. Und um diese
Töne einst dort Zu hören, wo der duftige Himmel
auf ein heiteres Land hcrabschaut, — du lieber Kott!
um sic dort zu hören, braucht man mehr, als zwei-
hundert Thalcr jährliche Besoldung. So lange ich
denken kann, ist es mein einziger Wunsch, Hcspe-
ricns-BIumcnflur zu schauen, doch wird es auch
wohl nur ein Wunsch bleiben, da ich ganz und gar
Nicht der Mann bin , zu dem das Schicksal manchmal
höflich spricht: Was befehlen Sic, gcchrtcstcr Freu-
denreich? ist Ihnen eine Portion Glück gefällig? —
Dreißig Fahre hindurch habe ich nun schon auf Al-
lerlei gehofft, doch erfüllt wurde noch nichts, als
etwa das nicht Gehoffte, Malheur und so weiter.
Mein ganzes Leben ist ein Galeerendieust und wäre
sie mit mir nicht zusammengeschmicdct, hätte ihr
sanfter Trost mich nicht manchmal aufrecht erhalten,
wer weiß, ob ich nicht desperater Weise schon öfters
gerufen: Hochgeehrter Tod! wollen Sic nicht die
Güte haben, mich aus diesem irdischen Fochc gefäl-
ligst zu erlösen?" —
Vcrmuthlich, lieber Leser! wirst Du nicht wissen,
wer die iss, die demKanzelistcn manchmal tröstende
Worte in den bitkcrn Wcrmuthskclch seines freuden-
losen Lebens wirft. Sic ist eine stille Jungfrau,
Namens Juliane, ein gutes, frommes Wcjcn von
fünfundzwanzig Jahren, dem Freudenreich zuge-
than seit frühester Kindheit; von ihr ward er dank-
bar geliebt, seit er, der Knabe, sie einst aus den
Fluten des Flusses mit eigner Lebensgefahr zog.
Damals umrankte die Liebe mit ihren unsichtbaren,
aber starken Fäden die Beiden und immer dichter
wurde das unzerreißbare Gewebe. Als der Cantor,
Juliens Vater, gestorben und die hilflcste Waste
allein zurückblicb, da sendet ihr der Studiosus Freu-
denreich von der Universität den größten Thcil des
durch Privatunterricht gewonnenen Geldes, — mehr,
als er selbst entbehren konnte. Die Rechte hatte er
 
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